VwGH 2009/18/0415

VwGH2009/18/041515.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des C D in W, geboren am 20. Dezember 1986, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Juni 2009, Zl. E1/3.219/2009, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2 idF 2009/I/029;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2 idF 2009/I/029;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. Juni 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer, dessen Identität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, am 9. Februar 2004 illegal nach Österreich eingereist sei. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt, welcher jedoch im Instanzenzug vom Asylgerichtshof abgewiesen worden sei.

Mit Urteil vom 17. Dezember 2008 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten bedingt verurteilt worden. Den Entscheidungsgründen dieses in Rechtskraft erwachsenen Urteiles sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von November 2007 bis November 2008 in Wien gewerbsmäßig vorschriftswidrig Suchtgift anderen überlassen habe. Der Beschwerdeführer habe nämlich einer Suchtgiftabnehmerin in der Zeit von November 2007 bis November 2008 ca. 15 Gramm Heroin brutto und einem weiteren Suchtgiftabnehmer im Zeitraum von August 2008 bis November 2008 insgesamt 20 Gramm Heroin und 2 Gramm Kokain brutto überlassen.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre bzw. berufliche Bindungen zum Bundesgebiet seien auch nicht behauptet worden. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass, wolle man nur auf Grund des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers auch trotz fehlender familiärer Bindungen von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgehen, dessen ungeachtet die Zulässigkeit dieser Maßnahme gemäß § 66 FPG zu bejahen wäre. In Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei nämlich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, im konkreten Fall zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit Dritter, als dringend geboten zu erachten.

Eine nach § 66 FPG gebotene Interessenabwägung müsse ebenfalls zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Die ohnedies nicht stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers würden im Hinblick darauf, dass die für das Ausmaß jeglicher Integration wesentliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers deutlich beeinträchtigt werde, eine weitere Minderung erfahren. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers hätten somit gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität in den Hintergrund zu treten.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorgelegen seien, habe die belangte Behörde angesichts des konkreten Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Die vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes stehe mit § 63 FPG im Einklang. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne, selbst unter Bedachtnahme auf dessen private Situation, ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des nunmehr festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, unbekämpft. In Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers am 17. Dezember 2008 begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.

Auf dem Boden der nicht bestrittenen Feststellungen zu dem dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. An dieser Beurteilung kann auch das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe sich seit seiner Verurteilung wohlverhalten, nichts ändern, zumal der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seit der Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitraum von etwa sechs Monaten viel zu kurz ist, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit schließen zu können

2. Die Beschwerde bekämpft das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass diese unzulässigerweise zu Lasten des Beschwerdeführers ausgegangen sei. Die belangte Behörde habe die Rechtslage unrichtig beurteilt, wenn sie meine, dass die öffentlichen Interessen an der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Aufenthaltsverbotes und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wögen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Die Beschwerde weist darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer seit Februar 2004, somit seit 5 1/2 Jahren in Österreich aufhalte. Da er selbst nicht suchtmittelabhängig sei, sei die Wahrscheinlichkeit neuerlicher Straftaten nicht gegeben, zumal ihm auch durch das anhängig gewesene Strafverfahren der Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat hinlänglich vor Augen geführt worden sei.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG hat die belangte Behörde die langjährige Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers berücksichtigt (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG). Familiäre bzw. berufliche Bindungen zum Bundesgebiet sind vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG). Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass die Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente durch die von ihm begangene Straftat eine erhebliche Minderung erfahren hat.

Wenn die Beschwerde darauf hinweist, dass sich der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt während eines anhängigen Asylverfahrens in Österreich aufgehalten habe, er damit von jeglicher legalen Erwerbstätigkeit ausgeschlossen gewesen und dabei in schlechte Gesellschaft geraten sei sowie aus einem Kulturkreis komme, in dem kein mit Europa vergleichbares Unrechtsbewusstsein hinsichtlich Drogenhandels bestehe, vermag er damit sein Interesse an einem weiteren Verbleib in Österreich nicht wesentlich zu stärken.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Der Verurteilung des Beschwerdeführers liegen Straftaten auf dem Gebiet der Suchtgiftkriminalität zu Grunde, an deren Verhinderung ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 2009, Zl. 2009/18/0235, und vom 2. Oktober 2008, Zl. 2007/18/0515).

Im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung solcher Straftaten begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen und Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG), keinem Einwand. Daran vermag auch das - nicht weiter konkretisierte - Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe weder Familie noch - auf Grund des langen, nicht in Nigeria verbrachten Zeitraumes - freundschaftliche Beziehungen in seinem Herkunftsland, nichts zu ändern.

Entgegen der Beschwerdeansicht bestand für die belangte Behörde auch keine Veranlassung, die dem Beschwerdeführer im Strafverfahren mildernd zugute gehaltenen Aspekte (bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten) zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hatte nämlich ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts betreffend die dem Beschwerdeführer gewährte bedingte Strafnachsicht zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2005, Zl. 2005/18/0026).

3. Wenn der Beschwerdeführer weiter vorbringt, er sei in seiner Heimat einer Gefahr für sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit ausgesetzt, ist ihm zu erwidern, dass die Frage des allfälligen Vorliegens von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder 2 FPG - abgesehen davon, dass mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen wird, in welchen Staat der Fremde auszureisen habe - nicht im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, sondern in einem gesonderten Verfahren nach § 51 FPG bzw. - wie dies auch hier der Fall war - in einem asylrechtlichen Verfahren oder in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG zu beurteilen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0749, mwN).

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2009

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