Normen
GGBG 1998 §13 Abs1a;
GGBG 1998 §2 Z1;
GGBG 1998 §27 Abs2 Z8;
GGBG 1998 §3 Z7;
GGBG 1998 §3 Z7a;
UGB §425;
VStG §5 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2010030108.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer mehrerer Übertretungen nach § 27 Abs 2 Z 8 iVm § 13 Abs 1a Z 2, 3, 6, 7 und 10 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG) schuldig erkannt und es wurden über ihn Geldstrafen von insgesamt EUR 2.690,-- verhängt.
Ihm wurde - zusammengefasst - zur Last gelegt, er habe es als bestellter verantwortlicher Beauftragter eines näher bezeichneten Beförderungsunternehmens (D-GmbH) zu verantworten, dass diese Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Beförderer am 5. Dezember 2007 einen näher umschriebenen Gefahrguttransport durchgeführt habe, ohne dafür zu sorgen, dass die erforderliche schriftliche Weisung, eine persönliche Schutzausrüstung und eine Bescheinigung über die Schulung des Fahrzeuglenkers mitgeführt worden sei; ohne sich weiters vergewissert zu haben, dass die Beförderungseinheit mit orangefarbenen Tafeln - ohne Zahl - gekennzeichnet gewesen sei und die Beförderungseinheit den Vorschriften des ADR entsprach (fehlender Atemschutz; fehlender Feuerlöscher mit einem Mindestfassungsvermögen von 6 kg; mangelnde Sicherung der Ladung).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer gebe selbst an, verantwortlicher Beauftragter der D-GmbH zu sein. Er wende jedoch ein, dass dieses Unternehmen nicht Beförderer der verfahrensgegenständlichen gefährlichen Güter gewesen sei, da er die Firma P (richtig: B) mit der Durchführung des gegenständlichen Gefahrguttransportes beauftragt habe. Aus der Verantwortung des Beschwerdeführers und den Zeugenaussagen des zentralen Gefahrgutbeauftragten sowie des Lenkers ergebe sich jedoch zweifelsfrei, dass die D-GmbH Beförderer der verfahrensgegenständlichen Beförderungseinheit gewesen sei. Die Fa B habe den LKW samt Fahrer zur Verfügung gestellt und die D-GmbH habe angeordnet, welche Ware wohin zu transportieren sei und dadurch "den Transport disponiert". Der Umstand, dass ein Frächter aus Zeitmangel den Transport nicht durchführen könne oder der Lenker die Route selbst einteile, sowie die Frächter für durch den Transport entstandene Schäden verantwortlich seien, vermöge daran nichts zu ändern, da die Anordnung des Transportes ausschließlich von der D-GmbH gekommen sei.
Der im bekämpften Straferkenntnis angelastete Sachverhalt sei unbestritten und durch die Anzeige samt Beilagen erwiesen.
Der Beschwerdeführer habe daher die "nunmehr festgesetzten" Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht begangen. Zur subjektiven Tatseite sei festzuhalten, dass nur ein vom Beschwerdeführer eingerichtetes Kontrollsystem exkulpierende Wirkung gehabt hätte. Der Beschwerdeführer behaupte zwar, dass Schulungen und Kontrollen durchgeführt würden, diese Verantwortung vermöge jedoch ein geringes oder gar mangelndes Verschulden nicht glaubhaft zu machen. Auch wenn der Lenker das Gefahrengutanlageblatt unterfertigt habe, dürfe sich der Beförderer nicht darauf verlassen, dass diese Bestätigung auch den Tatsachen entspreche. Erfahrungsgemäß würden Lenker alle Papiere unterfertigen, die ihnen zur Unterschrift vorgelegt werden, wobei im vorliegenden Fall insbesondere auf Grund des Umstandes, dass der Lenker keine besondere Ausbildung nach § 14 GGBG habe, auch nicht erwartet werden habe können, dass er wisse, welche ADR-Ausrüstung und welche aus dem Grunde des ADR erforderlichen Dokumente mitzuführen seien. Dazu komme, dass der Lenker ausgesagt habe, dass er nie gefährliche Güter transportiert habe, jedoch bei jeder übernommenen Ladung das Rollblatt habe unterfertigen müssen. Aus der Zeugenaussage des Lenkers ergebe sich auch, dass er nicht darauf hingewiesen worden sei, dass es sich beim gegenständlichen Transport um einen solchen gefährlicher Güter handle, was das diesbezügliche Berufungsvorbringen eindeutig widerlege.
Aus den Aussagen des zentralen Gefahrgutbeauftragten, des Lenkers, des Gefahrgutbeauftragten der Zweigniederlassung W und des Gruppenleiters ergebe sich, dass einmal im Quartal die Ausrüstung des LKWs und das Vorhandensein des Nachweises über die besondere Ausbildung nach § 14 GGBG der Lenker und drei bis fünf Fahrzeuge (von 60 bis 70 Fahrzeugen) täglich hinsichtlich der Ladungssicherheit kontrolliert würden. Die Kontrolle der mitzuführenden Unterlagen sowie der ordnungsgemäßen Kennzeichnung des Fahrzeuges sei überhaupt nicht vorgenommen worden. Diese Kontrollen seien keinesfalls geeignet, die Einhaltung der Rechtsnormen sicherzustellen, weshalb der Beschwerdeführer die vorliegenden Verwaltungsübertretungen auch zu verantworten habe.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Beschwerdeverfahren ist (nur) strittig, ob das vom Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich repräsentierte Unternehmen (D-GmbH) im gegenständlichen Fall als Beförderer im Sinne des § 3 Z 7 GGBG anzusehen war (und daher für die dem Beförderer zur Last gelegten Unterlassungen einstehen muss) und bejahendenfalls, ob den Beschwerdeführer an den angelasteten Verstößen wegen der Einrichtung eines ausreichenden Kontrollsystems im besagten Unternehmen zur Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften kein Verschulden traf.
2. Gemäß § 3 Z 7 GGBG ist Beförderer das Unternehmen, das die Beförderung mit oder ohne Beförderungsvertrag durchführt.
2.1. Dem liegt zugrunde, dass als Beförderer jedenfalls anzusehen ist, wer sich vertraglich zur Beförderung des Gefahrgutes verpflichtet hat und damit handelsrechtlich als Frachtführer (§ 425 UGB) zu beurteilen ist. Der Frachtführer schuldet die Verbringung der Sache an einen anderen Ort und verfügt auf Grund dieser Rechtsposition auch über die Möglichkeit, hinsichtlich der näheren Bedingungen des von ihm durchzuführenden Beförderungsvorgangs so zu disponieren, dass dabei die den Beförderer nach dem GGBG treffenden Pflichten erfüllt werden können. Soweit die Beförderung nicht auf Grund eines Beförderungsvertrages erfolgt, ist als Beförderer im Sinne des § 3 Z 7 GGBG anzusehen, wer die Beförderung - ohne Vertrag - durchführt; in diesem Fall schließt derjenige, der die Verbringung des Gefahrgutes an einen anderen Ort erreichen will, keinen Vertrag mit einem Frachtführer, der die Beförderung ausführt, sondern übernimmt die sonst dem Frachtführer obliegenden Verpflichtungen selbst. Auch dabei kommt es auf die rechtliche Verfügungsmacht im Hinblick auf den Transport an, nicht auf die faktische Bewirkung der konkreten Verbringung an einen Ort etwa durch den Lenker der Beförderungseinheit (vgl das hg Erkenntnis vom 23. November 2009, Zl 2009/03/0123).
2.2. Die Beschwerde macht im Wesentlichen geltend, im gegenständlichen Fall sei die D-GmbH kein "Beförderer" gewesen, weil sie die Fa B beauftragt habe, die gegenständliche Beförderung durchzuführen. Die Fa B habe die Möglichkeit gehabt, den Auftrag abzulehnen und den Lenker selbst zu bestimmen; der Lenker habe die Möglichkeit gehabt, die Fahrtroute und die Fahrzeiten selbst zu bestimmen. Die Fa B habe den Erfolg der Tätigkeit geschuldet, nämlich die fristgerechte Zustellung der Ware an den Empfänger, ohne dabei an weitere Weisungen gebunden gewesen zu sein. Sie (und nicht die D-GmbH) sei daher als Frachtführerin (und nicht bloß als Vertragspartnerin eines Lohnfuhrvertrages) im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und daher als Beförderer anzusehen gewesen.
2.3. Nach dem bisher Gesagten ist im vorliegenden Fall von Bedeutung, ob zwischen der D-GmbH und der Fa B fallbezogen ein Frachtvertrag abgeschlossen worden ist. Der Oberste Gerichtshofes (OGH) erkennt, dass kein Frachtvertrag, sondern ein Lohnfuhrvertrag vorliegt, wenn der Unternehmer nicht den Erfolg seiner Tätigkeit, also die Verbringung der Sache an einen anderen Ort schuldet, sondern ein bemanntes Fahrzeug zur beliebigen Ladung und Fahrt nach Weisung des Auftraggebers zur Verfügung zu stellen hat (vgl das bereits zitierte hg Erkenntnis vom 23. November 2009 mit Hinweisen auf die Judikatur des OGH; weiters RIS-Justiz RS 0021785).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass bei Vorliegen eines "Lohnfuhrvertrages" zwischen der D-GmbH und der Fa B die Eigenschaft des "Beförderers" der D-GmbH zukam, während bei Abschluss eines Frachtvertrages zwischen den Unternehmen die Fa B als "Beförderer" nach dem GGBG anzusehen war.
Die Lösung der Frage, ob bei Überlassung eines Fahrzeuges samt Lenker ein Frachtvertrag oder ein gemischter Vertrag, zusammengesetzt aus Fahrzeugmiete und Arbeitnehmerüberlassung (Lohnfuhrvertrag), vorliegt, ist mitunter schwierig und wird in der Rechtsprechung nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt (vgl etwa das Urteil des OGH vom 17. November 1987, 4 Ob 592/87, mwN).
2.4. Im gegenständlichen Fall vertrat die belangte Behörde - ohne nähere Feststellungen über die Vertragsbeziehung zwischen der D-GmbH und der Fa B zu treffen - die Auffassung, die D-GmbH sei "zweifelsfrei" als Beförderer anzusehen gewesen, weil sie angeordnet habe, welche Ware wohin zu transportieren sei, während die Fa B den LKW samt Fahrer zur Verfügung gestellt habe.
Diese Einschätzung greift zu kurz, weil allein aus der Tatsache, dass der Auftraggeber einer Fahrt festlegt, welches Ziel eine bestimmte Ladung haben soll, noch nicht darauf geschlossen werden kann, ob die Fahrt vom Beauftragten als Frachtführer durchgeführt wird (der den Erfolg der Verbringung der Ware an den vorgegeben Ort schuldet), oder ob dem Auftraggeber nur das Fahrzeug samt Lenker zur beliebigen Verwendung zur Verfügung gestellt worden ist. Anders als die belangte Behörde vermeint, kommt dabei der Frage, ob der Lenker seine Route selbst einteilt (oder ihm diese vom Auftraggeber vorgegeben wird) bzw wer die Haftung für Beschädigungen bei dieser Fahrt trägt (gegenständlich soll das die Fa B gewesen sein), durchaus Bedeutung zu, wobei letztlich nur eine Gesamtbetrachtung des Vertragsverhältnisses die Beurteilung zulässt, welcher Art die Vertragsbeziehung im Einzelnen gewesen ist. Maßgeblich ist dabei auch, ob und welche Weisungen seitens der D-GmbH dem Lenker erteilt werden konnten (je geringer die Weisungsunterworfenheit des Lenkers war, desto weniger wird von einem Lohnfuhrvertrag ausgegangen werde können) und wie die Durchführung der Transporte zwischen der D-GmbH und der Fa B im Einzelnen abgesprochen wurde (wurden von der Fa B nicht bloß Fahrzeuge samt Besatzung zur beliebigen Verwendung für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellt, sondern der Einsatz(zweck) des Fahrzeuges zwischen den Unternehmen im Einzelfall festgelegt, spräche dies eher gegen einen Lohnfuhrvertrag im oben dargestellten Sinne und für den Abschluss eines Frachtvertrages; vgl auch dazu das bereits zitierte Urteil des OGH vom 17. November 1987).
Da der angefochtene Bescheid derartige Erwägungen vermissen lässt und damit eine nachvollziehbare Begründung für die Einschätzung, die D-GmbH sei als "Beförderer" im Sinne des § 3 Z 7 GGBG anzusehen gewesen, nicht enthält, kann er keinen Bestand haben.
3. Der Vollständigkeit halber sei zur Frage des Kontrollsystems bei der D-GmbH angemerkt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Belehrungen und Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen allein nicht ausreichen, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom 18. Mai 2011, Zl 2010/03/0196, mwN). Selbst unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen, in dem insbesondere neuerlich auf das vom Lenker unterzeichnete "Gefahrgut-Anlageblatt" verwiesen wird, mit dem er die korrekte Einhaltung einschlägiger Normen bestätigt habe, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - fallbezogen - ein ausreichendes (exkulpierendes) Kontrollsystem verneint hat.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am 19. April 2012
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