VwGH 2010/07/0020

VwGH2010/07/002028.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der J S in K, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Jänner 2010, Zl. WA1-W-42660/001-2008, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §105 Abs1 litb;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
AVG §52;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §105 Abs1 litb;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin wurde zur Errichtung eines Kleingartenhauses auf Parzelle Nr. 113, Grundstück Nr. 3142/NÖ Ldt. 630 K, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft W-U (BH) vom 12. Jänner 1987 unter Vorschreibung verschiedener Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung erteilt. In Auflage 9 des Bewilligungsbescheides wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, den Verbau zwischen den Pfeilern mit seiner Längsseite parallel zur Strömungsrichtung der Donau anzuordnen. Die Breite quer zur Strömungsrichtung der Donau dürfe dabei 2,50 m nicht übersteigen.

Mit Bescheid der BH vom 13. Juni 1989 wurde gemäß § 121 WRG 1959 die Übereinstimmung mit der Bewilligung festgestellt.

In weiterer Folge kam es zu einer Vollverbauung des Pfeilergeschoßes.

Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vom 5. März 2008 wurde vom Verhandlungsleiter der BH festgehalten, dass in Bezug auf den konsenslos errichteten zusätzlichen Pfeilergeschoßverbau des Kleingartenhauses auf Parzelle 113 "am heutigen Tag" vereinbart werde, diesen bis spätestens 31. Dezember 2009 derart zu verkleinern, dass er dem Bewilligungsbescheid vom 12. Jänner 1987 entspreche.

Aus einem Aktenvermerk vom 17. März 2008 geht hervor, dass der wasserbautechnische Amtssachverständige die baulichen Veränderungen überprüfte. Er führte aus, dass die Vorschreibung in Auflage 9 die Größe des Pfeilergeschoßverbaues mit den Außenabmessungen von 7,00 m x 2,50 m und damit einer verbauten Fläche von 17,5 m2 geregelt habe. Darüber hinaus seien keine Verbauungen zulässig gewesen. Nunmehr sei festzustellen, dass das Pfeilergeschoß konsenslos vollflächig mit einer Verbauung aus Glastüren an der Außenseite verkleidet worden und so ein Verbau von ca. 51,4 m2 entstanden sei. Darin seien augenscheinlich Wohnräumlichkeiten eingerichtet worden, welche auch mit Radiatoren beheizt würden.

Der gegenständliche Bereich liege bei Stromkilometer x der Donau. Die Höhenlagen des Grundstückes auf der ebenen Fläche und die Wasserstände bei einem 30-jährlichen Hochwasserereignis (Höhenkote 165,71; Höhenlage des 30-jährlichen Donauhochwassers 166,78; diesfalls Wasserstand von 1,07 m) seien ermittelt worden und es lägen die gegenständlichen Grundstücksbereiche innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflussbereiches der Donau und (die baulichen Veränderungen, Anm.) stellten gemäß § 38 WRG 1959 eine bewilligungspflichtige Maßnahme dar.

Durch die konsenslose Verbauung des gesamten Pfeilergeschoßes und seiner Gesamtbreite von 6,6 m quer zur Strömungsrichtung der Donau werde durch seine Lage im Nahbereich des K-Durchstiches nicht nur ein Hochwasserabflusshindernis geschaffen, sondern auch eine Verringerung des Retentionsraumes am rechten Ufer vor allem unter Berücksichtigung des Summationseffektes herbeigeführt. Durch diese überbreite Verbauung könne es im Hochwasserfall zu einem vermehrten Abdrängen des Abflussgeschehens in Richtung Straße "Am Durchstich" oder zu Nachbarobjekten kommen bzw. werde der fehlende Retentionsraum durch Überflutungen in Bereichen kompensiert, die bisher vom Hochwasserabflussgeschehen nicht betroffen gewesen seien. Die Freihaltung dieses Abflussbereiches sei eine wesentliche Voraussetzung für die klaglose bzw. ungehinderte Abfuhr der Hochwasserwelle.

Es werde weiters auf den Erlass des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. November 1971, GZ. III/1-9876/14-1971, hingewiesen. Darin sei nicht nur die Festlegung des Hochwasserabflussgebietes geregelt, sondern es sei auch nachdrücklich auf die Notwendigkeit eines ungehinderten Hochwasserabflusses verwiesen worden.

Die maßgeblichen Punkte in den von der Wasserrechtsbehörde (Landeshauptmann von Niederösterreich) mit Erlass vom 23. Juni 1998 zur Anwendung ausgegebenen Richtlinien lauteten zunächst dahingehend, dass das Pfeilergeschoß nicht für Wohnzwecke genützt werden dürfe. Außerdem dürfe der Verbau in Hochwasserabfuhrgebieten ein Ausmaß von maximal 15 m2 aufweisen und dessen Breite quer zur Strömungsrichtung dürfe 2 m nicht überschreiten. Der lichte Abstand zwischen den Pfeilern bzw. zwischen Verbau und nächsten Pfeilern müsse mindestens 2 m betragen. Im Pfeilergeschoß dürften schließlich keinerlei Abwassereinleitungen stattfinden, diese müssten über dem 30- jährlichen Hochwasserspiegel situiert sein.

Bei der gegenständlichen Verbauung des Pfeilergeschoßes handle es sich um eine bewilligungspflichtige Maßnahme, wobei diese jedoch eine Beeinträchtigung des Hochwasserabflussbereiches der Donau darstelle und daher aus wasserbautechnischer Sicht nicht positiv beurteilt werden könne. Durch die Veränderungen des Fließgeschehens und durch den Verlust an Retentionsraum würden einerseits fremde Rechte nachteilig beeinflusst, andererseits werde das öffentliche Interesse an einer schadlosen Abfuhr auftretender Gewässer beeinträchtigt. Die konsenslosen Verbauungen seien bis auf das mit Bescheid vom 12. Jänner 1987 bewilligte Ausmaß vollständig zu entfernen, die Herstellung des bescheidgemäßen Zustandes sei bis zum 31. Dezember 2009 vorzunehmen.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2008 trug die BH der Beschwerdeführerin auf, die konsenslos vorgenommenen vollflächigen Verkleidungen des Pfeilergeschoßes bis auf das mit Bescheid vom 12. Jänner 1987 bewilligte Maß vollständig zu entfernen. Als Rechtsgrundlage wurde § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 herangezogen. In der Begründung ihres Bescheides führte die BH unter Hinweis auf das Amtssachverständigengutachten aus, dass die bewilligungsbedürftige aber nicht bewilligungsfähige Verbauung unzweifelhaft eine eigenmächtige Neuerung darstelle. Es sei daher im Sinne des § 138 WRG 1959 zum Schutz der öffentlichen Interessen spruchgemäß zu entscheiden.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen mit Schreiben vom 28. Mai 2008 Berufung und führte aus, ihr Grundstück liege ca. 1,20 m niedriger als das nächstgelegene Grundstück und es bestehe daher strömungstechnisch keine Gefahr, da auf ihrem Grund keine Strömung mehr sei, das Wasser nur mehr stillstehe und daher kein Hochwasserabflusshindernis bestehe. Durch den Glasverbau ergebe sich eine minimale Wasserverdrängung von 5 cm Stärke, was etwa 4 - 5 Bäumen entspreche. Der Zubau, der im Übrigen geöffnet werden könne und zusammenklappbar sei, bestehe seit nahezu 20 Jahren. Damals sei der Beschwerdeführerin signalisiert worden, dass gegen diese Ausführung kein Einwand bestehe. Es habe seither dreimal ein Hochwasser gegeben, darunter auch im Jahr 2002, und es sei zu keinen Schäden gekommen. Daher ersuche sie um eine Ausnahmegenehmigung für den derzeitigen Bestand.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 ersuchte die belangte Behörde ihren Amtssachverständigen für Wasserbautechnik um Stellungnahme zu verschiedenen Beweisthemen, worauf dieser mit Schriftsatz vom 6. März 2009 ein Gutachten erstattete. Darin führte er zur Frage, ob durch die gegenständliche Pfeilerverbauung eine erhebliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflussbereiches gegeben sei, aus, dass sich aus der Lage des Kleingartenhauses im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich die Bewilligungspflicht der Pfeilerverbauung ergebe. Das Schadenspotential sei aufgrund der Nähe zum Siedlungsgebiet als relevant einzustufen. Vergleichbare Kleingartenhäuser seien nur positiv beurteilt worden, wenn der Verlust an Abflussquerschnitt bzw. Retentionsraum ein bestimmtes Maß nicht überschritten habe, welches sich an der Summationswirkung durch den Bestand aller Kleingartenhäuser im jeweiligen Hochwasserabflussbereich der Donau orientiere. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflussbereiches durch ein einzelnes Gebäude wie eben das gegenständliche nicht konsengemäße Kleingartenhaus sei daher nicht zu erwarten. Auf die Frage, welche konkreten summativen Faktoren gegeben seien und wie sich diese auswirkten, meinte der Sachverständige weiter, wenn aber alle Kleingartenhäuser im betrachteten Bereich entgegen dem jeweiligen Konsens das Pfeilergeschoß ausbauten, könnten lokale erhebliche Wirkungen nicht ausgeschlossen werden. Die vorliegende Verbauung widerspreche bei Berücksichtigung des Summationseffektes jedenfalls dem Grundsatz der Gewinnung von ausreichendem Abfluss- und Retentionsraum. Die Wiederherstellung des bewilligungsgemäßen Zustandes sei aus technischer Sicht erforderlich, wobei die Frist laut Bescheid vom 6. Mai 2008 angemessen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 2010 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die Frist zur Entfernung der konsenslos erfolgten Verkleidung des Pfeilergeschoßes wurde mit 30. August 2011 neu festgesetzt.

Nach Darlegung des Sachverhaltes und des von ihr eingeholten Amtssachverständigengutachtens hielt die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin zu einer Stellungnahme zum Gutachten binnen zwei Wochen aufgefordert worden, dieser aber trotz nachweislicher Zustellung nicht nachgekommen sei.

Begründend führte die belangte Behörde unter Hinweis auf das Gutachten des Amtssachverständigen aus, dass die wasserrechtliche Bewilligung des gegenständlichen Kleingartenhauses auf der Einhaltung eines Maßes der Verringerung des Retentions- bzw. Abflussraumes basiere, das in der Bewilligung festgelegt worden sei. Der Amtssachverständige erachte die Wiederherstellung des bewilligungsgemäßen Zustandes daher aus technischer Sicht als erforderlich. Die Beschwerdeführerin sei dem in keiner Weise entgegengetreten, eine Ausnahmegenehmigung könne aufgrund des Gutachtens nicht erlangt werden und es sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin der wasserpolizeiliche Auftrag erteilt, die Pfeilergeschoßverbauung ihres Hauses zu entfernen. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass diese Verbauung sehr wohl bewilligungsfähig sei, da die Gründe für eine Versagung gemäß § 105 Abs. 1 lit b WRG 1959 nicht vorlägen.

1. Nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

In allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit hat die Wasserrechtsbehörde nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

Als "eigenmächtige Neuerung" ist die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, 94/07/0136).

Nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer sowie von Unterführungen unter Wasserläufen nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist.

Dass die bauliche Anlage der Beschwerdeführerin im Hochwasserabflussbereich der Donau liegt und daher nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 einer wasserrechtlichen Bewilligung bedarf, haben die Amtssachverständigen dargetan und wurde von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde außer Streit gestellt. Da für diese bauliche Anlage im Hochwasserabflussbereich keine wasserrechtliche Bewilligung vorliegt, stellt sie eine eigenmächtige, bewilligungsbedürftige Neuerung dar.

Somit war - wie auch von den einschreitenden Behörden angenommen - das Vorliegen von öffentlichen Interessen zu prüfen, die die Beseitigung des Pfeilergeschoßverbaues erforderlich machten.

2.1 Die Beschwerdeführerin wies zunächst darauf hin, dass die Richtlinien im Erlass des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. Juni 1998 rechtlich nicht verbindlich seien und eine gesetzeskonforme Einzelfallbeurteilung auf sachverständiger Ebene sowie eine gesetzeskonforme Bescheidbegründung auf rechtlicher Ebene nicht ersetzen könnten.

Der Beschwerdeführerin ist zwar darin beizupflichten, dass die im Gutachten des Sachverständigen der Erstbehörde herangezogenen Richtlinien keine für den Verwaltungsgerichtshof verbindliche Rechtsquelle darstellen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 27. September 1994, 92/07/0074, und vom 27. Juni 1995, 92/07/0213), allerdings wurde diese Richtlinie im angefochtenen Bescheid nicht als Rechtsgrundlage herangezogen, sodass ein diesbezüglicher Vorwurf ins Leere geht.

2.2 Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, es sei unstrittig, dass durch die gegenständliche Neuerung alleine eine erhebliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses nicht gegeben sei. Der Amtssachverständige habe in seinem Gutachten kein aktuelles Szenario herangezogen, nämlich jenes, dass alle Kleingartenhäuser im betrachteten Bereich ihre Pfeilergeschoße voll ausbauten. Die bei der Beurteilung von Summationseffekten relevante Fragestellung sei aber jene, ob die gegenständliche Neuerung zusammen mit anderen bereits bestehenden baulichen Anlagen eine erhebliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses darstelle.

Außerdem spreche der Amtssachverständige von "lokal" erheblichen Wirkungen. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber in seinem Erkenntnis vom 17. Jänner 1984, 83/07/0224, ausgesprochen, dass lokale Auswirkungen nicht mit einer erheblichen Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses im Sinne des § 105 Abs. 1 lit b WRG 1959 gleichzusetzen seien. Die Prognose lokaler Auswirkungen besage damit nicht automatisch, dass das öffentliche Interesse verletzt sei.

Schließlich habe der Amtssachverständige festgestellt, dass erhebliche Auswirkungen "nicht ausgeschlossen" werden könnten. Es gehe aber im Sinne des Gesetzes vielmehr darum, ob solche Auswirkungen konkret zu besorgen seien.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zeigt erfolgreich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.2.1 Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich an, welche öffentlichen Interessen verletzt würden, aber es wird offenbar, dass es um solche im Zusammenhang mit Beeinträchtigungen durch ein etwaiges Hochwasser gehen muss, also um das öffentliche Interesse nach § 105 Abs. 1 lit b WRG 1959. Diese Bestimmung lautet:

"§ 105. (1) Im öffentlichen Interesse kann ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden, wenn:

  1. a) ….
  2. b) eine erhebliche Beeinträchtigung des Ablaufes der Hochwässer und des Eises oder der Schiff- oder Floßfahrt zu besorgen ist;

    c) (…)"

    Hinsichtlich der Gefährdung durch potentiell zukünftig vorliegende, weitere Verbauungen im Zusammenhang mit dem Summationseffekt ist darauf hinzuweisen, dass das öffentliche Interesse jedenfalls dann eine Beseitigung einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung fordert, wenn diese eigenmächtige Neuerung - sei es für sich allein, sei es zusammen mit anderen bereits bestehenden baulichen Anlagen (Summationseffekt) - eine erhebliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses darstellt. Nicht jede Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses ist von vornherein geeignet, einen wasserpolizeilichen Auftrag zu tragen, sondern nur eine erhebliche. Zum Nachweis dieser Voraussetzung reichen Gutachten nicht, die sich in allgemein gehaltenen Ausführungen und nicht näher untermauerten Behauptungen erschöpfen, aus denen nicht erkennbar ist, ob bereits derzeit so viele bauliche Anlagen im fraglichen Bereich vorhanden sind, dass die bauliche Anlage der Beschwerdeführerin in Verbindung mit diesen ein erhebliches Hochwasserabflusshindernis darstellt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 29. Juni 1995, 94/07/0136, vom 25. Juli 2002, 2001/07/0037, und vom 17. Oktober 2002, 2001/07/0061).

    Der angefochtene Bescheid stützt sich allein auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten. Dort stellte der Amtssachverständige aber selbst fest, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Ablaufs der Hochwässer durch die Verbauung des gegenständlichen Pfeilergeschoßes im derzeitigen Zeitpunkt, also beim derzeitigen Bebauungsstand in diesem Gebiet, nicht zu erwarten sei. Daraus folgt aber, dass fachlicherseits nicht dargelegt wurde, dass die Entfernung des Pfeilergeschoßverbaues im öffentlichen Interesse gemäß § 105 Abs. 1 lit. b WRG 1959, wo von der erheblichen Beeinträchtigung des Ablaufs der Hochwässer die Rede ist, erforderlich wäre. Davon, dass öffentliche Interessen für die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrags nach 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 sprächen, konnte daher - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht ausgegangen werden.

    Die Beeinträchtigung fremder Rechte wurde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt und der wasserpolizeiliche Auftrag darauf auch nicht gestützt.

2.2.2 Ergänzend wird bemerkt, dass der im Berufungsverfahren beigezogene wasserbautechnische Amtssachverständige - wenn auch nur für den Fall der gänzlichen Verbauung der Untergeschoße bei allen Kleingartenhäusern - eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen "nicht ausgeschlossen" hat. Abgesehen davon, dass dieser Fall gar nicht vorliegt, wäre dieses sachverständige Urteil auch nicht geeignet, öffentliche Interessen an der Beseitigung dieses Zustandes im Sinne des § 105 Abs. 1 lit. b leg. cit. darzutun. § 105 Abs. 1 lit. b WRG 1959 spricht nämlich davon, dass

"eine erhebliche Beeinträchtigung ... zu besorgen ist"; die

Formulierung im Gutachten, wonach eine Beeinträchtigung "nicht ausgeschlossen" werde, ist einer konkreten Besorgnis nicht gleichzuhalten (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1991, 90/07/0166). Die Verweigerung ohne konkrete Besorgnis widerspricht deren Erfordernis nach § 105 Abs. 1 lit. b WRG 1959 (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1984, 83/07/0224).

2.2.3 Der Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959, der von der mangelnden Bewilligungsfähigkeit der eigenmächtigen Neuerung ausging, verletzte daher Rechte der Beschwerdeführerin, weil das von der belangten Behörde ihrem Bescheid zu Grunde gelegte Beweismittel die daraus seitens der Behörde gezogene Schlussfolgerung nicht trägt.

Eine konkrete Prüfung, ob gegebenenfalls andere öffentliche Interessen einen wasserpolizeilichen Auftrag rechtfertigten, wurde nicht vorgenommen und dem angefochtenen Bescheid auch nicht zu Grunde gelegt.

Die belangte Behörde hätte daher entweder ihr Ermittlungsverfahren ergänzen oder aber auf dem Boden des von ihr tragend herangezogenen Gutachtens von der Bewilligungsfähigkeit des Pfeilergeschoßverbaus ausgehen müssen; vor diesem Hintergrund wäre zu prüfen gewesen, ob nicht der mit der Berufung gestellte Bewilligungsantrag gemäß § 6 AVG an die zuständige Behörde zur weiteren Veranlassung weiterzuleiten gewesen wäre.

Für die Erteilung eines Auftrages zur Beseitigung des Verbaues nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 fehlte es aber am Vorliegen des dafür notwendigen öffentlichen Interesses.

3. Es erübrigt es sich daher, auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde näher einzugehen, insbesondere auf die vorgebrachten Begründungsmängel (durch das behauptete Fehlen einer eigenständigen Begründung über den Verweis auf das Amtssachverständigengutachten hinaus) und die Verletzung des Parteiengehörs (aufgrund einer behaupteten mangelhaften Zustellung des Amtssachverständigengutachtens).

3. Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 28. April 2011

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