VwGH 2010/08/0030

VwGH2010/08/003026.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H P in P, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 6-8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 29. Jänner 2010, Zl. BMASK-462.205/0073-VII/8/2009, betreffend Zuschläge nach dem BUAG (mitbeteiligte Partei: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in 1051 Wien, Kliebergasse 1 A), zu Recht erkannt:

Normen

BUAG §13 Abs1;
BUAG §3 Abs3;
BUAG §3 Abs4;
BUAG §13 Abs1;
BUAG §3 Abs3;
BUAG §3 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Lehrverhältnisse von M K und J M zum Beschwerdeführer gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 lit. c BUAG in Verbindung mit § 3 Abs. 4 BUAG den Vorschriften des BUAG unterlägen. Der Beschwerdeführer sei verpflichtet, die Zuschläge zum Lohn samt Nebengebühren betreffend M K und J M unter Anwendung des Kollektivvertrages für das Dachdeckergewerbe zu leisten.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer als Einzelunternehmer das Spenglerhandwerk und das Dachdeckerhandwerk ausübe. In seinem Betrieb bestehe keine organisatorische Trennung zwischen diesen Tätigkeitsbereichen.

Der Beschwerdeführer habe im Zeitraum April bis Juni 2008 die Lehrlinge M K und J M beschäftigt, die jeweils eine Doppellehre in den Lehrberufen Spengler und Dachdecker absolviert hätten.

Die mitbeteiligte Partei habe dem Beschwerdeführer mit Zuschlagsverrechnungslisten vom 4. Juni, 4. Juli und 1. August 2008 gemäß § 25 Abs. 3 BUAG Zuschläge samt Nebengebühren zum Lohn gemäß den §§ 21 und 21a BUAG in Gesamthöhe von EUR 4.809,97 zuzüglich 7% Zinsen für den Zeitraum April und Mai hinsichtlich der genannten Lehrlinge vorgeschrieben.

Der Sachverhalt sei "weitgehend unstrittig". Die Tatsache, dass im Rahmen der Doppellehre Spengler/Dachdecker in beiden Lehrberufen gleichwertig ausgebildet werde und demnach kein Lehrberuf gegenüber dem anderen überwiege, werde von den Parteien nicht bestritten. Auch aus den Vorschriften des Berufsausbildungsgesetzes ergebe sich, dass mit einer Doppellehre ein einheitliches Lehrverhältnis begründet werde und die Ausbildung in beiden Lehrberufen gemeinsam durchzuführen sei. Deshalb könne keinem Lehrberuf ein Überwiegen gegenüber dem anderen zukommen. Von den Parteien sei auch nicht behauptet worden, dass der Beschwerdeführer gesetzwidrig in einem der beiden Lehrberufe überwiegend ausbilde.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 2 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 lit. c BUAG Dachdeckerbetriebe vom Geltungsbereich des BUAG umfasst seien, Spenglerbetriebe jedoch nicht. Der Beschwerdeführer übe demnach sowohl Tätigkeiten aus, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 BUAG fielen, als auch Tätigkeiten, die ihrer Art nach nicht in den Geltungsbereich des § 2 BUAG fielen. Es liege somit ein Mischbetrieb gemäß § 3 BUAG vor, der nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 bis 5 BUAG den Bestimmungen des BUAG unterliege.

Gemäß § 5 Abs. 6 Berufsausbildungsgesetz (BAG) sei die Ausbildung eines Lehrlings - mit hier nicht relevanten Ausnahmen - in zwei Lehrberufen zulässig. Bei einer Doppellehre, die auf einem einheitlichen Lehrvertrag beruhe, könne keinem Lehrberuf ein Überwiegen gegenüber dem anderen zukommen.

Es sei unstrittig, dass im Unternehmen des Beschwerdeführers keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen bestehe. Für diesen Fall würden § 3 Abs. 3 und 4 BUAG Abgrenzungskriterien vorsehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 BUAG unterlägen in Mischbetrieben, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen bestehe, nur jene Arbeitnehmer dem BUAG, die überwiegend Tätigkeiten verrichteten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 BUAG fielen.

Nach § 3 Abs. 4 BUAG fänden die Bestimmungen des BUAG auf Arbeitnehmer Anwendung, wenn sie in einer dem BUAG unterliegenden Betriebsabteilung beschäftigt würden. Dies gelte sinngemäß, auch für Arbeitnehmer in Mischbetrieben, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen bestehe. Die Zugehörigkeit zum BUAG bleibe auch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer zeitweise oder zur Gänze eine dem BUAG nicht unterliegende Tätigkeit ausübe.

Für die Zuordnung eines Arbeitnehmers in einem Mischbetrieb ohne organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen sei primär der arbeitsvertraglich geschuldete Inhalt der Tätigkeit maßgebend, also der Umstand, für welche Tätigkeit ein Arbeitnehmer aufgenommen werde. Bei einem Lehrberuf sei das Tätigkeitsfeld genau umrissen. Ein Lehrling, der auch als Dachdecker ausgebildet werde, werde demnach für eine dem BUAG unterliegende Tätigkeit aufgenommen. Es komme daher die Abgrenzungsregel des § 3 Abs. 4 BUAG zur Anwendung.

Nur wenn keine eindeutige und klare Zuordnung zu einer Tätigkeit möglich sei, komme der subsidiäre Grundsatz des faktischen Überwiegens der Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 BUAG zur Anwendung. § 3 Abs. 3 BUAG diene der Ergänzung des § 3 Abs. 4 BUAG und greife nur, wenn der Arbeitnehmer für keine bestimmte Beschäftigung aufgenommen worden sei. Dies treffe im gegenständlichen Fall jedoch gerade nicht zu, da die Lehrlinge "für eine bestimmte Tätigkeit aufgenommen" worden seien.

Für diese Rechtsansicht spreche auch das Urteil (richtig: der Beschluss) des OLG Wien vom 17. September 2003, 7 Ra 117/03, bestätigt durch den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 26. Mai 2004, 9 ObA 6/04d. Das erkennende Gericht habe darin die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Abgrenzung nach dem faktischen Überwiegen um einen subsidiären Grundsatz handle.

Da die verfahrensbetroffenen Doppellehrlinge auch als Dachdecker und damit für eine klar definierte Tätigkeit aufgenommen worden seien, sei ein Rückgriff auf den subsidiären Grundsatz des Überwiegens der faktischen Tätigkeit somit nicht erforderlich. Die gleichwertige Ausbildung im zweiten Lehrberuf vermöge die zwingende Bestimmung des § 3 Abs. 4 BUAG nicht auszuschließen.

Hinsichtlich des der Berechnung der Zuschläge zu Grunde zu legenden Kollektivvertrages führte die belangte Behörde aus, dass § 21a Abs. 3 BUAG bei der Berechnung der Zuschläge auf den kollektivvertraglichen Stundenlohn abstelle. Da die Lehrlinge auf Grund ihres Lehrberufes Dachdecker dem BUAG unterlägen, sei es auch folgerichtig, wenn bei der Berechnung der Beitragszuschläge der facheinschlägige Kollektivvertrag für das Dachdeckergewerbe herangezogen werde. Welcher Kollektivvertrag auf Grund des § 9 Abs. 3 ArbVG basierend auf der maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung für die beschwerdeführende Partei grundsätzlich zur Anwendung komme, sei hier nicht relevant.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 3 BUAG (zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 256/1993) lautet:

"(1) Betriebe, in denen sowohl Tätigkeiten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 fallen, als auch Tätigkeiten verrichtet werden, die ihrer Art nach nicht in diese Tätigkeitsbereiche fallen, unterliegen als Mischbetriebe nach Maßgabe der Abs. 2 bis 5 den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Ausgenommen sind Betriebe, in denen die Tätigkeiten im Sinne des § 2 ausschließlich für den eigenen Betrieb vorgenommen werden.

(2) In Mischbetrieben, in denen entsprechend den unterschiedlichen Tätigkeiten nach Abs. 1 eine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht, unterliegen diejenigen Arbeitnehmer den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, die in Betriebsabteilungen beschäftigt werden, in denen Tätigkeiten verrichtet werden, die ihrer Art nach in die Tätigkeitsbereiche der Betriebe nach § 2 fallen.

(3) In Mischbetrieben, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht, unterliegen nur jene Arbeitnehmer den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, die überwiegend Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 fallen.

(4) Auf Arbeitnehmer eines Mischbetriebes, die für eine Beschäftigung in einer diesem Bundesgesetz unterliegenden Betriebsabteilung aufgenommen wurden, finden für die Dauer des Arbeitsverhältnisses die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auch dann Anwendung, wenn sie in einer diesem Bundesgesetz nicht unterliegenden Betriebsabteilung beschäftigt werden. Dies gilt sinngemäß auch für Arbeitnehmer in Mischbetrieben, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht.

(5) Ist eine Einheitlichkeit der Urlaubs- und Abfertigungsregelungen aus Gründen der betrieblichen Verwaltungsarbeit erforderlich und führt sie zur Beseitigung von sich sonst ergebenden Härten für die Arbeitnehmer, können auf gemeinsamen Antrag der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter, sämtliche Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs. 1, die in einem Mischbetrieb beschäftigt werden, durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales in den Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes einbezogen werden. Die Einbeziehung ist auf gemeinsamen Antrag der genannten Interessenvertretungen oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Einbeziehung weggefallen sind.

(6) Unterliegt in einem Unternehmen die überwiegende Zahl der Arbeitnehmer dem Geltungsbereich für den Sachbereich der Abfertigungsregelung, so kann der Arbeitgeber an die Urlaubs- und Abfertigungskasse den Antrag auf Einbeziehung aller dem Geltungsbereich für den Sachbereich der Urlaubsregelung unterliegenden Arbeitnehmer des Unternehmens in den Sachbereich für die Abfertigungsregelung stellen. Die Urlaubs- und Abfertigungskasse hat bei Zutreffen der Voraussetzung die Einbeziehung mit dem Zeitpunkt der Antragstellung vorzunehmen. Lehnt die Urlaubs- und Abfertigungskasse den Antrag ab oder erledigt sie den Antrag nicht binnen sechs Wochen, so kann der Arbeitgeber binnen zwei Wochen bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde die bescheidmäßige Erledigung seines Antrages begehren. Auf dieses Verfahren finden die Bestimmungen des § 25 Abs. 3 und 5 sinngemäß Anwendung."

2. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum (nach der damaligen Bezeichnung) Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972 (426 BlgNR 13. GP, 13 f), welches im Übrigen die nunmehrige Bestimmung des § 3 Abs. 3 BUAG - Mischbetriebe ohne organisatorische Trennung - noch nicht, wohl aber bereits den zweiten Satz des (nunmehrigen) § 3 Abs. 4 BUAG enthielt, wurde ausgeführt:

"Nach dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1957 ergaben sich in Einzelfällen immer wieder Schwierigkeiten bei der Beurteilung, welche gesetzlichen Bestimmungen auf Arbeitnehmer in Mischbetrieben anzuwenden sind. in Mischbetrieben ohne organisatorische Trennung war das Prinzip der überwiegenden Betriebsausübung, bei solchen mit einer Trennung in Betriebsabteilungen die Zuordnung der jeweiligen Abteilungen maßgebend. Aber auch im letzteren Fall entstanden Schwierigkeiten bei jenen Arbeitnehmern, die häufig zwischen solchen Abteilungen fluktuieren. In einigen Fällen war dieser Umstand die Veranlassung für eine freiwillige Unterstellung von Arbeitnehmern unter das Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1957. Für die häufigsten Gruppen von Fällen, die Schwierigkeiten bei der Zuordnung bereiteten, wird durch die Bestimmungen des § 3 eine Regelung getroffen."

Mit BGBl. Nr. 393/1976 wurde die Definition des Mischbetriebes (§ 3 Abs. 1 BUAG) geändert und die Bestimmung des (nunmehrigen) § 3 Abs. 3 BUAG eingefügt. In den Erläuterungen (182 BlgNR 14. GP, 4) wurde ausgeführt:

"Der bisherige Wortlaut des § 3 Abs. 1 führte zu der Auslegung, daß nur dann von einem Mischbetrieb gesprochen werde kann, wenn primär ein Betrieb (Unternehmen) vorhanden ist, in dem neben Tätigkeiten, die ihrer Art nach in die Tätigkeitsbereiche von Betrieben im Sinne des § 2 fallen, auch solche Tätigkeiten verrichtet werden, die ihrer Art nach nicht in diese Tätigkeitsbereiche fallen. Der neue Wortlaut bringt zum Ausdruck, daß die Qualifikation als Mischbetrieb (und damit die Unterstellung eines Teilbereiches des Betriebes unter das Bauarbeiter- Urlaubsgesetz) jedem Betrieb zukommt, in dem nach Maßgabe der Abs. 2 bis 5 Tätigkeiten im Sinne des § 2 verrichtet werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Art von Tätigkeiten dieser Betrieb primär ausübt. Ferner wurde die bisher fehlende Regelung für Mischbetriebe, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht, ergänzt."

3. Im Beschwerdefall liegt unstrittig ein Mischbetrieb (§ 3 BUAG) vor, in dem keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht. Ob auf die Arbeitnehmer in diesem Mischbetrieb die Bestimmungen des BUAG Anwendung finden, bestimmt sich gemäß § 3 Abs. 3 BUAG danach, ob die betroffenen Arbeitnehmer "überwiegend Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 fallen".

Dass bei den hier verfahrensgegenständlichen Lehrlingen, die in einer Doppellehre in den Berufen Spengler und Dachdecker ausgebildet werden, "kein Lehrberuf gegenüber dem anderen überwiegt", hat die belangte Behörde ausdrücklich festgestellt. Diese Feststellung, die von der belangten Behörde auch wiederholt wurde ("Deshalb kann keinem Lehrberuf ein Überwiegen gegenüber dem anderen zukommen"), kann nicht anders verstanden werden, als dass die Lehrlinge in gleichem Umfang Spengler- wie Dachdeckertätigkeiten ausüben. Da sie demnach aber gerade nicht überwiegend Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich eines Dachdeckerbetriebes fallen, unterliegen diese eine Doppellehre absolvierenden Lehrlinge daher in dem - nicht organisatorisch in Betriebsabteilungen getrennten - Betrieb des Beschwerdeführers nicht gemäß § 3 Abs. 3 BUAG den Bestimmungen des BUAG.

4. Die belangte Behörde begründet ihre Rechtsauffassung, dass die Lehrlinge dem BUAG unterlägen, jedoch mit der Bestimmung des § 3 Abs. 4 BUAG, nach der für die Zuordnung eines Arbeitnehmers in Mischbetrieben ohne organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen primär der arbeitsvertraglich geschuldete Inhalt der Tätigkeit maßgebend sei, also der Umstand, für welche Tätigkeit ein Arbeitnehmer aufgenommen werde. Ein Lehrling, der - wie im Beschwerdefall - auch als Dachdecker ausgebildet werde, werde damit für eine klar umrissene Tätigkeit aufgenommen, im konkreten Fall für eine Tätigkeit in einem Betrieb nach § 2 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 lit. c BUAG.

§ 3 Abs. 4 BUAG stellt in seinem ersten Satz zunächst darauf ab, dass ein Arbeitnehmer in einem organisatorisch in Betriebsabteilungen getrennten Betrieb für eine Beschäftigung in einer diesem Bundesgesetz unterliegenden Betriebsabteilung aufgenommen wird. In diesem Fall finden für die Dauer des Arbeitsverhältnisses die Bestimmungen des BUAG auch dann Anwendung, wenn der Arbeitnehmer in einer dem BUAG nicht unterliegenden Betriebsabteilung beschäftigt wird. Wie sich aus den oben zitierten Gesetzesmaterialien ergibt, sollte damit eine Regelung für jene Arbeitnehmer getroffen werden, die häufig zwischen den Abteilungen "fluktuieren".

Für das Verständnis des zweiten Satzes des § 3 Abs. 4 BUAG geben die Erläuterungen keinen Hinweis. Der Gesetzesauftrag zur "sinngemäßen Anwendung" einer Bestimmung, die ausdrücklich auf Betriebsabteilungen abstellt, auch auf einen nicht in Abteilungen gegliederten Betrieb kann aber - insofern ist der Rechtsansicht der belangten Behörde zu folgen - wohl nur so verstanden werden, dass damit die Aufnahme des Arbeitnehmers für eine bestimmte - dem BUAG unterliegende - Tätigkeit maßgebend sein soll. Wird der Arbeitnehmer für eine solche Tätigkeit aufgenommen, so unterliegt das Arbeitsverhältnis auch dann weiterhin dem BUAG, wenn der Arbeitnehmer in der Folge im Mischbetrieb Tätigkeiten ausübt, die an sich nicht dem BUAG unterliegen würden (in diesem Sinne auch Martinek/Widorn, BUAG (1988), S. 79). Auch damit wird verhindert, dass für einen Arbeitnehmer im Fall des "Fluktuierens" zwischen verschiedenen Tätigkeiten auch die Anwendbarkeit des BUAG "fluktuiert". Wird daher ein Arbeitnehmer in einem Dachdecker/Spengler-Mischbetrieb als Dachdecker aufgenommen, in der Folge aber auch für Spenglerarbeiten eingesetzt, so bleibt das BUAG auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.

Nach Ansicht der belangten Behörde - ebenso wie der mitbeteiligten Partei - wäre aus diesem Grunde für die hier verfahrensgegenständlichen Lehrverhältnisse im Rahmen einer Dachdecker/Spengler-Doppellehre das BUAG anwendbar, da die Lehrlinge (auch) als Dachdeckerlehrlinge aufgenommen wurden.

Der Verwaltungsgerichtshof folgt dieser Rechtsansicht nicht:

§ 3 Abs. 3 BUAG stellt für Arbeitnehmer in organisatorisch nicht in Betriebsabteilungen gegliederten Mischbetrieben als Grundsatz eine klare "Überwiegens-Regel" auf: wer in einem solchen Betrieb tätig ist, unterliegt grundsätzlich nur dann dem BUAG, wenn er überwiegend solche Tätigkeiten verrichtet, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich von dem BUAG unterliegenden Betrieben fallen. Demgegenüber verfolgt die Regelung des § 3 Abs. 4 BUAG lediglich das Ziel, einen häufigen Wechsel der BUAG-Zugehörigkeit zu vermeiden, wenn Arbeitnehmer zwar für eine bestimmte dem BUAG unterliegende Tätigkeit aufgenommen werden, aber in der Folge auch in anderen Betriebsabteilungen bzw. für andere Tätigkeiten eingesetzt werden. Dabei geht der Gesetzgeber offenkundig davon aus, dass Arbeitnehmer, die für bestimmte Tätigkeiten aufgenommen wurden, in der Regel überwiegend in dieser vereinbarten Tätigkeit Verwendung finden. Im Beschwerdefall wurden aber die Lehrlinge gleichermaßen für Tätigkeiten, die dem BUAG unterliegen, und solche, die nicht in den Anwendungsbereich des BUAG fallen, aufgenommen. Bei einer Doppellehre liegt ein einheitlicher Lehrvertrag (§ 13 Abs. 1 BUAG) vor; keinem der beiden Lehrberufe kann - jedenfalls im hier gegebenen Fall der gleichen Dauer der Lehrzeit - ein Übergewicht gegenüber dem anderen zukommen (vgl. das Urteil des OGH vom 15. Juli 1986, 4 Ob 93/85). Aus rechtlichen Gründen scheidet daher die Annahme einer überwiegenden Verwendung in einer dem BUAG unterliegenden Tätigkeit aus. Eine solche wurde auch nicht festgestellt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Mai 2010

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