VwGH 2009/17/0142

VwGH2009/17/014226.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der E AG in M, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom 22. Mai 2009, Zl. FMA-SO0001/0003-LAW/2009, betreffend Auskunftserteilung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art20 Abs3;
DSG §1 Abs1;
FMABG 2001 §14 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art20 Abs3;
DSG §1 Abs1;
FMABG 2001 §14 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in Ansehung des allein in Beschwerde gezogenen Spruchpunktes 1. aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2009, Zl. 2008/17/0151, zu verweisen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2008 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Diese Entscheidung begründete er im Wesentlichen damit, dass die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht gemessen am Zweck der Amtsverschwiegenheit im Beschwerdefall nicht ausreichend entsprochen habe.

Mit ihrem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (Ersatz)Bescheid vom 22. Mai 2009 gab die belangte Behörde mit Spruchpunkt 1. dem Antrag auf Erteilung von Auskunft vom 13. Februar 2008 hinsichtlich der Fragen 1 bis 6 und 8 bis 13 nicht Folge und beantwortete (Spruchpunkt 2.) die Fragen 7 und 14 mit "nein".

Begründend führte die belangte Behörde entscheidungswesentlich aus, die im Spruchpunkt 1. erwähnten Fragen bezögen sich auf Verfahren der FMA im Zusammenhang mit der M-Bank und der M-Limited. In dieser Causa seien - wie durch die Medienberichterstattung allgemein bekannt sei - Ermittlungen und Verfahren bei der FMA anhängig. Weiters seien Berufungsverfahren gegen Bescheide der FMA beim UVS Wien anhängig. Ebenso liefen Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes von strafbaren Handlungen in diesem Zusammenhang. Dabei habe die FMA auf Grund von Amtshilfeersuchen Unterlagen an die Staatsanwaltschaft übermittelt, weitere Amtshilfeersuchen seien nicht auszuschließen. Der weitere Lauf und Ausgang all dieser Verfahren sei derzeit noch nicht abzusehen, insbesondere sei derzeit noch nicht abzusehen, welche weiteren Ermittlungsschritte durch die belangte Behörde oder die Staatsanwaltschaft erforderlich seien. Um diesen Ermittlungsschritten nicht vorzugreifen oder sie zu gefährden, könne keine Auskunft über diese Verfahren und ihren Stand erteilt werden. Es könne auch in der Begründung dieses Bescheides nicht näher angeführt werden, um welche Verfahren es sich dabei konkret handle, bzw. welche konkreten Personen davon betroffen seien und welche (vorläufigen) Ergebnisse diese Verfahren gebracht hätten, weil dies auf eine Beantwortung der Fragen unter Verletzung des Amtsgeheimnisses hinauslaufen würde. Es stehe daher (insoweit) jedenfalls das Interesse zur Vorbereitung von Entscheidungen einer Auskunftserteilung entgegen.

Weiters sei davon auszugehen, dass auch die von den Verfahren betroffenen Personen ein berechtigtes, überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung hätten. Dieses Interesse bestehe darin, dass Dritte nicht Kenntnis von anhängigen, noch nicht rechtskräftigen Verwaltungsstrafverfahren erlangen sollten - dies auch vor dem Hintergrund, dass das erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren nicht öffentlich sei. Ein Interesse der beschwerdeführenden Partei zur Durchsetzung allfälliger Schäden vor den Zivilgerichten könne das Interesse der Parteien der Verfahren an der Geheimhaltung nicht überwiegen (es handle sich hier nicht wie im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1993, Zl. 90/10/0061, um den Schutz eines Mitbewerbers vor einem rechtswidrig agierenden Konkurrenten). Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der endgültige rechtskräftige Ausgang der Verfahren derzeit noch nicht absehbar sei und die betroffenen Personen daher ein überwiegendes berechtigtes Interesse daran hätten, dass andere Personen nicht Informationen über den Stand und Inhalt dieser Verfahren erhielten.

Weiters sei auch festzuhalten, dass es sich nicht um Fragen handle, an deren Beantwortung ein Interesse der Allgemeinheit bestehe. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zl. 90/10/0061, ein Interesse der Allgemeinheit hinsichtlich der Auskunft darüber, ob ein bestimmtes Lebensmittel als "diätetisches Lebensmittel" im Sinne des § 17 Abs. 2 LMG angemeldet sei, bejaht, weil jede Person als potentieller Konsument eines Lebensmittels ein Interesse daran haben werde, über die Qualifikation eines bestimmten Lebensmittels Bescheid zu wissen. Im Gegensatz dazu seien in der gegenständlichen Sache zwar - wie medial bekannt sei - zahlreiche Anleger betroffen, eine wesentlich größere Anzahl von Personen aus der Bevölkerung sei aber davon nicht einmal potentiell betroffen und habe daher auch kein entsprechendes Interesse an einer Auskunft über die Verfahren.

Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur anzuwendenden Rechtslage kann zunächst wieder auf das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2009, Zl. 2008/17/0151, verwiesen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung - unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgesprochen, dass die um Auskunft ersuchte Behörde zu beurteilen habe, ob und inwieweit eine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit dem Auskunftsbegehren entgegen stehe. Sie habe somit die Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien zu beurteilen. Dabei sei der Begriff "Parteien" im weitesten Sinn zu verstehen und umfasse alle Personen, die aus irgendeinem Anlass mit Behörden in Berührung kommen; als "Partei" im Sinne des Artikels 20 Abs. 3 B-VG (und auch des § 14 Abs. 2 FMAG), auf deren Interessen bei der vorzunehmenden Interessenabwägung Bedacht zu nehmen sei, sei somit auch ein vom Auskunftswerber verschiedener Dritter, der vom Auskunftsverlangen betroffen sei, anzusehen.

Die um Auskunft ersuchte Behörde treffe die Pflicht zur ausreichenden Feststellung des Sachverhaltes, der die Beurteilung der Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien ermögliche, wobei das Parteiengehör zu gewähren sei, und die Pflicht zu einer gesetzmäßigen Begründung ihrer Entscheidung.

Der Verwaltungsgerichtshof verkenne - so das zitierte Erkenntnis weiter - dabei nicht, dass die Wahrung der Amtsverschwiegenheit mit dem Erfordernis einer ausreichenden Feststellung des relevanten Sachverhaltes, im Zusammenhang mit der Gewährung des Parteiengehörs und einer gesetzmäßigen Begründung, warum das Gebot zur Amtsverschwiegenheit der Auskunftserteilung widerstreite, zu Schwierigkeiten führen könne; der Gesetzgeber habe diese Schwierigkeiten allerdings in Kauf genommen.

Um dem Zweck der Amtsverschwiegenheit zu entsprechen, dürften die Anforderungen an die Bescheidbegründung daher im vorliegenden Zusammenhang nicht überspannt werden. Insbesondere erfordere es eine gesetzmäßige Bescheidbegründung weder, dass der nach Auffassung der um Auskunft ersuchten Behörde von der Amtsverschwiegenheit betroffene Sachverhalt in der Bescheidbegründung dargelegt, noch, dass auf eine solche Art individualisiert werde, dass der geheimzuhaltende Sachverhalt aus der Bescheidbegründung mit Hilfe von dem Auskunftswerber zugänglichen Schlussfolgerungen ermittelt werden könne; derartige Anforderungen an die Begründung eines die Auskunft wegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen verweigernden Bescheides würde das Gebot der Amtsverschwiegenheit im konkreten Fall inhaltsleer machen.

Nach dem Inhalt der Begründung des (nunmehr) angefochtenen (Ersatz)Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass bei der belangten Behörde Verwaltungs(straf)verfahren anhängig sind oder waren, die von dem jeweiligen Auskunftsbegehren potenziell betroffen sein könnten. Es ist weiter nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides davon auszugehen, dass ein Teil dieser Verfahren in erster Instanz abgeschlossen wurde und nunmehr ein Rechtsmittelverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat anhängig ist. Ein weiterer Teil dieser Verfahren steht offenbar im Zusammenhang mit gerichtlichen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft.

Soweit die belangte Behörde sich in diesem Zusammenhang darauf berufen hat, einem diesbezüglichen Auskunftsverlangen stehe die "Vorbereitung einer Entscheidung" entgegen, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, welche Entscheidung in diesem Zusammenhang vorbereitet werden müsste (vgl. ähnlich bereits das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2009, Zl. 2008/17/0151). Die belangte Behörde hätte im gegebenen Zusammenhang ihrer Begründungspflicht nur dann entsprochen, wenn sie - allenfalls unter Berücksichtigung der einzelnen gestellten Auskunftsverlangen - angegeben hätte, bei welcher Behörde (oder Gericht) Verfahren anhängig seien. Allenfalls hätte die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht auch dann entsprochen, wenn sie die Behörde (oder das Gericht) genannt hätte, nach deren (dessen) Ansicht eine Auskunftserteilung aus dem Grunde der "Vorbereitung einer Entscheidung" (oder allenfalls sonstiger Gründe) nicht in Betracht käme.

Darüber hinaus geht der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass Verwaltungsstrafverfahren bei der belangten Behörde behängen, die potenziell vom Auskunftsbegehren (dem jeweiligen Auskunftsbegehren) umfasst sein können, die aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde ihre Entscheidung (auch) darauf gestützt, dass die von diesem Verfahren betroffenen Personen ein überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung hätten. (Soweit die belangte Behörde - was der Begründung des angefochtenen Bescheides gleichfalls entnommen werden könnte - sich auch hier - zusätzlich -

auf den Auskunftsverweigerungsgrund der "Vorbereitung einer Entscheidung" pauschal stützt, genügt der Hinweis auf das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2009, Zl. 2008/17/0151, mit dem ein derart pauschaler Hinweis als unzureichend angesehen worden war.)

Nun trifft es zwar zu, dass der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG 2000 der von einem Verwaltungsstrafverfahren betroffenen Partei angenommen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Zl. 2007/04/0105, mwN); im hier zu beurteilenden Beschwerdefall hat die beschwerdeführende Partei in ihrem Antrag auf Auskunftserteilung jedoch behauptet, nur die belangte Behörde verfüge über die (begehrten) Informationen, die die beschwerdeführende Partei zur Vorbereitung von zivilrechtlichen Verfahren im Zusammenhang mit dem (behauptetermassen) erlittenen Schaden benötige. Bei Zutreffen dieser Behauptungen - die belangte Behörde hat die Plausibilität (bisher) nicht in Zweifel gezogen - könnte der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall aber nicht die Ansicht der belangten Behörde teilen, wonach (generell) das Interesse der beschwerdeführenden Partei zur Durchsetzung allfälliger Schäden vor den Zivilgerichten das Interesse der Parteien der (verwaltungsstrafrechtlichen) Verfahren an der Geheimhaltung nicht überwiegen könnte.

Die hier angestellten Erwägungen gelten auch für den Fall, dass (in erster Instanz) rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren von dem gestellten Auskunftsbegehren (potenziell) erfasst wären.

Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid - die Begründung des angefochtenen Bescheides unterscheidet diesbezüglich nicht nach den einzelnen Auskunftsbegehren (so geht sie auch nicht auf den Umstand ein, dass die Frage nach dem Vorliegen von Indizien über den Umfang von Wissenserklärungen hinausgehen kann) - wegen Prävalieren der Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aus diesem Grunde aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. März 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte