VwGH 2010/08/0008

VwGH2010/08/00082.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der L Genossenschaft & Co KG in W, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1 (Kaiser-Josef-Platz), gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 19. Mai 2009, Zl. LGS600/SAB/0556/2009-Mag. Ed-ME, betreffend Altersteilzeitgeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §27 Abs2 Z2 idF 2003/I/071;
AlVG 1977 §27 Abs2 Z3 lita idF 2003/I/071;
AlVG 1977 §27 Abs2 Z2 idF 2003/I/071;
AlVG 1977 §27 Abs2 Z3 lita idF 2003/I/071;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gegenüber der beschwerdeführenden KG gemäß § 27 Abs. 2 Z. 3 lit. a und Abs. 8 AlVG den Bezug des Altersteilzeitgeldes für den Dienstnehmer H für die Zeit vom 1. März 2008 bis 31. Jänner 2009 "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und die beschwerdeführende Arbeitgeberin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von EUR 7.536,60 verpflichtet.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitierung von § 27 Abs. 2 Z. 3 und Abs. 8 AlVG im Wesentlichen aus, die beschwerdeführende Partei habe im Antrag auf Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes vom 5. März 2008 unter Punkt 2 angegeben, dass H seit 1. Jänner 1988 Dienstnehmer ihres Unternehmens und die gesetzliche bzw. kollektivvertragliche Normalarbeitszeit im letzten Jahr (bei kürzerer Dauer des Dienstverhältnisses im gesamten Beschäftigungszeitraum) nicht unterschritten worden sei. Entgegen diesen Angaben (deren Richtigkeit durch Unterfertigung des Formulars bestätigt worden sei) sei jedoch H nicht durchgehend bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigt gewesen, sondern er habe vom 14. bis 25. Jänner 2008 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen. Auch in der Ausfüllhilfe zum Antrag auf Altersteilzeitgeld werde explizit darauf hingewiesen, dass diese Leistung nur dann gewährt werden könne, wenn die jeweilige Person bereits seit drei Monaten im Unternehmen beschäftigt sei. Da sich auf Grund der nicht durchgehenden Beschäftigungsdauer von drei Monaten vor dem Antritt der Altersteilzeit des H am 1. März 2008 die Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes als gesetzlich nicht begründet herausgestellt habe, sei die Zuerkennung zu widerrufen und die beschwerdeführende Partei zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene, nach Ablehnung und Abtretung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 1. Dezember 2009, B 793/09-8, für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 27 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung

BGBl. I Nr. 71/2003 lautet (auszugsweise):

"Altersteilzeitgeld

§ 27. (1) Ein Arbeitgeber, der ältere ArbeitnehmerInnen beschäftigt, die ihre Arbeitszeit verringern, und diesen einen Lohnausgleich gewährt, hat Anspruch auf Altersteilzeitgeld.

(2) Altersteilzeitgeld gebührt längstens fünf Jahre für Personen, die nach spätestens fünf Jahren das Regelpensionsalter vollenden und die

1. in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) 780 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren, wobei auf die Anwartschaft anzurechnende Zeiten gemäß § 14 Abs. 4 und 5 berücksichtigt und die Rahmenfrist um arbeitslosenversicherungsfreie Zeiten der Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres erstreckt werden,

2. auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung ihre Normalarbeitszeit, die im letzten Jahr der gesetzlichen oder kollektivvertraglich geregelten Normalarbeitszeit entsprochen oder diese höchstens um 20 vH unterschritten hat, auf 40 bis 60 vH verringert haben,

3. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung

a) bis zur Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 ASVG einen Lohnausgleich in der Höhe von mindestens 50 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem im letzten Jahr (bei kürzerer Beschäftigungszeit in einem neuen Betrieb während dieser kürzeren, mindestens drei Monate betragenden Zeit) vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit durchschnittlich gebührenden Entgelt und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt erhalten und

b) für die der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Beitragsgrundlage vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit entrichtet und

4. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung Anspruch auf Berechnung einer zustehenden Abfertigung auf der Grundlage der Arbeitszeit vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit haben; für die Berechnung einer Abfertigung nach dem BUAG gilt § 13d Abs. 3 BUAG.

(3) ...

(8) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersteilzeitgeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Altersteilzeitgeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Altersteilzeitgeldes als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Altersteilzeitgeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten."

§ 27 Abs. 2 Z. 2 und 3 lit a AlVG in der hier anzuwendenden Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, enthalten u.a. zwei Anforderungen an die Beschäftigung eines Dienstnehmers, mit dem der Dienstgeber eine Altersteilzeitvereinbarung geschlossen hat und für den er Altersteilzeitgeld beansprucht: Erstens muss die vor der Herabsetzung der Arbeitszeit geleistete Arbeitszeit "im letzten Jahr der gesetzlichen oder kollektivvertraglich geregelten Normalarbeitszeit entsprochen oder diese höchstens um 20 vH unterschritten" haben. Zweitens muss ein Lohnausgleich vereinbart worden sein, der mindestens 50 vH des Unterschiedsbetrages "zwischen dem im letzten Jahr (bei kürzerer Beschäftigungszeit in einem neuen Betrieb während dieser kürzeren, mindestens drei Monate betragenden Zeit) vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit durchschnittlich gebührenden Entgelt" und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt beträgt.

Die Materialien begründen die Festlegungen des Abs. 2 Z. 3 lit. a damit, dass bisher keine Mindestbeschäftigungsdauer festgelegt gewesen sei. Es solle nunmehr gesetzlich klargestellt werden, dass "im letzten Jahr vor der Altersteilzeit keine Teilzeitbeschäftigung unter der Toleranzgrenze vorliegen" darf. Es solle ausgeschlossen werden, dass für Arbeitskräfte ein Anspruch auf Altersteilzeitgeld besteht, die nur zum Zwecke der Inanspruchnahme für kurze Zeit eine Vollzeitbeschäftigung ausüben. "Vollzeitbeschäftigte Arbeitskräfte, die ihren Arbeitsplatz gewechselt haben, sollen aber auch im Falle von Lücken zwischen den Vollzeit-Dienstverhältnissen nicht von der Altersteilzeit ausgeschlossen sein. In diesem Fall soll eine Mindestbeschäftigungszeit von drei Monaten im neuen Betrieb erforderlich sein" (RV 59 BlgNR 22. GP, 348).

Die beschwerdeführende Partei rügt zunächst zu Recht, dass die Auffassung der belangten Behörde nicht zutrifft, wonach das Fehlen einer Mindestbeschäftigungszeit von drei Monaten im Sinne des Klammerausdruckes in § 27 Abs. 2 Z. 3 lit. a AlVG dem Anspruch entgegensteht, hat doch der Dienstnehmer nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides den Arbeitsplatz nicht (im Sinne der Gesetzesmaterialien) gewechselt und arbeitet auch nicht in einem "neuen Betrieb" (im Sinne des Gesetzestextes), da er nach den insoweit unbestrittenen Behauptungen der beschwerdeführenden Partei seit 1988 - wenngleich mit Unterbrechungen - in ihrem Unternehmen beschäftigt ist. An der gebotenen Gesamtbetrachtung dieses Dienstverhältnisses vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Dienstnehmer 11 Tage lang vom 14. bis 25. Jänner 2008 im Bezug von Arbeitslosengeld stand, weil die Beschäftigung "saisonbedingt" bei gleichzeitiger Erteilung einer Wiedereinstellungszusage "unterbrochen" gewesen sei, wie die beschwerdeführende Partei dazu unwidersprochen vorgebracht hat. Eine weitergehende Unterbrechung des Dienstverhältnisses wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt und ist auch nicht aktenkundig.

§ 27 Abs. 2 Z. 3 lit. a AlVG enthält kein Erfordernis einer "ununterbrochenen Beschäftigung" während des letzten Jahres. Die Bestimmung kann schon deshalb nicht so verstanden werden, weil sie inhaltlich nicht etwa eine Wartezeit regelt, sondern lediglich das Durchschnittsentgelt des letzten Jahres als Bemessungsgrundlage für den Lohnausgleich normiert. Maßgeblich für das Mindestausmaß der Beschäftigung im letzten Jahr ist vielmehr § 27 Abs. 2 Z. 2 AlVG, der vorsieht, dass die gesetzliche oder kollektivvertragliche Normalarbeitszeit "im letzten Jahr" um nicht mehr als 20% unterschritten werden durfte. Unterbrechungszeiten des Dienstverhältnisses, das sind Zeiträume während derer Arbeitslosengeld bezogen wird, haben bei der Beurteilung dieser Anspruchsvoraussetzungen für Altersteilzeitgeld daher außer Betracht zu bleiben.

Die belangte Behörde hat durch ihre, dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck des § 27 AlVG in seiner Gesamtheit widersprechende, Auslegung der gegenständlichen Norm den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II. Nr. 455/2008. Wien, am 2. Mai 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte