VwGH 2010/07/0027

VwGH2010/07/002719.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde

1. der G Ges.m.b.H., 2. des SG, beide in S, und 3. des NG in H, alle vertreten durch Dr. Harald Erich Humer, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Stadtplatz 26, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 15. Jänner 2010, Zl. BMLFUW-UW.4.1.11/0252- I/6/2009, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: V AG in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AVG §59 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32;
WRG 1959 §38 Abs1;

 

Spruch:

Insoweit sich die Beschwerde auf Spruchpunkt III. und die damit in Zusammenhang stehenden Teile der Spruchpunkte VI.  und VII. bezieht, wird sie als unbegründet abgewiesen.

Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 29. September 2008 legte die mitbeteiligte Partei das Ersuchen auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für folgende Projekte vor:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 12, 32 und 102 WRG 1959 samt Überschriften lauten auszugsweise:

"Grundsätze für die Bewilligung hinsichtlich öffentlicher Interessen und fremder Rechte.

§ 12. (1) Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

...

Bewilligungspflichtige Maßnahmen.

§ 32. (1) Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 3) beeinträchtigen, sind nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.

...

Parteien und Beteiligte.

§ 102. (1) Parteien sind:

...

b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen;

..."

Eine Bewilligung nach § 32 WRG 1959, wie sie in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erteilt wurde, darf gemäß § 12 Abs. 1 WRG 1959 nur erteilt werden, wenn durch das Projekt weder öffentliche Interessen beeinträchtigt noch bestehende Rechte verletzt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 2004, Zl. 2003/07/0131).

Das Kriterium der "Geringfügigkeit" im Sinne des § 32 Abs. 1 iVm § 12 Abs. 1 WRG 1959 hat nichts mit der (unzulässigen) Verletzung von Rechten Dritter zu tun. Hier gibt es keine Geringfügigkeitsgrenze. Auch eine bloß geringfügige Verletzung von Rechten Dritter in qualitativer oder in quantitativer Hinsicht stellt eine maßgebliche und der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung entgegenstehende Rechtsverletzung dar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007, und vom 25. Jänner 2007, Zl. 2006/07/0128).

Die belangte Behörde stützt sich in ihrem angefochtenen Bescheid auf die Ausführungen ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen in den mündlichen Verhandlungen vom 19. August 2009 und vom 13. Jänner 2010. In diesem Zusammenhang spricht der wasserbautechnische Amtssachverständige von "geringen Hochwasserverschärfungen". So seien im Bereich S bei HQ100 Aufspiegelungen von ca. 1 dm festzustellen. Bei HQ100 wäre auch bei den alten Spiegellagen entsprechend der wasserrechtlichen Bewilligung eine Flutung der Erdgeschossebene des Hotels D unvermeidbar bzw. eine Räumung des Campingplatzes erforderlich. In einigen wenigen Bereichen des Stauraums könne durch die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides bewilligten Baggerungen die Spiegelhebung zufolge der Feinsedimentanlandungen im untersten Stauraumbereich nicht vollständig kompensiert werden. So ergebe sich im Vergleich zur Bewilligung des Kraftwerkes A eine Wasserspiegelhebung von 1 dm. Das Hotel werde bei derartigen Extremereignissen in jedem Fall massiv überflutet. Zufolge der Spiegelhebung erfolge eine Überflutung in Höhe von 1,05 m im Vergleich zu einer solchen von 0,95 m. Der zusätzliche Schaden bei einem derartigen Hochwasser "wäre sehr gering".

Auch ein solcher zusätzlicher Schaden in sehr geringem Ausmaß stellt indessen eine im Sinne der zitierten Judikatur maßgebliche und der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung entgegenstehende Rechtsverletzung dar. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von einem solchen, bei welchem durch die Verwirklichung eines Projektes eine geringfügige Änderung der Hochwasserverhältnisse zu erwarten ist, die aber zu keiner - gegenüber dem bisherigen Zustand erhöhten - Beeinträchtigung von Liegenschaften führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. April 1997, Zl. 96/07/0207). Ebenso liegt keine "Schädigung" vor, wenn sie "nicht merklich" ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 2003, Zl. 99/07/0082). Die Formulierung eines Amtssachverständigen, dass Parteien durch die Auswirkungen des Projektes "nicht merklich geschädigt" würden, ist die fachliche Einschätzung einer durch das Projekt bewirkten Veränderung der Hochwasserverhältnisse, die so geringfügig ist, dass sie zu einer - gegenüber dem bisherigen Zustand erhöhten - Beeinträchtigung eben nicht führt. Was nicht zu "merken" ist, bewirkt keine zu einer Rechtsverletzung führende Beeinträchtigung.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist der zusätzliche Schaden - mag er auch "sehr gering" sein - doch zu "merken". Damit liegt aber eine zu einer Rechtsverletzung führende Beeinträchtigung vor.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die belangte Behörde mangels eines Übereinkommens die Einschränkung der dem verfahrensgegenständlichen Projekt entgegenstehenden dinglichen Rechte der beschwerdeführenden Parteien nur durch eine Zwangsrechtseinräumung herbeiführen hätte können, die nur gegen angemessene Entschädigung zulässig ist (vgl. § 60 Abs. 2 und § 63 lit.b WRG 1959).

Die unter "B. Auflagen und Bedingungen" des angefochtenen Bescheides in den Punkten 5. und 7. formulierten Vorschreibungen erweisen sich in diesem Zusammenhang als unzureichend.

Auflagen müssen nämlich so bestimmt gefasst sein, dass einerseits dem Bescheidadressaten die Möglichkeit gegeben ist, der Auflage zu entsprechen und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerlicher Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen Ersatzvornahme ergehen kann. Die von § 59 AVG geforderte Deutlichkeit bedeutet Bestimmtheit, nicht bloße Bestimmbarkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 1999, Zl. 99/07/0033, mwN).

Nach Punkt 5. der Auflagen hat die mitbeteiligte Partei "konstruktive Möglichkeiten" eines Hochwasserschutzes zu untersuchen und über ein allfällig erzieltes Übereinkommen zu berichten. Sollte kein Übereinkommen hergestellt werden können, obliegt die Entscheidung, ob und welche technischen Maßnahmen erforderlich sind, der Behörde.

Allein der Verweis auf "konstruktive Möglichkeiten" erweist sich als völlig unbestimmt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, Zl. 99/07/0080). Dies hat auch für die in Punkt 7. formulierte Vorschreibung zu gelten, wonach "Verschärfungen des Hochwasserabflusses im Vergleich zum Referenzzustand 1965 ... im Anlassfall zu entschädigen" sind.

Die Beschwerde beantragt, den gesamten Bescheid der belangten Behörde aufzuheben.

Der wasserbautechnische Amtssachverständige führte in der Verhandlung am 19. August 2009 aus, dass durch die Änderung der Wehrbetriebsordnung die Wasserspiegellagen "überhaupt nicht" verändert würden. Damit ist jedoch eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der beschwerdeführenden Parteien durch die in Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides erteilte wasserrechtliche Bewilligung für die Wehrbetriebsordnung Donaukraftwerk A, 4. Fassung, ausgeschlossen.

Demgegenüber enthält Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides in der Abänderung der Auflage IV/2. als zu tolerierendes Geringfügigkeitsmaß eine Aufspiegelung der bewilligten Spiegellinie von 10 cm im Bereich von hochwassergefährdeten Objekten. Dies erweist sich aus den dargelegten Überlegungen als nicht in Übereinstimmung mit der Rechtslage.

Die Spruchpunkte I., II., IV. und V. des angefochtenen Bescheides waren daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auch die Spruchpunkte VI. und VII. waren aufzuheben, insoweit sie mit den angefochtenen Spruchpunkten im Zusammenhang stehen, weil diesbezüglich Untrennbarkeit besteht.

Hinsichtlich Spruchpunkt III. und den damit in Zusammenhang stehenden Teilen der Spruchpunkte VI. und VII. war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. Dezember 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte