VwGH 2009/17/0154

VwGH2009/17/015413.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerden des B L in K, vertreten durch Dr. Christian Böhm, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Annenstraße 10/I (Eingang St. Georgengasse 1), gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien je vom 28. November 2008,

1. Zl. UVS 03/M/26/3657/2008-1, 2. Zl. UVS 03/M/26/3653/2008-1, und 3. Zl. UVS 03/M/26/3650/2008-1, jeweils betreffend Wiedereinsetzung und Einspruch in Angelegenheiten Übertretung des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden in ihrem Spruchpunkt 1 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 3.319,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit ihren Bescheiden je vom 8. Februar 2008 wies die Behörde erster Instanz jeweils die Anträge des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt 1) und die Einsprüche gegen näher bezeichnete Strafverfügungen (Spruchpunkt 2) zurück.

Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den dagegen erhobenen Berufungen des Beschwerdeführers jeweils keine Folge und bestätigte die erstinstanzlichen Bescheide in beiden Spruchpunkten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobenen Beschwerden nach Verbindung der Beschwerdeverfahren erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass - nach dem Akteninhalt und dem Parteienvorbringen zutreffend - nur die Absprüche hinsichtlich der Anträge auf Wiedereinsetzung Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind, wie sich aus den insoweit eindeutig formulierten Beschwerdepunkten ergibt. Die Zurückweisung der Einsprüche gegen die erstinstanzlichen Strafverfügungen sind demnach vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht angefochten.

Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung in diesem Spruchpunkt in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen gleichlautend dahin begründet, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, eine Mitarbeiterin des von ihm bevollmächtigten Vertreters habe den (jeweiligen) Einspruch fristgerecht am 20. Dezember 2007 am Postamt am Bahnhof Graz nicht eingeschrieben aufgegeben und es sei zu befürchten, dass der Einspruch auf dem Postweg verloren gegangen sei. Es sei daher - so die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden weiter - zu überprüfen, ob ein minderer Grad des Versehens vorliege. Dies sei jedoch - so die weitere Bescheidbegründung zusammengefasst - zu verneinen. Auch das Berufungsvorbringen mit dem Hinweis auf den "Weihnachtsstress", könne das Verhalten (der Mitarbeiterin des bevollmächtigten Vertreters des Beschwerdeführers) nicht als minderen Grad des Versehens erkennen lassen.

Abgesehen davon, dass der Begründung des angefochtenen Bescheides nur im Zusammenhang der zitierten Rechtsprechung (jeweils) zu entnehmen ist, dass die belangte Behörde offenbar den Umstand, wonach die Einsprüche nicht eingeschrieben aufgegeben wurden, als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verhalten ansah, vermag der Verwaltungsgerichtshof dieser Beurteilung nicht zu folgen:

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0078 = VwSlg. 15.156 A/1999) ist nämlich der Umstand, dass ein an die Behörde gerichtetes (Fristen wahrendes) Schriftstück nicht "eingeschrieben" zur Post gegeben wurde, nicht als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden anzusehen, weil auch ohne diese besondere Form der Postaufgabe mit dem Einlangen des Schriftstückes bei der erstinstanzlichen Behörde gerechnet werden konnte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 29. September 2000, Zl. 99/02/0356). Das Vorbringen des Beschwerdeführers war daher - zutreffendenfalls - geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund zu bilden. Da die belangte Behörde dies nicht erkannt und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen hat, hat sie den jeweils angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen musste.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar im Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0400, ausgesprochen, dass eine Partei, die entgegen der allgemein zu erwartenden prozessualen Voraussicht eine fristgebundene Eingabe nicht "eingeschrieben" zur Post gebe, sondern lediglich in den Postkasten werfe, das Risiko auf sich nehme, den von ihr geforderten Gegenbeweis in Hinsicht auf die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe nicht erbringen zu können. In den hier zu beurteilenden Beschwerdefällen ist die belangte Behörde jedoch offenbar davon ausgegangen, dass die Einsprüche zur Post gegeben wurden, da ansonsten ihre Begründung hinsichtlich des groben Verschuldens unverständlich wäre. Überdies hätte sich die belangte Behörde - wäre sie zu dem Schluss gelangt, dass die Einsprüche nicht aufgegeben worden seien - mit der als Bescheinigungsmittel für die Aufgabe angebotenen Aussage der Rechtsanwaltsanwärterin auseinandersetzen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 13. Oktober 2009

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