VwGH 2009/21/0142

VwGH2009/21/014225.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. Mai 2009, Zl. St 283/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs3 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs3 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen vietnamesischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer im Dezember 2002 illegal nach Österreich eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe, der "mit 13.11.2008 rechtskräftig negativ abgewiesen" worden sei. Die Behandlung einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde sei von diesem abgelehnt worden. Der Beschwerdeführer halte sich somit seit dem 13. November 2008 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihm weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei.

Der Beschwerdeführer habe sich insgesamt rund 6 Jahre und 4 Monate in Österreich aufgehalten. Er sei seit 14. Juni 2003 nahezu durchgehend einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (zuletzt seit 22. Oktober 2007 als Koch) nachgegangen und verfüge über eine bis zum 3. Oktober 2009 gültige Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG. Auch spreche er (laut eigenen Angaben) die deutsche Sprache "in sehr guter Form", habe in Österreich Freunde und Bekannte gewonnen sowie einen Wohnsitz unterhalten. Ihm sei somit eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen, sodass durch die Ausweisung in erheblicher Weise in sein "Privat- und Familienleben" eingegriffen werde.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration werde jedoch maßgebend dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt während des Asylverfahrens nur auf Grund eines Antrages, der sich letztendlich als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, sein Privatleben während eines Zeitraumes aufgebaut zu haben, in dem er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt hatte. Da er nicht damit habe rechnen können, nach einem negativen Ausgang des erwähnten Asylverfahrens in Österreich bleiben zu dürfen, relativiere sich auch seine berufliche Integration. Zudem sei seine Beschäftigungsbewilligung nur befristet bis zum 3. Oktober 2009 gültig, wobei eine neuerliche Verlängerung auf Grund seines aufenthaltsrechtlichen Status in Österreich äußerst zweifelhaft erscheine.

Sein Vorbringen, sich in Österreich wohlverhalten zu haben und unbescholten zu sein, könne nicht zu seinen Gunsten ausschlagen, weil dies weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge habe. In seinem Heimatland lebten Vater und Mutter des Beschwerdeführers, sodass ihm eine Reintegration zuzumuten sei. Berücksichtigungswürdige familiäre Beziehungen in Österreich seien dagegen weder behauptet worden noch aus der Aktenlage ersichtlich. Auch ein vom Beschwerdeführer gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen könne seinen Aufenthalt nicht legalisieren. Die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens schränke nach der seit dem 1. April 2009 geltenden Rechtslage die behördliche Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung nicht ein.

Der mehr als fünf Monate andauernde illegale Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gefährde die öffentlichen Ordnung in hohem Maß, sodass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu deren Wahrung dringend geboten sei. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde - so führte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung noch aus - schwer wiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dasselbe gelte auch dann, wenn Fremde nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch eine Übung des der Behörde durch § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht in Betracht gekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde räumt ein, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Daran ändert auch die vom Beschwerdeführer behauptete Antragstellung auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels nichts (vgl. dazu ausführlich etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293).

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."

    Eine Ausweisung ist nach dem - mit der genannten Novelle angefügten - § 66 Abs. 3 FPG nur dann auf Dauer unzulässig, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches oder unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

    Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde eine hiernach gebotene Interessenabwägung vorgenommen und dabei auch die in der Beschwerde angeführten, für einen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden Umstände (gute Kenntnisse der deutschen Sprache, praktisch durchgehende unselbständige Erwerbstätigkeit - zuletzt als Koch, Selbsterhaltungsfähigkeit, Erhaltung einer eigenen Wohnung sowie Erwerb eines Freundes- und Bekanntenkreises) in diese Beurteilung einbezogen. Dem Vorbringen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich während seines (bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) rund 6 Jahre und 5 Monate dauernden Aufenthaltes hielt die belangte Behörde aber zutreffend entgegen, dass dieser durch eine illegale Einreise begonnene und nur vorläufig rechtmäßige Aufenthalt lediglich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen und seit Beendigung des Asylverfahrens bereits rund sechs Monate lang unrechtmäßig war. Die belangte Behörde ist daher insoweit im Recht, als sie im Gesamtverhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Ebenso trifft es zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348, mwN).

    Soweit die Beschwerde als Mangelhaftigkeit des Verfahrens das Unterbleiben einer Einvernahme des Beschwerdeführers rügt, fehlt dem die Relevanz, wird in der Beschwerde doch nicht dargestellt, welche ergänzenden Feststellungen (etwa zu einzelnen Merkmalen der Integration) dadurch ermöglicht worden wären. Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer (etwa in seiner Berufung oder in der Stellungnahme vom 2. März 2009) ausreichend Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen. Ergänzend ist er darauf zu verweisen, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde, etwa zur Gewinnung eines unmittelbaren Eindrucks von seiner Persönlichkeit, mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2008/21/0600, mwN).

    Zusammenfassend ist es daher fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat. Schließlich werden in der Beschwerde auch keine ausreichenden Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

    Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

    Wien, am 25. Februar 2010

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