Normen
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. November 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei nach eigenen Angaben im Jahr 1990 zusammen mit seinen Eltern nach Österreich eingereist, habe die Haupt- und Berufsschule besucht und sei zwischen 1998 und 2003 bei verschiedenen Firmen beschäftigt gewesen. Er habe durchgehend über Aufenthaltstitel, zuletzt über eine befristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, gültig bis 14. März 2005, verfügt.
Am 2. September 2005 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß den §§ 142 Abs. 1, 115, 143, 278, 127, 15, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 130 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitgliedes dieser Vereinigung mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe anderen Personen Sachen weggenommen oder abgenötigt habe. Gemäß den im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Tathandlungen habe der Beschwerdeführer zwischen 21. Jänner 2004 und 4. April 2004 bei neun Angriffen Dritte - teilweise unter Verwendung einer Gaspistole bzw. eines Messers - zur Übergabe von Geld sowie Autobahnvignetten aufgefordert, in einem Fall auf sein Opfer eingeschlagen sowie in dessen Gesicht getreten und es somit schwer verletzt. In weiteren drei Fällen habe er als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Täter zu Tathandlungen bestimmt oder zur Ausführung der strafbaren Handlungen beigetragen. Zwischen Jänner 2004 und Juni 2004 habe sich der Beschwerdeführer an einer kriminellen Vereinigung beteiligt.
Auf Grund dieses Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers sei der in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierte Tatbestand verwirklicht. Der Beschwerdeführer beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - in concreto: das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Ausübung von körperlicher Gewalt bzw. der Eigentumskriminalität - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 leg. cit. - (auch) im Grunde des § 60 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.
Der Beschwerdeführer lebe nach eigenen Angaben seit 1990 im Bundesgebiet und verfüge über familiäre Bindungen zu seinen Eltern, vier Geschwistern, einer Lebensgefährtin sowie seiner sechsjährigen Tochter. Darüber hinaus habe er in Österreich die Hauptschule besucht und den Beruf eines Bauspenglers erlernt. Es sei daher von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen (massiven) Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Die Zulässigkeit dieser Maßnahme sei jedoch im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (gemeint wohl: Gewaltkriminalität) sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, als dringend geboten zu erachten. Das wiederkehrende (gleichgelagerte) strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche mehr als augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Daher könne eine Verhaltensprognose keinesfalls zu Gunsten des Beschwerdeführers gestellt werden. Dies umso weniger, als er seine Straftaten in einer Vielzahl von Angriffen in einem sehr kurzen Zeitraum und dabei mit hoher krimineller Energie gesetzt habe.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass er sich mittlerweile seit ca. 19 Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Ungeachtet dessen könne er sich nicht mit Erfolg auf eine daraus ableitbare relevante Integration seiner Person berufen. Diese erfahre bereits durch den Umstand, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein massives strafbares Verhalten erheblich gemindert werde, eine wesentliche Reduktion. Zur beruflichen Integration des Beschwerdeführers sei zu bemerken, dass er nach Abschluss seiner Lehre lediglich vom 8. Juni bis 1. September 1999, vom 14. September bis 22. Oktober 1999, ab 22. November 1999, vom 24. April bis 10. Mai 2002 sowie vom 15. September bis 28. November 2003 bei wechselnden Arbeitgebern beschäftigt gewesen sei. Von einer relevanten beruflichen Integration könne daher ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Der Beschwerdeführer habe vor seiner Übersiedlung nach Österreich in seinem Heimatland die Grundschule besucht. Es sei daher davon auszugehen, dass er seine Muttersprache (die Sprache seines Elternhauses) fließend beherrsche. Auch sei anzunehmen, dass er (neue) soziale Kontakte in seiner Heimat finden könne. Dafür sprächen sein jugendliches Alter bzw. seine nach wie vor in seinem Heimatland vorhandenen familiären Bindungen.
Diesen - solcherart geschmälerten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen, insbesondere jene an der Einhaltung der strafrechtlichen Normen, gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (und seiner Familie) keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Auch die aufenthaltsverfestigenden Bestimmungen des § 61 FPG stünden der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch unter Berücksichtigung seiner familiären Situation nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden.
Nach Ansicht der belangten Behörde sei eine Erlassung des Aufenthaltsverbotes für eine Dauer von zehn Jahren ausreichend. Der Beschwerdeführer habe Raubüberfälle begangen und vor der Ausübung von Gewalt nicht zurückgeschreckt. Dadurch habe er nicht nur eine Geringschätzung, sondern sogar eine offenbare Negierung maßgeblicher, zum Rechtsgüterschutz aufgestellter Vorschriften erkennen lassen. Vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der schwerwiegenden Gefährdung der Ordnung und Sicherheit durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung. Angesichts dieser Verurteilung erweist sich die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG verwirklicht sei, als unbedenklich.
2. Die Beschwerde bringt vor, die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt. Im Rahmen des Parteiengehörs hätte er mitteilen können, dass er derzeit in der Justizanstalt Stein, Außenstelle Mautern, inhaftiert sei und seit Monaten auf Grund seiner guten Führung die Möglichkeit erhalten habe, als Freigänger außerhalb der Justizanstalt bei einer näher bezeichneten Firma zu arbeiten. Dies sei für jemanden, der zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, ungewöhnlich und nur auf Grund der hervorragenden Führung des Beschwerdeführers möglich gewesen. Bei Kenntnis dieses Umstandes könne die belangte Behörde die Prognose, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, nicht mehr aufrecht erhalten.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor in Haft befindet und nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Zeiten einer Haft bei der Beurteilung des Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0109, mwN). Darüber hinaus hat die belangte Behörde das Fehlverhalten des Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den Erwägungen der Strafvollzugsbehörden zu treffen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer - wie oben (I.1.) dargestellt - zwischen Jänner und Mai 2004 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zahlreiche Gewalt- und Vermögensdelikte begangen, dabei Waffen (mehrmals eine Gaspistole bzw. ein Messer) verwendet und eines seiner Opfer durch Schläge und Tritte in sein Gesicht schwer verletzt. Die Vielzahl der gleichgelagerten Angriffe innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes zeugt von einer hohen kriminellen Energie. Dieses Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertigt die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Die im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG getroffene Beurteilung der belangten Behörde ist daher nicht zu beanstanden.
3. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grunde des § 66 FPG sowie hinsichtlich der Ermessensentscheidung. Neben den Eltern des Beschwerdeführers seien noch fünf weitere Geschwister und ein Onkel in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer selbst habe in Österreich die Haupt- und Berufsschule absolviert und sei hier nachhaltig integriert. Er habe zahlreiche Freunde und Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern. Bei einer allfälligen Enthaftung würde er bei seinen Eltern, von denen er nachhaltig unterstützt werde, wohnen. Der Beschwerdeführer halte sich seit 19 Jahren im österreichischen Bundesgebiet auf. Er habe zu seiner Tochter, einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihn regelmäßig in der Haftanstalt besuche, einen innigen Kontakt.
Dieses Beschwerdevorbringen vermag die Entscheidung der belangten Behörde jedoch nicht zu erschüttern, zumal keine wesentlichen Argumente vorgebracht werden, die im angefochtenen Bescheid nicht bereits berücksichtigt worden wären. So hat die belangte Behörde ihrer Beurteilung sowohl die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers als auch seine familiären Beziehungen zu seinen Eltern und vier Geschwistern, seiner Lebensgefährtin sowie einer minderjährigen Tochter, die österreichische Staatsbürgerin ist, und den Abschluss der Hauptschule zu Grunde gelegt. Dass der Beschwerdeführer nach einer allfälligen Haftentlassung nicht mehr bei seiner Lebensgefährtin (und seiner minderjährigen Tochter), sondern bei seinen Eltern wohnen wolle, vermag seine persönlichen Interessen auf Grund seiner Volljährigkeit nicht wesentlich zu stärken. Gleiches gilt hinsichtlich der in der Beschwerde angeführten fünf statt der von der belangten Behörde berücksichtigten vier Geschwister. Zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass die auf Grund des langen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich ableitbare Integration in ihrem Gewicht dadurch gemindert ist, dass die dafür maßgebliche soziale Komponente durch das ihm zur Last liegende Fehlverhalten erheblich gelitten hat. Dass keine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers in den österreichischen Arbeitsmarkt vorliegt, wird in der Beschwerde ebenfalls nicht bestritten.
Diesen persönlichen Interessen steht die aus der Straftat des Beschwerdeführers resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Auch wenn die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers erheblich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als den gegenläufigen öffentlichen Interessen insbesondere an der Verhinderung der Gewaltkriminalität, weshalb auch die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, nicht zu beanstanden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl. 2007/18/0328). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Eltern den Beschwerdeführer nicht auch im Ausland unterstützen können. Den - auf Grund der Haft auch derzeit nur eingeschränkt möglichen - Kontakt zu seiner Tochter kann der Beschwerdeführer auch vom Ausland aus aufrecht erhalten.
4. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer in seinem Heimatland die Grundschule besucht habe und daher davon auszugehen sei, dass er seine Muttersprache fließend beherrsche, blieben unbestritten. Soweit die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde hätte die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers ermitteln müssen und der Beschwerdeführer sei dadurch in seinen Rechten auf Parteiengehör verletzt worden, legt sie jedoch nicht dar, welche Relevanz dem behaupteten Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG hätte zukommen können.
5. Schließlich bestand für die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdeansicht - auch keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 60 Abs. 1 FPG von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen, ist doch bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden wegen einer im § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG genannten strafbaren Handlung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltsverbots eindeutig; eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbots würde diesfalls offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0299, mwN).
6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 21. Jänner 2010
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