VwGH 2009/21/0122

VwGH2009/21/012225.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 27. März 2009, Zl. 2Fr-348/08, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der aus Armenien kommende, am 7. April 1985 geborene Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinen Eltern und seinen (damals) minderjährigen Schwestern am 13. Mai 2003 nach Österreich ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. September 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen. Zugleich wurde gemäß § 8 leg. cit. seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien für zulässig erklärt. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15. Juli 2008 als unbegründet abgewiesen. Die Eltern, drei Schwestern und ein Bruder des Beschwerdeführers hatten ebenfalls erfolglos die Gewährung von Asyl beantragt. Diese wurden gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (vgl. dazu das die genannten Angehörigen betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2009/21/0125 bis 0127).

Mit dem vorliegend angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. März 2009 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 FPG ein auf ein Jahr befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend verwies sie auf drei rechtskräftige Verurteilungen des Beschwerdeführers jeweils wegen des Vergehens des (teils versuchten) Diebstahls gemäß §§ 127; 15 StGB. Bereits am 5. November 2003 habe das Bezirksgericht Spittal/Drau über ihn eine (zunächst bedingt nachgesehene) Geldstrafe von 60 Tagessätzen verhängt, weil er am 31. Juli 2003 50 CDs im Gesamtwert von EUR 68,09 gestohlen habe. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 6. April 2006 (bestätigt mit Berufungsentscheidung des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. August 2006) sei über ihn wegen (unter Beteiligung seines Bruders) versuchten Diebstahls von zwei Strickjacken im Gesamtwert von EUR 90,-- am 14. Dezember 2005 eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen verhängt worden. Die bedingte Strafnachsicht im vorgenannten Urteil sei widerrufen worden. Schließlich habe der Beschwerdeführer am 21. November 2006 in Klagenfurt zwei MP3-Player im Gesamtwert von EUR 99,80 gestohlen und sei deshalb vom Bezirksgericht Klagenfurt am 16. Mai 2007 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden.

In rechtlicher Hinsicht schloss die belangte Behörde auf Grund der drei rechtskräftigen Verurteilungen, die alle auf der gleichen schädlichen Neigung beruht haben, auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FPG. Durch das Gesamtfehlverhalten sei die Annahme nach § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Dazu komme der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens sowie der entsprechenden Verfahren seiner Eltern und Geschwister. Da der Beschwerdeführer bereits dreimal wegen der Vergehen des Diebstahls verurteilt worden sei und ihm infolge Einkommens- und Mittellosigkeit nach wie vor die Selbsterhaltungsfähigkeit fehle, seien die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllt.

Der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit seinen Eltern und den genannten Geschwistern, deren Asylanträge abgewiesen und die aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden seien, nach Österreich eingereist. Zwar halte sich auch eine Tante des Beschwerdeführers in Österreich auf, mit der er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. In Österreich sei er noch nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Es fehle daher an einer ausreichenden Integration, um den Schluss rechtfertigen zu können, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer für den Fall eines negativen Ausganges seines Asylverfahrens nicht mit einem dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet habe rechnen können. Von einem Eingriff in das Familienleben sei nicht auszugehen, weil die gesamte Familie dazu verpflichtet sei, Österreich zu verlassen. Dem Einwand, außer einem (mittellosen) Großvater keine Bindungen zum Heimatstaat zu haben, sei zu entgegnen, dass dies im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sei. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Armenien müssten schon als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden Grund für eine Flucht (nach Österreich) erfolgten Verlassens des Heimatstaats infolge des großen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen hingenommen werden. Schließlich seien auch keine Gründe erkennbar, von dem der belangten Behörde eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Im § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen iSd § 60 Abs. 1 FPG gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Nach Z. 1 des § 60 Abs. 2 FPG ist dies der Fall, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Beschwerdeführer tritt den behördlichen Feststellungen nicht mit Erfolg entgegen. Soweit er nämlich ins Treffen führt, am 14. Dezember 2005 keine Straftat begangen zu haben und zu Unrecht verurteilt worden zu sein, ist dies mit der Rechtskraft des erwähnten Gerichtsurteils nicht in Einklang zu bringen. Demnach ist vom Vorliegen von drei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen auszugehen und damit der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FPG als erfüllt anzusehen.

Ebenso kann der belangten Behörde kein Rechtsirrtum vorgeworfen werden, wenn sie aus den wiederholten Rückfällen des Beschwerdeführers bei der Verübung von (teils versuchten) Ladendiebstählen auch unter Berücksichtigung des fortdauernden Fehlens jeder Selbsterhaltungsfähigkeit auf die Gefahr weiterer derartiger strafbarer Handlungen geschlossen hat. Der Gerichtshof hegt somit - ohne dass eine zusätzliche Berücksichtigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit der rechtskräftigen Erledigung seines Asylantrages erforderlich wäre - keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, dass auch die Gefährlichkeitsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG erfüllt sei (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 6. August 2009, Zl. 2009/22/0188).

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang mit dem Vorliegen bloßer Jugendstraftaten argumentiert, ist sie nicht nachvollziehbar: Bereits bei Setzen des ersten - nur wenig später als zwei Monate nach der Einreise erfolgten - strafbaren Verhaltens (am 31. Juli 2003) hatte der Beschwerdeführer nämlich bereits das 18. Lebensjahr überschritten.

Entgegen seiner Behauptung, die drei Straftaten jeweils zutiefst bereut zu haben, hat ihn auch dieser Umstand nicht von zwei einschlägigen Rückfällen abhalten können.

Entgegen der Beschwerdeansicht ist auch die behördliche Beurteilung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG nicht zu beanstanden. Die belangte Behörde hat nämlich ohnehin auf die bisherige Dauer des Aufenthalts seit Mai 2003 und den Erwerb eines Freundes- und Bekanntenkreises ausreichend Bedacht genommen. Ebenso hat sie aber zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Beschwerdeführer erlangte Integration dadurch relativiert ist, dass sie nur auf einem unzulässigen Asylantrag beruht hat. Jedenfalls seit der erstinstanzlichen Abweisung dieses Antrages mit Bescheid vom 17. September 2003 musste auch dem Beschwerdeführer die Unsicherheit einer weiteren Zulässigkeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet bewusst sein.

Soweit dieser in der vorliegenden Beschwerde auf eine erhebliche Steigerung seiner sozialen Integration seit Begehung der letzten Straftat verweist, ist er auf seine niederschriftlichen Angaben vom 12. September 2008 zu verweisen, wonach er in Österreich keine schulische Fortbildung absolviert habe und während seines Aufenthalts im Bundesgebiet lediglich "mehrere Bekannte" gewonnen habe. Selbst zu einer "Halbtante in Klagenfurt" habe er keinen Kontakt. Seine Deutschkenntnisse habe er (ohne Besuch von Kursen) "durch den Umgang mit österr. Staatsbürgern gelernt". Das Fehlen von beruflicher Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit ist im Ergebnis unstrittig. Diese Aspekte können nicht durch einen bloßen Hinweis auf die Bereitschaft zu arbeiten sowie auf den Empfang von Unterstützungsleistungen durch die öffentliche Hand wettgemacht werden.

Der weiteren Argumentation der Beschwerde mit der (weit gehenden) Unmöglichkeit der Ausübung einer unselbständigen Berufstätigkeit durch (ehemalige) Asylwerber ist zu entgegnen, dass auch der Umstand des regelmäßigen Fehlens einer Möglichkeit zur beruflichen Integration für Asylwerber nicht bewirken kann, dass der Aufenthalt von Fremden in Österreich, der auf einem letztlich abgewiesenen Asylantrag beruhte, für sich genommen bereits als integrationsbegründend gewertet werden müsste (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 6. August 2009, Zl. 2009/22/0188).

Vor diesem Hintergrund ist keine Rechtswidrigkeit darin zu erblicken, dass die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG für zulässig erachtete. Familiäre Kontakte zu den Eltern und Geschwistern des Beschwerdeführers ändern daran nichts, weil diesen - wie im zitierten hg. Erkenntnis vom heutigen Tag dargestellt - der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet (ebenfalls) verwehrt ist.

Auch hat die belangte Behörde bereits richtig hervorgehoben, dass die regelmäßig zu erwartenden Schwierigkeiten bei einem wirtschaftlichen Neubeginn in Armenien auf Grund des von ihr zutreffend dargestellten großen öffentlichen Interesses an einer Vermeidung der Wiederholung von Straftaten durch den Beschwerdeführer in Kauf zu nehmen sind.

Ebenso ist unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen, fehlen doch besondere Umstände, die ein Absehen von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Schließlich macht die Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe sich mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung nicht auseinander gesetzt, obwohl dieser Spruchpunkt des Erstbescheides in der Berufung bekämpft worden sei. Auch daraus kann jedoch keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abgeleitet werden:

Mit dem angefochtenen Bescheid ist nämlich eine Berufungsentscheidung ergangen, die in der Hauptsache (dem Abspruch über das befristete Aufenthaltsverbot) vom Verwaltungsgerichtshof gebilligt wurde. Es kann in dieser Verwaltungssache daher weder neuerlich zu einem offenen Berufungsverfahren kommen, noch könnte sich die Rechtsstellung des Beschwerdeführers - bezogen auf vergangene Perioden, in denen seiner Berufung keine aufschiebende Wirkung zugekommen war, - ändern. Zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides ohne objektiven Nutzen und damit Rechtsschutzbedarf für den Beschwerdeführer ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht berufen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 2008, Zl. 2005/05/0152, und vom 7. Juli 2009, Zl. 2007/18/0177).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. März 2010

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