VwGH 2010/08/0057

VwGH2010/08/005730.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A N in B, vertreten durch Shamiyeh & Reiser Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Hessenplatz 11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 26. Jänner 2010, Zl. BMASK-462.205/0059-VII/8/2009, betreffend Feststellung und Zuschläge nach dem BUAG (mitbeteiligte Partei: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in 1051 Wien, Kliebergasse 1 A), zu Recht erkannt:

Normen

BUAG §3 Abs3;
BUAG §3 Abs4;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BUAG §3 Abs3;
BUAG §3 Abs4;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach den Feststellungen der belangten Behörde übt der Beschwerdeführer das Spenglerhandwerk und das Dachdeckerhandwerk aus. In seinem Betrieb besteht keine organisatorische Trennung zwischen diesen Tätigkeitsbereichen. Er beschäftigte im Zeitraum "2008/04" die Lehrlinge W R und D E, welche jeweils eine Doppellehre in den Lehrberufen Spengler und Dachdecker absolvierten. Im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzte die belangte Behörde, die Tatsache, dass im Rahmen der Doppellehre Spengler/Dachdecker in beiden Lehrberufen gleichwertig ausgebildet werde und demnach kein Lehrberuf gegenüber dem anderen überwiege, werde von den Parteien nicht bestritten. Auch aus den Vorschriften des Berufsausbildungsgesetzes ergebe sich, dass keinem Lehrberuf ein Überwiegen gegenüber dem anderen zukommen könne; von den Parteien sei nicht behauptet worden, dass der Beschwerdeführer gesetzwidrig in einem der beiden Lehrberufe überwiegend ausbilde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, die Lehrverhältnisse der genannten Lehrlinge zum Beschwerdeführer unterlägen gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 lit. c in Verbindung mit § 3 Abs. 4 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) den Vorschriften des BUAG. Der Beschwerdeführer sei verpflichtet, Zuschläge zum Lohn samt Nebengebühren hinsichtlich dieser Lehrverhältnisse für den Zeitraum "2008/04" in der Höhe von EUR 14.656,88 zuzüglich 7 % Zinsen zu leisten.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, Dachdeckerbetriebe seien im Gegensatz zu Spenglerbetrieben vom Geltungsbereich des BUAG umfasst. Der Beschwerdeführer übe beide Tätigkeiten aus, es liege daher ein Mischbetrieb gemäß § 3 BUAG vor, der nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 bis 5 BUAG den Bestimmungen des BUAG unterliege. Gemäß § 5 Abs. 6 Berufsausbildungsgesetz (BAG) sei die Ausbildung eines Lehrlings - mit hier nicht relevanten Ausnahmen - in zwei Lehrberufen zulässig. Bei einer Doppellehre, die auf einem einheitlichen Lehrvertrag beruhe, könne keinem Lehrberuf ein Überwiegen gegenüber dem anderen zukommen. Für die Zuordnung eines Arbeitnehmers in einem Mischbetrieb ohne organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen sei primär der arbeitsvertraglich geschuldete Inhalt der Tätigkeit maßgebend, also der Umstand, für welche Tätigkeit ein Arbeitnehmer aufgenommen worden sei. Bei einem Lehrberuf sei das Tätigkeitsfeld genau umrissen. Ein Lehrling, der auch als Dachdecker ausgebildet werde, werde demnach für eine dem BUAG unterliegende Tätigkeit aufgenommen. Es komme daher die Abgrenzungsregel des § 3 Abs. 4 BUAG zur Anwendung. Nur wenn keine eindeutige und klare Zuordnung zu einer Tätigkeit möglich sei, komme der subsidiäre Grundsatz des faktischen Überwiegens der Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 BUAG zur Anwendung. § 3 Abs. 3 BUAG diene der Ergänzung des § 3 Abs. 4 BUAG und greife nur, wenn der Arbeitnehmer für keine bestimmte Beschäftigung aufgenommen worden sei. Dies treffe hier aber nicht zu, die Lehrlinge seien auch als Dachdecker und damit für eine klar definierte bestimmte Tätigkeit aufgenommen worden. Die gleichwertige Ausbildung im zweiten Lehrberuf Spengler vermöge die zwingende Bestimmung des § 3 Abs. 4 BUAG nicht auszuschließen. Im Hinblick auf die Gesetzessystematik sei für die Berechnung der Beitragszuschläge der facheinschlägige Kollektivvertrag für das Dachdeckergewerbe heranzuziehen. Welcher Kollektivvertrag auf Grund des § 9 Abs. 3 ArbVG basierend auf der maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung für den Beschwerdeführer grundsätzlich zur Anwendung komme, sei hier nicht relevant.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, ebenso wie die mitbeteiligte Kasse eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der vorliegende Fall gleicht im Sachverhalt und der Rechtsfrage dem mit Erkenntnis vom 26. Mai 2010, Zl. 2010/08/0030, entschiedenen Fall. Aus den dort angeführten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das - nicht näher begründete - Kostenmehrbegehren (EUR 1,28) war abzuweisen, da es in diesen Bestimmungen keine Deckung findet.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 2009, Zl. 2006/08/0228). Dieser Umstand liegt aber auch hier vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Wien, am 30. Juni 2010

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