VwGH 2009/18/0460

VwGH2009/18/046026.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des B S in W, geboren am 16. Juli 1980, vertreten durch Dr. Stefan Joachimsthaler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Kandlgasse 32/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Juli 2009, Zl. E1/289939/2009, betreffend Versagung der Ausstellung eines Konventionsreisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §92 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §94 Abs5;
FrPolG 2005 §92 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §94 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. Juli 2009 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines russischen Staatsangehörigen, auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß §§ 92 Abs. 1 Z. 4 und 94 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei bereits einmal im Besitz eines bis 18. November 2008 gültigen Konventionsreisepasses gewesen. Am 11. Oktober 2004 sei er vom Landesgericht Korneuburg wegen teils vollendeter, teils versuchter Schlepperei gemäß § 104 Abs. 1 und 3 Fremdengesetz 1997 sowie § 15 StGB als Mitglied einer kriminellen Organisation gemäß § 278a StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von elf Monaten, die vom Oberlandesgericht Wien auf 16 Monate verlängert worden sei, verurteilt worden. Nach dem Urteilsspruch sei der Beschwerdeführer zwischen 6. September 2003 und 8. Jänner 2004 an der Schleppung bzw. dem Versuch der Schleppung von zumindest 60 Personen beteiligt gewesen. Im Zeitraum zwischen September und Oktober 2003 habe er sich im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Tätern an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der Schlepperei ausgerichtet gewesen sei, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang angestrebt habe und sich auf besondere Weise, nämlich durch die Verwendung von Aliasnamen sowie Geheimhaltung der Namen und Aufenthaltsorte der führenden Mitglieder der Verbindung gegen Strafverfolgung abzuschirmen versucht habe, als Mitglied beteiligt, indem er an den oben angeführten Schleppungen mitgewirkt habe und zur Durchführung weiterer Schleppungen bereit gewesen sei. In mehrfachen Tathandlungen habe er gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise von Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union gefördert, indem er die rechtswidrige Ein- und Weiterreise in den oben geschilderten Fällen (mit)organisiert habe, wobei es zum Teil beim Versuch geblieben sei.

Diese Verurteilung sei nicht die einzige geblieben. Vom Landesgericht für Strafsachen Wien sei der Beschwerdeführer am 16. November 2007 wegen des Versuchs des Widerstandes gegen die Staatsgewalt - bezogen auf ein Faktum vom 27. Oktober 2006 - rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten (dreijährige Probezeit) verurteilt worden.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass die hier maßgebliche Verurteilung sowie die ihr zu Grunde liegenden Tathandlungen schon lange zurücklägen.

Unter Hinweis auf die §§ 94 Abs. 5, 88 Abs. 3 bis 8, 89 bis 93 sowie 92 Abs. 1 Z. 4 FPG führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer geäußerte Verwunderung, warum ihm der bis 18. November 2008 gültige Konventionsreisepass von der Erstbehörde nicht entzogen worden sei, obwohl diese seit März 2005 im Besitz des hier maßgeblichen Strafurteils betreffend Schlepperei gewesen sei, werde von der belangten Behörde geteilt. Allerdings vermöge sich dieser Umstand auf die Abweisung des Passantrages vom 19. November 2008 nicht auszuwirken, da die strafrechtswidrigen Tathandlungen noch nicht so lange zurücklägen, dass von einem Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr, sich künftig zur Verwirklichung weiterer strafbarer Schleppereihandlungen des Konventionsreisepasses zu bedienen, gesprochen werden könne.

Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 2006, Zl. 2006/18/0030, führte die belangte Behörde aus, obwohl die hier maßgeblichen strafbaren Handlungen vor über fünf, aber noch nicht sechs Jahren gesetzt worden seien, könne dem Beschwerdeführer seither kein durchgehendes Wohlverhalten attestiert werden, auch wenn er nicht neuerlich einschlägig verurteilt worden sei. Der hier vorliegende Sachverhalt sei nicht mit jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2008, Zl. 2008/22/0629, zu Grunde gelegen sei (Wohlverhalten über einen Zeitraum von acht Jahren), vergleichbar.

Eine zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehende Gefährlichkeitsprognose ergebe sich daraus, dass er mehrere Angriffe in einem längeren, nämlich ca. vier Monate umfassenden Zeitraum in Bezug auf die Verwirklichung zweier Verbrechen gesetzt habe, also keinesfalls von einem "einmaligen Ausrutscher" gesprochen werden könne. Berücksichtige man, dass bei Schleppereidelikten die Wiederholungsgefahr groß sei, sodass die Gefahr bestehe, dass ein Reisedokument zu diesem Zweck missbraucht werden könnte, müsse die Versagung des Konventionsreisepasses als adäquate Sicherungsmaßnahme (und keineswegs als Strafe) gesehen bzw. anerkannt werden.

Die Bekämpfung der Schlepperei habe auch aus dem Blickwinkel der Europäischen Union einen hohen Stellenwert. Das zeige die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt sowie der Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt.

Zum Verhältnis der Z. 4 und 5 des § 92 Abs. 1 FPG werde auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 2006 verwiesen, wonach die Schaffung eines speziell auf die Schlepperei abgestellten Versagungstatbestandes nicht bedeute, dass dadurch die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich nicht gefährdet werde.

Ein Ermessensspielraum sei der belangten Behörde vom Gesetz her nicht eingeräumt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses u.a. zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass (Z. 4) der Fremde das Dokument benutzen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken.

Gemäß § 94 Abs. 5 zweiter Satz FPG ist diese Bestimmung auch auf Konventionsreisepässe anzuwenden.

2. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, der Beschwerdeführer habe seinen Konventionsreisepass bei Begehung der der Verurteilung durch das Oberlandesgericht Wien zu Grunde liegenden Tathandlungen in keiner Weise benutzt bzw. missbraucht. Er sei bereits am 23. Februar 2006 bedingt aus der Haft entlassen worden und habe sich seither keiner einschlägigen Verfehlungen mehr schuldig gemacht. Die Verurteilung wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt stehe in keinerlei Zusammenhang mit einer Reisetätigkeit. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschwerdeführer ins Ausland begeben wollte und dadurch die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden würde. Der Konventionsreisepass stelle vielmehr das einzige für ihn verfügbare behördliche Lichtbilddokument dar.

Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung vom 18. Oktober 2004 und insbesondere auch nicht die dieser Verurteilung zu Grunde liegende Straftat. Dem Beschwerdeführer liegt somit zur Last, dass er zwischen September 2003 und Jänner 2004 über einen längeren Zeitraum hindurch gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Organisation rechtswidrig die Einreise von einer großen Anzahl von Personen aus ihrem Heimatland in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs gefördert hat, indem er durch verschiedene schlepperrelevante Tätigkeiten an der Schlepperei unmittelbar beteiligt war. Zusätzlich hat er - unbestritten - am 27. Oktober 2006 versucht, Widerstand gegen die Staatsgewalt zu leisten, und wurde dafür neuerlich zu einer (bedingten) Haftstrafe verurteilt.

Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, dass der Versagungsgrund des § 92 Abs. 1 Z. 4 FPG nicht voraussetzt, dass der Betreffende tatsächlich schon einmal ein Reisedokument für den verpönten Zweck benutzt habe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2009, Zl. 2007/18/0243).

Soweit die Beschwerde rügt, die Tatbegehung der Schlepperei liege bereits mehr als fünfeinhalb Jahre und die diesbezügliche Verurteilung knapp viereinhalb Jahre zurück, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer erst im Februar 2006 aus der Haft entlassen wurde, und Zeiten der Haft bei der Beurteilung des Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben haben. In Anbetracht des wiederholten gewerbsmäßigen Fehlverhaltens, das der Beschwerdeführer zudem als Mitglied einer kriminellen Organisation begangen hat, ist der seither verstrichene Zeitraum zu kurz, um von einem Wegfall oder einer doch erheblichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr, sich neuerlich an Schlepperaktivitäten zu beteiligen, ausgehen zu können.

Die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Ausstellung des beantragten Konventionsreisepasses der Versagungsgrund des § 92 Abs. 1 Z. 4 iVm § 94 Abs. 5 FPG entgegensteht, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Zutreffend hat die belangte Behörde die zweite Verurteilung des Beschwerdeführers vom 16. November 2007 nicht als einschlägig beurteilt, sondern (nur) im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose berücksichtigt. Die Beschwerde hat nicht aufgezeigt, inwiefern dem geltend gemachten Verfahrensmangel, die belangte Behörde habe allenfalls dieses Urteil nicht beigeschafft, Relevanz zukommen könnte.

Wenn die Beschwerde weiters rügt, die belangte Behörde habe kein rechtskonformes Ermittlungsverfahren durchgeführt, so zeigt sie mit diesem Vorbringen bereits deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil sie nicht darlegt, auf Grund welcher zusätzlichen Ermittlungen welche konkreten Feststellungen im Einzelnen noch hätten getroffen werden müssen, und damit die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels ebenfalls nicht dartut.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. November 2009

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