VwGH 2010/08/0203

VwGH2010/08/020316.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des W A in Salzburg, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Aignerstraße 4a, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 8. Juli 2010, Zl. LGSSbg/2/0566/2010, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 7. Mai bis 17. Juni 2010 entzogen.

In ihrer Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde fest, dass das AMS S dem Beschwerdeführer eine Beschäftigung als Produktionsmitarbeiter bei der Firma E-Personalvermittlung vermittelt habe. Am 5. Mai 2010 habe ihm Herr D von der Firma E einen Arbeitsbeginn bei der Firma W in H mit 7. Mai 2010 angeboten; der Beschwerdeführer habe jedoch erst am 10. Mai 2010 anfangen wollen. D habe dem Beschwerdeführer darauf gesagt, dass er aber bereits am Freitag, den 7. Mai 2010 jemanden brauche. Auf das dazu "zugeschickte Parteiengehör" habe der Beschwerdeführer mit e-mail vom 2. Juli 2010 vorgebracht, dass ihm beim Vorstellungsgespräch am 5. Mai 2010 nie ein konkreter Dienstbeginn am 7. Mai 2010 genannt worden sei. Vielmehr habe ihn D noch mit email bis 7. Mai davon informieren wollen, ob er "vielleicht am Montag" (den 10. Mai) anfangen könne; dieser habe aber nichts geschickt. Bei den Aussagen von D handle es sich wohl um dessen individuelle Sicht der Dinge; der Beschwerdeführer habe noch nie eine Arbeit vereitelt, auch dieses Angebot nicht, er hätte "ja am 10. Mai angefangen".

Zur Annahme einer Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG führte die belangte Behörde aus, dass die zumutbare Beschäftigung nicht zustande gekommen sei, weil der Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch am 5. Mai 2010 erklärt habe, dass er nicht schon am 7. Mai (wie angeboten), sondern aus persönlichen Gründen erst am Montag den 10. Mai 2010 anfangen habe können. Die diesbezüglichen Angaben des D, habe der Beschwerdeführer nicht bestritten; er habe lediglich angegeben, dass er noch keinen konkreten Arbeitsbeginn für den 7. Mai genannt bekommen habe. Nun sei es aber allgemein verständlich, dass ein Dienstgeber, der einem Arbeitssuchenden mitteilt, dass er bereits am zweiten Tag nach dem Vorstellungsgespräch mit der angebotenen Arbeit beginnen könne, diesen nicht einstellen werde, wenn der Arbeitslose erst später (nach dem Wochenende) anfangen wolle. Das konkrete Arbeitsangebot (mit genauen Beginnzeiten) könne erst dann erfolgen, wenn der Arbeitssuchende dem Tag der angebotenen Arbeit grundsätzlich zustimme. Daher liege hier auch ohne die genaue Stunde des Arbeitsbeginns eine konkrete Arbeitsofferte für den 7. Mai vor. Da der Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch den angebotenen Arbeitsbeginn abgelehnt und einen späteren Arbeitsbeginn vorgeschlagen habe, habe er eindeutig keine sofortige Arbeitswilligkeit speziell in Bezug auf die ihm vom AMS vermittelte zumutbare Beschäftigung zum Ausdruck gebracht und mit seinem Verhalten in Kauf genommen, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht zustande komme und damit die Voraussetzungen für eine Arbeitsvereitelung erfüllt. Im Übrigen haben auch keine berücksichtigungswürdigen Gründe iSd § 10 Abs. 3 AlVG festgestellt werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wege vereitelt werden:

Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, Zl. 2008/08/0017).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2004/08/0237, mwN).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellungen im angefochtenen Bescheid zum Inhalt des Vorstellungsgespräches am 5. Mai 2010 beim potentiellen Arbeitgeber richtet und damit erkennbar die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Die wesentlichen Angaben des D über den Inhalt des Vorstellungsgespräches, wonach der Beschwerdeführer - trotz des Hinweises des potentiellen Arbeitgebers auf den dringenden Arbeitskräftebedarf - erklärt habe, nicht sofort (gemeint: am übernächsten Tag), sondern erst nach dem Wochenende am Montag anfangen zu können, wurden vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht bestritten. Der Beschwerdeführer hat auch keine konkreten Gründe für seinen Wunsch nach einem späteren Arbeitsbeginn vorgebracht. Vor dem Hintergrund des von D im Vorstellunggespräch gegenüber dem Beschwerdeführer aufgezeigten dringenden Arbeitskräftebedarfes erscheint es nachvollziehbar, dass die belangte Behörde den Umstand, dass der Arbeitsbeginn nicht bereits mit 7. Mai 2010 möglich war, als kausal für das Nichtzustandekommen des Arbeitsverhältnisses gesehen hat. Damit war die Vereitelungshandlung unabhängig davon vollendet, ob man dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach noch der alternative Arbeitsbeginn am darauffolgenden Montag vom potentiellen Arbeitgeber geprüft werden sollte, folgen wollte: Denn selbst wenn diese Behauptung zuträfe, war das Risiko, dass trotz der weiteren Nachfrage die Anstellung des Beschwerdeführers abgelehnt wird, in dessen Risikosphäre gelegen. Wenn sich daher der Beschwerdeführer nunmehr gegen die übrigen Angaben seitens des potentiellen Arbeitgebers in Bezug auf ein provokantes Verhalten des Beschwerdeführers wendet, so übersieht er, dass die belangte Behörde diese Angaben zur Stützung ihrer Begründung gar nicht herangezogen hat, womit die Beschwerdeargumentation dazu ins Leere geht. Auch der behauptete Verfahrensmangel wegen der Unterlassung weiterer Ermittlungen verfängt nicht, weil der festgestellte Sachverhalt zur rechtlichen Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers ausreicht.

Davon ausgehend erweist sich der angefochtene Bescheid auch frei von Rechtsirrtum:

Die Verpflichtung einer arbeitslosen Person, eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte oder sich sonst bietende zumutbare Beschäftigung anzunehmen, deren Verletzung gemäß § 10 AlVG mit dem Verlust von Geldleistungen durch mindestens sechs Wochen sanktioniert ist, dient dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung und erfordert auch, dass der Arbeitslose für das Arbeitsmarktservice grundsätzlich jederzeit erreichbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2003/08/0039, VwSlg. 16.546 A/2005). Eine arbeitslose Person hat zur Erlangung eines angebotenen Arbeitsplatzes unverzüglich zu handeln. Dass nach den Umständen auch umgehende Bemühungen der arbeitslosen Person erforderlich sind, beinhaltet zwar nicht, dass auch ohne weitere Vorankündigung eine "Einweisung" in ein Arbeitsverhältnis von einer Minute auf die andere vorgenommen werden dürfte. Das Gesetz ermächtigt die regionale Geschäftsstelle nicht, ohne Mitwirkung der arbeitslosen Person einen bestimmten Arbeitsbeginn festzusetzen, auf den sich die betreffende Person weder der Sache nach entsprechend vorbereiten noch einrichten kann (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis VwSlg. 16.546 A/2005).

Ein solcher Sachverhalt liegt hier aber nicht vor, zumal dem Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch am Mittwoch, dem 5. Mai 2010 angeboten wurde, am Freitag, dem 7. Mai 2010 das Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen. Dabei handelte es sich aber um keine Einweisung in ein Arbeitsverhältnis "von einer Minute auf die andere". Dem Beschwerdeführer wäre es vielmehr zumutbar gewesen, sich auf diesen Arbeitsbeginn entsprechend vorzubereiten und einzurichten (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2010, Zl. 2008/08/0191).

Es begegnet daher auch keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde als Ergebnis ihrer - entgegen dem weiteren Beschwerdevorbingen - schlüssigen Begründung die mangelnde Bereitschaft des Beschwerdeführers, eine ihm zu einem bestimmten Arbeitsantrittstermin angebotenen Beschäftigung zu eben diesem Termin anzunehmen als mangelnde Arbeitswilligkeit gewertet und somit die Voraussetzungen für den Tatbestand der Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht als erfüllt gesehen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. November 2011

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