VwGH 2009/22/0287

VwGH2009/22/02879.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des V C, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 25. August 2009, Zl. E1/581/3/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8 Abs1;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8 idF 2009/I/029;
EMRK Art8;
AsylG 1997 §8 Abs1;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8 idF 2009/I/029;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein vietnamesicher Staatsangehöriger, reiste am 3. Dezember 2001 in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Dieser wurde durch das Bundesasylamt mit Bescheid vom 26. Februar 2002 abgewiesen, zugleich wurde die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Vietnam festgestellt. Das dagegen erhobene Rechtsmittel wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. September 2008 abgewiesen. Die Behandlung der Beschwerde gegen diese Entscheidung lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Dezember 2008 ab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus Österreich aus.

Begründend erklärte sie nach Darstellung des Sachverhaltes und der Rechtslage, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit dem 10. Dezember 2008 nicht rechtmäßig und der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG daher erfüllt sei. Im Hinblick auf § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer ledig sei und keine Sorgepflichten habe. Er habe im Bundesgebiet keine familiären Bindungen. Auch wenn er "inländische Bindungen" auf Grund seines siebenjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet habe, sei der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben dadurch relativiert, dass er keine eigene Kernfamilie im Inland habe. Für den Unterhalt des Beschwerdeführers werde durch seinen Bruder und dessen Ehefrau gesorgt. Laut Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung sei er seit Juli 2004 mehreren meldepflichtigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen, phasenweise habe er sich selbst versichert. Trotzdem sei er laut eigenen Angaben auf die Unterstützung seiner Angehörigen angewiesen gewesen; es könne daher davon ausgegangen werden, dass er in der Vergangenheit nicht selbsterhaltungsfähig gewesen sei. Entgegen seinem Berufungsvorbringen, sehr gut Deutsch zu sprechen, habe er bei der niederschriftlichen Vernehmung am 4. August 2009 betreffend seine familiären Bindungen seine Schwägerin als Dolmetscherin beiziehen müssen. Im Heimatland Vietnam lebten noch die Eltern des Beschwerdeführers, mit denen er telefonischen Kontakt habe. Er verfüge daher im Fall der Rückkehr in seine Heimat über ein soziales und familiäres Netz. Es könne auch davon ausgegangen werden, dass er in der Lage sein werde, sich mit seiner bisher ausgeübten Tätigkeit als Mitarbeiter einer "Marketing-Firma" oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.

Von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei angesichts seines siebenjährigen Aufenthalts in Österreich auszugehen. Allerdings sei der Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages rechtmäßig gewesen, der sich letztlich als unberechtigt erwiesen habe. In erster Instanz sei der Asylantrag bereits eineinhalb (richtig: zweieinhalb) Monate nach der illegalen Einreise abgewiesen worden, sodass dem Beschwerdeführer hätte bewusst sein müssen, dass sein Aufenthaltsstatus in Österreich unsicher sei. Dem Befolgen der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Insgesamt überwiege daher das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers.

Das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland mit Repressalien rechnen müsse und keine Existenzmöglichkeit habe, sei bereits im Asylverfahren ausgiebig abgehandelt worden, mit dem Ergebnis, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Vietnam für zulässig erklärt worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG (in der Stammfassung) an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass sein eingangs dargestelltes Asylverfahren rechtskräftig beendet ist. Auch ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Auch die (am 9. Juli 2009 erfolgte) Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen steht der Erlassung einer Ausweisung (die von der - eine solche umsetzenden - Abschiebung zu unterscheiden ist) nicht entgegen (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293).

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG (in der Stammfassung) nur dann zulässig, wenn diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."

    Unter diesem Gesichtspunkt bringt der Beschwerdeführer vor, dass er in der Gesellschaft "fest integriert" sei, in Österreich eine Vielzahl von Freunden habe und mit seinem Bruder, einem österreichischen Staatsbürger, und dessen Familie im gemeinsamen Haushalt lebe. Er habe "des Öfteren" als Saisonarbeiter gearbeitet.

    Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde aus den geltend gemachten Umständen aber nicht ableiten müssen, seine Ausweisung aus Österreich sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig. Die genannten Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer von (zum Bescheiderlassungszeitpunkt) sieben Jahren und acht Monaten nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde im Sinne des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG vor allem auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich verbleiben können. Diesbezüglich war auch die Annahme der belangten Behörde gerechtfertigt, spätestens nach der Erlassung der erstinstanzlichen, den Asylantrag abweisenden Entscheidung Ende Februar 2002 sei sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2010/21/0214).

    Davon ausgehend wurde das Gewicht der erlangten Integration zutreffend als gemindert angesehen. Es ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher bewertete als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des seit September 2008 unrechtmäßigen Inlandsaufenthalts des Beschwerdeführers. Ein die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes, direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden.

    Zur Lebenssituation in Vietnam bringt der Beschwerdeführer vor, dass ihm dort auf Grund seiner Flucht und seines Aufenthalts in Österreich "massive Beeinträchtigungen und Bestrafungen" drohten. Das könnte zwar eine Gefährdung im Sinn des § 50 Abs. 1 FPG darstellen. Eine solche Bedrohungssituation ist jedoch nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern in den dafür vorgesehenen Verfahren zu prüfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0163, mwN). Ein rechtskräftiger Ausspruch nach § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 liegt gegenüber dem Beschwerdeführer im Übrigen unbestritten vor.

    Was das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner familiären Situation in Vietnam betrifft, so handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung. Soweit auch damit eine Gefährdung im Sinn des § 50 Abs. 1 FPG dargelegt werden sollte, ist im Übrigen auf das oben Gesagte hinzuweisen.

    Es liegen auch keine Umstände vor, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, in Ausübung ihres Ermessens von der Ausweisung abzusehen.

    Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

    Wien, am 9. November 2011

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