VwGH 2009/21/0321

VwGH2009/21/032129.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Leo Valentin Grötschnig, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Jesserniggstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 10. Juni 2009, Zl. 2Fr-515/2008, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Pakistans, reiste am 12. Februar 2002 in das Bundesgebiet ein. Er begehrte am 14. Februar 2002 und - nach rechtskräftiger Abweisung dieses Antrages - neuerlich am 24. März 2003 erfolglos die Gewährung von Asyl. Die Behandlung einer in dieser Angelegenheit erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 19. Februar 2004, Zl. 2004/20/0034, abgelehnt.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 7. Juli 2005 verhängte das Landesgericht Klagenfurt über den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 und 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) eine 12-monatige Freiheitsstrafe (davon 8 Monate bedingt nachgesehen). Er habe von ca. Anfang 2003 bis ca. Dezember 2004 in Villach, Klagenfurt und an anderen Orten im Inland in einer nicht exakt feststellbaren Zahl von Fällen, jedenfalls aber wiederholt, mit dem Vorsatz, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise von zumindest 7 Fremden nach Italien gefördert, indem er diese von abgesondert verfolgten Mittätern übernommen und deren Weitertransport entgeltlich (für mindestens EUR 150,-- pro Person) teils selbst durchgeführt habe und teils von abgesondert verfolgten Mittätern habe durchführen lassen.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 19. September 2005 verhängte die Bundespolizeidirektion Klagenfurt über den Beschwerdeführer hierauf gestützt gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. Juni 2009 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des genannten Aufenthaltsverbotes gemäß den §§ 87 und 86 Abs. 1 iVm § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ab.

Begründend verwies sie auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei seit 7. April 2007 Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin, führe mit ihr ein gemeinsames Familienleben und habe sich seit Dezember 2004 wohlverhalten. Durch das Einkommen seiner Ehefrau sei sein Unterhalt gedeckt, auch sei er ausreichend krankenversichert. Er lebe angepasst, sei vollständig sozial integriert und beherrsche die deutsche Sprache in Wort und Schrift, während er "fast überhaupt keine Bindung zum Heimatstaat" aufweise.

Nach Wiedergabe der §§ 87, 86 Abs. 1 und 65 FPG verneinte die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer habe nämlich jahrelang dem Aufenthaltsverbot nicht Folge geleistet, was den Schluss rechtfertige, er sei gegenüber der österreichischen Rechtsordnung "überhaupt negativ eingestellt" und sein Aufenthalt im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Zwar habe ihm die Bundespolizeidirektion Klagenfurt mehrmals Abschiebungsaufschübe erteilt, weil er über kein gültiges Reisedokument verfügt habe und eine tatsächliche Abschiebung (infolge angeblicher Unmöglichkeit, bei der Botschaft Pakistans identifiziert zu werden) nicht habe erfolgen können. Anlässlich seiner Eheschließung (vom 7. April 2007) habe sich jedoch herausgestellt, dass er im Besitz eines gültigen, von der pakistanischen Botschaft in Wien am 22. Jänner 2004 ausgestellten Reisepasses gewesen sei. Diesen habe er beim Versuch seiner Abschiebung behauptetermaßen "zerrissen und weggeworfen". Er habe somit insgesamt die Fremdenpolizeibehörde getäuscht und in keiner Weise dabei geholfen, seine "Außerlandesbringung zu erwirken".

Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erweise sich - so argumentierte die belangte Behörde weiter - auch im Blick auf die (inhaltlich dargestellten) Bestimmungen des § 66 Abs. 1 und 2 FPG idF der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 als zulässig. Durch die Ehe mit einer Österreicherin könne der Beschwerdeführer nichts gewinnen, weil diese erst zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden sei, als ihm bewusst gewesen sein musste, dass er mit einem Weiterverbleib in Österreich nicht habe rechnen dürfen. Auch könne ein Kontakt zur Ehegattin in geringerem Maß vom Ausland aus (durch Besuchsreisen) aufrecht erhalten werden. Weiters fehle jede berufliche Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Es liefe dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob entgegen, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm selbst geschaffen worden seien, einen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer faktisch erzwingen könnte. Die aus der familiären Bindung abzuleitenden persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich seien somit - auch unter Bedachtnahme auf die angeführte Integration - nicht so stark ausgeprägt, dass sie schwerer zu gewichten wären als das große öffentliche Interesse an der Verhinderung eines Zuwiderhandelns gegen die österreichische Rechtsordnung.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie der Beschwerdeführer - die Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) eines Österreichers erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG in Betracht kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2008, Zl. 2008/21/0432, mwN).

Nach der zuletzt genannten Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Davon ausgehend kommt der Beschwerde Berechtigung zu.

Wenn auch die der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Schlepperei des Beschwerdeführers in keiner Weise verharmlost werden soll, so liegt doch ein strafrechtliches Wohlverhalten seit der Beendigung der dargestellten Tatbeteiligung (spätestens im Dezember 2004) bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides von rund viereinhalb Jahren vor. Angesichts der festgestellten nicht dominanten Tatbeiträge, der im angefochtenen Bescheid ausdrücklich festgestellten sozialen Integration im Bundesgebiet und vor allem der wesentlich geänderten familiären Lebensumstände des Beschwerdeführers ist nicht zu sehen, inwieweit von ihm unter dem von der belangten Behörde herangezogenen Blickwinkel des früheren strafrechtlichen Fehlverhaltens nach wie vor eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 86 Abs. 1 FPG ausgehen sollte, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2008, Zl. 2008/22/0629).

Dies gilt ebenso für den - trotz aufrechten Aufenthaltsverbotes erfolgten - Verbleib des Beschwerdeführers bei seiner österreichischen Ehefrau, welchem aus dem Blickwinkel des § 86 Abs. 1 FPG keine auf den Verfahrensausgang durchschlagende Bedeutung zukommen kann.

Indem die belangte Behörde die gemäß § 87 FPG maßgebliche Gefährlichkeitsprognose nach § 86 Abs. 1 FPG dennoch bejaht hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz hatte gemäß § 59 Abs. 1 VwGG mangels Antragstellung durch den Beschwerdeführer zu unterbleiben.

Wien, am 29. April 2010

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