VwGH 2009/21/0165

VwGH2009/21/016525.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. Mai 2009, Zl. St 1/09, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei im Dezember 2000 illegal nach Österreich eingereist und habe am 15. Dezember 2000 einen Asylantrag gestellt. Dieser sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. September 2001 und in der Folge mit Erkenntnis des Asylgerichthofes am 21. Oktober 2008 abgewiesen worden. Die Behandlung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sei abgelehnt worden. Der Beschwerdeführer halte sich somit seit dem 21. Oktober 2008 insofern rechtswidrig in Österreich auf, als ihm weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Ein Aufenthaltsrecht nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung habe der Beschwerdeführer weder behauptet, noch komme ihm nach der Aktenlage ein solches zu.

Im Blick auf die Abwägung nach § 66 FPG (idF der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer (dessen Familie - Ehefrau und vier Kinder - unstrittig im Heimatland verblieben war) habe sich mehr als acht Jahre lang in Österreich aufgehalten. Er habe zum frühestmöglichen Zeitpunkt (August 2001) mit der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit begonnen und diese in den folgenden Jahren fortgesetzt. Auch spreche er gut Deutsch, sodass ihm eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen sei. Die Maßnahme greife daher in erheblicher Weise in sein Privat- "und Familienleben" ein.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration werde jedoch - so argumentierte die belangte Behörde weiter - maßgebend dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt während des Asylverfahrens nur auf Grund des diesem zu Grunde liegenden Antrages, der sich letztendlich als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Die durch die Erwerbstätigkeit und das Privatleben in Österreich erreichte Integration sei somit zu relativieren, weil sich der Beschwerdeführer der Unsicherheit seiner temporären Aufenthaltsberechtigung bewusst sein habe müssen und nicht damit habe rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen. Familiäre Bindungen "zur Republik Österreich" seien weder behauptet worden noch aus der Aktenlage ersichtlich. Auch die lange Dauer des Asylverfahrens rechtfertige "kein individuelles Bleiberecht".

Der Beschwerdeführer halte sich seit rund fünf Monaten illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, sodass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu ihrer Wahrung dringend geboten sei. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar, wobei den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Die öffentliche Ordnung werde schwer wiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dasselbe gelte, wenn Fremde nach Abschluss ihres Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund seien auch keine besonderen Umstände erkennbar, die eine von § 53 Abs. 1 FPG ermöglichte Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers begründet hätten.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde räumt ein, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Es sind ihr auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die behördliche Beurteilung nach § 66 FPG (idF BGBl. I Nr. 29/2009) und verweist auf seinen mehr als achtjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet sowie das dabei erwirtschaftete Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit, mit dem er nicht nur die eigene Wohnung und seinen Unterhalt finanziere, sondern auch seine in der Türkei verbliebene Familie finanziell unterstütze. Zudem habe er gute Kenntnisse der deutschen Sprache erworben, sei unbescholten, nehme am gesellschaftlichen Leben teil und habe einen Freundeskreis in Österreich gewonnen. Ihn treffe an der langen Dauer seines Asylverfahrens kein Verschulden, sodass ihm diese nicht zum Vorwurf gemacht werden dürfe.

In diesem Zusammenhang ist vorweg festzuhalten, dass - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - mit der verfügten Ausweisung kein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers verbunden ist. Es ist nämlich unstrittig, dass seine Kernfamilie (Ehefrau und vier Kinder) im Heimatstaat verblieben ist, während sich in Österreich keine Angehörigen des Beschwerdeführers aufhalten.

Im Übrigen ist dem dargestellten Vorbringen zu entgegnen, dass die belangte Behörde die erwähnten integrationsbegründenden Umstände erkennbar ohnehin in ihre Interessenabwägung einbezogen hat. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte sie daraus aber nicht ableiten müssen, seine Ausweisung aus Österreich sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der im § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig: Der - wenn auch mehr als achtjährige - Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich war nämlich durch eine illegale Einreise begründet worden und hat - soweit er rechtmäßig war - auf einem von den zuständigen Behörden als unbegründet erachteten Asylantrag beruht. Es ist daher schon die illegale Einreise als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die Interessenabwägung einzubeziehen. Seit Erlassung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 21. Oktober 2008 (der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu, die beschlussmäßige Zuerkennung einer solchen wurde vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet) ist der Aufenthalt als unrechtmäßig zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie in dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Auch trifft es zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293).

Demgegenüber reichen die geltend gemachten - nur das Privatleben des Beschwerdeführers betreffenden - Umstände auch in Verbindung mit der langen Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass er im Hinblick auf die bereits 2001 ergangene erstinstanzliche Asylentscheidung nicht damit rechnen durfte, dass er dauernd in Österreich würde verbleiben können. Deshalb ist das Gewicht der mittlerweile erlangte Integration (vor allem unselbständige Berufstätigkeit, Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises, Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache) dadurch gemindert, dass er sich während der meisten Zeit des Inlandsaufenthaltes seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. In diesem Zusammenhang fällt auch die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht entscheidend ins Gewicht. Ein Verschulden an der langen Dauer des Asylverfahrens hat ihm auch die belangte Behörde nicht vorgeworfen.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich ins Treffen führt, sein jüngster (in der Türkei lebender) Sohn sei "zu 80 % geistig behindert", ist darauf schon als unzulässige Neuerung nicht inhaltlich einzugehen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. Februar 2010

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