VwGH 2009/17/0199

VwGH2009/17/019921.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler, die Hofrätin Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der B AG in L, vertreten durch ICON Wirtschaftstreuhand GmbH Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in 4020 Linz, Stahlstraße 14, gegen den Bescheid der Dienststelle für Landesabgaben beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 3. August 2009, Zl. LABG-FV-1027/1/09, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens i. A. der Fremdenverkehrsabgabe 2002 bis 2006, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §289;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
BAO §303;
BAO §307 Abs1;
LAO Krnt 1991 §215;
LAO Krnt 1991 §228 Abs1 litb;
LAO Krnt 1991 §228 Abs3;
LAO Krnt 1991 §228;
LAO Krnt 1991 §232 Abs1;
BAO §289;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
BAO §303;
BAO §307 Abs1;
LAO Krnt 1991 §215;
LAO Krnt 1991 §228 Abs1 litb;
LAO Krnt 1991 §228 Abs3;
LAO Krnt 1991 §228;
LAO Krnt 1991 §232 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die Beschwerdeführerin betreibt im Gemeindegebiet von K ein Getränkeverkaufslager, welches in die Beitragsgruppe C nach dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz einzustufen ist. Im Prüfungszeitraum 2002 bis 2006 erfolgte jedoch unstrittiger Weise irrtümlich eine Einstufung in die Beitragsgruppe, welche für Brauereien zur Anwendung kommt.

Nach einer Abgabennachschau für die Jahre 2002 bis 2006 verfügte die Stadt K mit Bescheid vom 10. Mai 2007 eine Wiederaufnahme des Verfahrens für sämtliche Prüfungsjahre. Für die Jahre 2002 bis 2004 beließ sie sowohl die jeweils zugrunde gelegten Umsätze als Bemessungsgrundlagen der Abgabenvorschreibung als auch die Einstufung der Umsätze als Umsätze aus Brauerei unter die Abgabengruppe "B" zu einem Abgabensatz von 1,7 v.T. und kam damit zu einer festgesetzten "Nachforderung 2002 - 2004" von "0,00".

Für die Jahre 2005 und 2006 dagegen gelangte die Stadt K einerseits zu deutlich höheren Umsatzannahmen als in den Abgabenerklärungen der Beschwerdeführerin und nahm andererseits eine neue Einstufung der Umsätze als "Handel u. Vertrieb von Getränken" in die Abgabengruppe "C" zu einem Abgabensatz von 0,9 v. T. für 2005 und 1,35 v.T für 2006 vor. Daraus ergaben sich die Abgabennachforderungen "2005 EUR 3.453,70" und "2006 EUR 4.790,20".

Begründend führte sie aus, für die Jahre 2005 und 2006 sei festgestellt worden, "dass die zur Bemessung der Fremdenverkehrsabgabe angegebenen Umsätze nicht der Richtigkeit entsprechen", während die "angegeben(en) bzw. erklärten Umsätze für die Jahre 2002 - 2004 … belassen und für richtig befunden" worden seien.

Auch der Prüfungsbericht der Stadt K vom 14. März 2007 begründete die Wiederaufnahme für die Jahre 2005 und 2006 damit, dass "lediglich nur die getätigten Umsätze von K, anstatt die gesamten getätigten Umsätze Kärntens erklärt wurden", während für den Prüfungszeitraum 2002 bis 2004 auf keine geändert hervorgekommenen Umsatzzahlen verwiesen wurde.

1.2. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung "gegen den Abgabenbescheid vom 10. Mai 2007 über die Festsetzung der Fremdenverkehrsabgabe für die Jahre 2002 bis 2006". Diese richte sich "dagegen, dass - im Anschluß an die erfolgte Prüfung der Gemeindeabgaben - die Festsetzung für die Jahre 2002 bis 2004 nicht richtiggestellt wurde, obwohl die falsche Abgabengruppe 'B' zur Anwendung gelangte". Die Beschwerdeführerin stelle daher "hiermit den Berufungsantrag, die Fremdenverkehrsabgabe für die Jahre 2002 bis 2004 neu festzusetzen und auch für diese Jahre des Prüfungszeitraums jenen Beitragssatz anzuwenden, welcher der tatsächlich ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit 'Handel und Vertrieb von Getränken', somit korrekterweise Abgabengruppe 'C', entspricht". Für die beitragsrechtliche Einstufung nach dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz sei die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit maßgebend. Da sich in K nur ein Verkaufslager befinde, sei somit keine Einstufung als "Brauerei" in die Beitragsgruppe B, sondern richtigerweise als "Handel und Vertrieb von Getränken" in die Beitragsgruppe C vorzunehmen.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung - unter gleichzeitiger Aufhebung des vor ihr bekämpften erstinstanzlichen Bescheides - ab. Die Abgabenbehörde habe das Verfahren hinsichtlich der Fremdenverkehrsabgabe für die Jahre 2002 bis 2006 wiederaufgenommen und für diese Jahre eine Abgabenachzahlung festgesetzt. Hinsichtlich der Jahre 2002 bis 2004 habe sich im Zuge der Nachschau keine Veränderung der in den abgeschlossenen Abgabeverfahren zu Grunde gelegten Sachverhalte ergeben. Es habe sich aber herausgestellt, dass in diesen Verfahren der Sachverhalt rechtlich fehlerhaft beurteilt worden sei, was zur Einstufung in eine für die Beschwerdeführerin nachteilige Abgabengruppe geführt habe. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die Beurteilung von Sachverhaltselementen seien jedoch - gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis des Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden, - keine Tatsachen und somit keine Wiederaufnahmegründe. Das gleiche gelte auch für das Hervorkommen von Rechtsirrtümern und für höchstgerichtliche Erkenntnisse. Die Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Abgabenbehörde sei folglich hinsichtlich der Jahre 2002 bis 2004 zu Unrecht erfolgt. Es könne daher dem Berufungsantrag auf Neufestsetzung der Fremdenverkehrsabgabe für die Jahre 2002 bis 2004 unter Anwendung des Beitragssatzes für die Tätigkeit "Handel und Vertrieb von Getränken - Abgabengruppe C" nicht entsprochen werden.

Für die Jahre 2005 und 2006 seien allerdings Abweichungen zwischen den erklärten und tatsächlich abgabepflichtigen Umsätzen als Tatsachen neu hervorgekommen. Damit liege hinsichtlich der Jahre 2005 und 2006 ein Wiederaufnahmegrund vor, und sei der nunmehr offengelegte Sachverhalt einer neuerlichen rechtlichen Beurteilung - zu Gunsten oder zu Lasten der Partei - zugänglich. Da jedoch die Abgabenfestsetzung ein einheitliches Ganzes bilde und die Abgabenbehörde in ihrem Bescheid vom 10. Mai 2007 die Fremdenverkehrsabgabe-Nachforderung für den gesamten Zeitraum 2002 bis 2006 festgesetzt habe, sei der Bescheid aufzuheben gewesen.

1.4. Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Mit der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens sei die Abgabenfestsetzung auch für die Jahre 2002 bis 2004 offen gewesen, und habe die Beschwerdeführerin daher zu Recht begehrt, die Abgabenfestsetzung auch für diese Jahre auf Basis der für die korrekte Beitragsgruppe C geltenden Sätze durchzuführen.

Der Bescheid leide zudem an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Sachlage (abgabenrelevante Geschäftstätigkeit) sei überhaupt erst im Zuge der Abgabenprüfung erhoben worden, womit für die Behörde auch diesbezüglich neue Tatsachen hervorgekommen seien. Diese neuen Tatsachen würden aber zu einer Wiederaufnahme verpflichten und hätten zu einer rechtsrichtigen Festsetzung der Fremdenverkehrsabgabe in den Jahren 2002 bis 2004 nach den für die Beitragsgruppe C geltenden Sätzen führen müssen.

Durch den angefochtenen Bescheid sei die Beschwerdeführerin daher in ihrem subjektiven Recht auf Entscheidung in der Sache und Festsetzung der Fremdenverkehrsabgabe nach der für den Getränkehandel geltenden Beitragsgruppe C für die offenen Jahre 2002 bis 2004 verletzt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

2.1. Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Tatsachen in diesem Sinne sind Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente sind keine Tatsachen. Diese Tatsachen müssen auch neu hervorkommen, das heißt es muss sich um solche Tatsachen handeln, die bereits vor Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens bestanden haben, aber erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens der Behörde bekannt geworden sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2008/15/0209 zur BAO).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, dient die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht dazu, die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung zu beseitigen. Eine neue rechtliche Würdigung eines bekannten Sachverhaltes vermittelt daher keine Berechtigung zur Wiederaufnahme von (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren nach dem Neuerungstatbestand (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, Zl. 2008/16/0012 zur Stmk LAO).

In einer nach erfolgter Wiederaufnahme des Verfahrens ergehenden neuen Sachentscheidung ist die Abgabenbehörde dann allerdings nicht an eine im früheren Verfahren vertretene Rechtsauffassung gebunden, sondern hat die nunmehr als richtig erkannte ihrem Bescheid zu Grunde zu legen (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 307 Anm. 5).

2.2. Gemäß § 232 Abs. 1 der hier noch anzuwendenden Ktn-LAO war mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Auch wenn die zitierte Gesetzesbestimmung - wie § 307 Abs. 1 BAO - die Verbindung des Wiederaufnahmebescheides mit dem neuen Sachbescheid anordnet, ist dennoch jeder dieser beiden Bescheide für sich einer Berufung zugänglich, wie auch jeder dieser Bescheide für sich der Rechtskraft teilhaftig werden kann (vgl. etwa zu § 307 Abs. 1 BAO die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2008, Zl. 2006/15/0367 sowie vom 17. November 2004, 2000/14/0142, sowie aus der Literatur Ritz, BAO4 § 307 Rz 7).

Da die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vom 8. Juni 2007 den Wiederaufnahmebescheid selbst nicht bekämpfte, sondern sich nur gegen die Festsetzung der Fremdenverkehrsabgabe für die Jahre 2002 bis 2004 wandte, war Gegenstand des Berufungsverfahrens ausschließlich die Abgabenfestsetzung. Der Wiederaufnahmebescheid selbst blieb unbekämpft und erwuchs damit in Rechtskraft.

Angesichts der rechtskräftigen Wiederaufnahme ist es unerheblich, dass im erstinstanzlichen Bescheid lediglich die verändert hervorgekommenen Umsatzzahlen der Jahre 2005 bis 2006 und nicht das Hervorkommen neuer Tatsachen über die Art der ausgeübten Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin als Wiederaufnahmegrund genannt waren, was für sich allein möglicherweise tatsächlich nur eine Wiederaufnahme der Jahre 2005 bis 2006 getragen hätte, nachdem ein Austausch von Wiederaufnahmegründen im Berufungsverfahren unzulässig wäre (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 289 E 25 ff).

Indem die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid - insoweit ohne zugrundeliegende Berufung - dennoch über die Wiederaufnahme entschieden und die eingetretene Rechtskraftwirkung damit nicht beachtet hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde gemäß § 289 Abs. 2 iVm § 323 BAO nunmehr über die Abgabenfestsetzung für alle offenen Jahre 2002 bis 2006 zu entscheiden haben.

2.3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandsersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Dezember 2012

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