VwGH 2009/22/0161

VwGH2009/22/016126.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der J, vertreten durch Mag. Thomas Loos, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Ignaz-Rieder-Kai 11c, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 4. Februar 2009, Zl. E1/88/2009 (vormals: Fr-201/14/08), betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
MRK Art8;
NAG 2005 §30 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
MRK Art8;
NAG 2005 §30 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine indische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 6 und 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung führte sie nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführerin auf Grund der Verehelichung mit einem österreichischen Staatsbürger erstmals eine bis zum 17. November 2005 befristete Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe jedoch nach ihrer Einreise in Österreich nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann gewohnt, sondern bei einer Tante in Salzburg Unterkunft genommen. Für ihren Aufenthaltszweck seien ihr in der Folge befristete Aufenthaltstitel erteilt worden. Diese Aufenthaltstitel habe die Beschwerdeführerin jedoch nur deswegen erhalten, weil sich ihr Ehemann zweimal zum Schein an der gleichen Adresse angemeldet habe und ein gemeinsames Familienleben vorgetäuscht worden sei. Diese Ehe sei mit Rechtskraft vom 31. Juli 2007 geschieden worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die eheliche Gemeinschaft seit mindestens sechs Monaten nicht mehr existiert habe.

Die Beschwerdeführerin habe durch das vorsätzliche Eingehen einer Aufenthalts- bzw. Scheinehe und die damit verbundenen Falschangaben gegenüber österreichischen Behörden bzw. einem Organ einer Fremdenbehörde unrichtige Angaben hinsichtlich des Zwecks ihres Aufenthaltes in Österreich gemacht.

In der weiteren Bescheidbegründung setzte sich die belangte Behörde mit dem Inhalt der Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres geschiedenen Ehemannes auseinander und zeigte Widersprüche in diesen Angaben auf. Sie führte ausdrücklich aus, dass sich die Beschwerdeführerin "sogar nach rechtskräftiger Auflösung" der Ehe (gemeint: nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft) im Rahmen eines Verlängerungsantrages am 16. November 2006 auf diese Ehe berufen habe, obwohl "eine solche" (gemeint: ein Familienleben) zumindest seit Oktober 2006 nicht mehr bestanden habe. Aus den Niederschriften sei erkennbar, dass "ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK, wenn überhaupt, nur für einige Wochen bestanden hat".

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass das öffentliche Interesse an der Bekämpfung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen sehr groß sei. Die Berufung auf eine Ehe trotz Fehlens eines Familienlebens stelle ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes Verhalten dar. Dadurch sei die Annahme gerechtfertigt, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei.

Zur Interessenabwägung nach § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG verwies die belangte Behörde darauf, dass die Beschwerdeführerin nach der Scheidung von ihrem österreichischen Ehemann am 24. Juli 2007 in Indien einen indischen Staatsangehörigen geheiratet habe und der gemeinsame Sohn am 14. November 2007 in Salzburg geboren worden sei. Gegen dieses Kind sei eine Ausweisung verfügt worden. Somit sei der aufenthaltsbeendende Eingriff für den Fall einer gemeinsamen Abschiebung mit dem Kind zumutbar und zulässig.

Auf Grund des langjährigen Fehlverhaltens scheine ein zehnjähriger Beobachtungszeitraum bis zum Ablauf der Dauer des Aufenthaltsverbotes ausreichend, um der Beschwerdeführerin den Unrechtsgehalt des von ihr an den Tag gelegten Verhaltens vor Augen zu führen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Die Beschwerde zeigt zutreffend auf, dass die oben zitierten Feststellungen der belangten Behörde für die Beurteilung nicht ausreichen, ob tatsächlich ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt wurde. Diesbezüglich ist der angefochtene Bescheid somit als mangelhaft anzusehen.

Die belangte Behörde hat das Aufenthaltsverbot aber auch auf § 60 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt. Dieser Tatbestand liegt vor, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Gemäß § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) dürfen Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führen, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 7. Februar 2008, 2007/21/0293, ausgesprochen, dass ein Zuwiderhandeln gegen § 30 Abs. 1 NAG gegebenenfalls als Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 6 FPG gewertet werden darf.

Die Beschwerdeführerin tritt der behördlichen Feststellung nicht entgegen, dass sie sich zwecks Verlängerung ihres Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen hat, obwohl ein Familienleben zumindest in diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden hat. Somit durfte die belangte Behörde den genannten Tatbestand als erfüllt ansehen.

Dies hat weiters zur Folge, dass dem Beschwerdevorbringen, es sei der Verdacht der Aufenthaltsehe bereits geprüft worden, bevor die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel erhalten habe, der Boden entzogen ist. Die belangte Behörde hat nämlich, nachdem sich die Beschwerdeführerin wiederum auf die Ehe zur Verlängerung ihres Aufenthaltstitels berufen hat, entsprechende Erhebungen vorgenommen und das Aufenthaltsverbot erlassen, ohne dass der Beschwerdeführerin in Kenntnis ihres Fehlverhaltens die Verlängerung des Aufenthaltstitels bewilligt worden wäre.

Der Gerichtshof hegt somit keine Bedenken gegen die behördliche Ansicht, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt und die Gefährdungsannahme nach § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei.

Das Aufenthaltsverbot erweist sich auch im Grunde der Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG nicht als rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin ist zwar nun mit einem indischen Staatsangehörigen verheiratet, mit dem sie ein gemeinsames Kind hat, das sich jedoch unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und ausgewiesen wurde. Somit kann ein gemeinsames Familienleben nicht in Österreich geführt werden. Die Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Verbindung mit ihrer Berufstätigkeit reicht für sich genommen nicht aus, ihrem Interesse an einem Verbleib in Österreich ein größeres Gewicht zu geben als dem von der belangten Behörde zutreffend herangezogenen öffentlichen Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens zum Zweck der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.

Das Aufenthaltsverbot ist - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 leg. cit. - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, 2006/18/0449) . Soweit die Beschwerdeführerin die Dauer des Aufenthaltsverbotes bekämpft, ist ihr darin Recht zu geben, dass das Aufenthaltsverbot keine Strafe darstellt und somit nicht den Zweck hat, dem Fremden "den Unrechtsgehalt" des Verhaltens vor Augen zu führen. Aus dem Verweis in der Bescheidbegründung auf die Notwendigkeit eines zehnjährigen Beobachtungszeitraums ist jedoch der Schluss zu ziehen, dass die belangte Behörde in gesetzeskonformer Weise den Bestand der Gefährdungsprognose als für die Dauer des Aufenthaltsverbotes maßgeblich erachtet hat. Die Beschwerde vermag keine Gründe aufzuzeigen, warum diese Gefährdungsprognose schon vor Ablauf der festgesetzten Zeit als nicht mehr maßgeblich anzusehen wäre.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Jänner 2010

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