Normen
31999L0093 Signatur-RL Art5 Abs1 lita;
31999L0093 Signatur-RL Art5 Abs1 litb;
GebG 1957 §10;
GebG 1957 §15 Abs1;
GebG 1957 §15;
GebG 1957 §16 Abs1 Z1;
GebG 1957 §17 Abs5;
GebG 1957 §18 Abs1;
GebG 1957 §5;
SigG 1999;
31999L0093 Signatur-RL Art5 Abs1 lita;
31999L0093 Signatur-RL Art5 Abs1 litb;
GebG 1957 §10;
GebG 1957 §15 Abs1;
GebG 1957 §15;
GebG 1957 §16 Abs1 Z1;
GebG 1957 §17 Abs5;
GebG 1957 §18 Abs1;
GebG 1957 §5;
SigG 1999;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Dem Beschwerdeverfahren liegt ein Mietvertrag über einen Büroraum zu Grunde, der am 1. Juli 2008 zwischen der mitbeteiligten OG und einem Rechtsanwalt abgeschlossen worden ist. Das Anbot auf Abschluss des Mietvertrages wurde ebenso wie die Annahmeerklärung per E-Mail mit sicherer digitaler Signatur übermittelt. Ein Ausdruck der E-Mails erfolgte durch keine der Vertragsparteien.
Mit Bescheiden vom 17. November 2008 hat das beschwerdeführende Finanzamt für dieses Rechtsgeschäft die Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG in der Höhe von 1 % von der Bemessungsgrundlage sowie die Gebühr für zwei Gleichschriften gemäß § 25 GebG festgesetzt.
Der gegen diese Bescheide von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben und die beiden erstinstanzlichen Bescheide aufgehoben. Nach der Begründung stelle ein E-Mail, das mit einer sicheren elektronischen Signatur unterfertigt worden sei, kein Papier dar. Solange das elektronisch festgehaltene Dokument nicht auf Papier ausgedruckt werde, liege daher keine Urkunde im Sinne des Gebührenrechtes vor. Zudem gebiete es die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, dass der Gesetzgeber im Gebührengesetz eine unmissverständliche Aussage darüber treffe, welche Art von Urkunden über ein Rechtsgeschäft zur Gebührenpflicht führe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde, die auch die Verwaltungsakten vorgelegt hat, haben jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Verfahren ausschließlich die Beantwortung der Frage, ob der Abschluss des Bestandvertrages durch Anbot und Annahme jeweils mittels nicht ausgedruckter E-Mails mit sicherer elektronischer Signatur gebührenpflichtig im Sinne des Gebührengesetzes ist.
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Gebührengesetzes (GebG) lauten wie folgt:
"I. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§ 1. Den Gebühren im Sinne dieses Bundesgesetzes unterliegen Schriften und Amtshandlungen nach Maßgabe der Bestimmungen im II. Abschnitte sowie Rechtsgeschäfte nach Maßgabe der Bestimmungen im III. Abschnitte.
...
§ 5. (1) Unter Papier ist jeder zur Ausfertigung stempelpflichtiger Schriften bestimmte oder verwendete Stoff zu verstehen.
...
II. Abschnitt
Feste Stempelgebühren für Schriften und Amtshandlungen
§ 10. Unter Schriften im Sinne des § 1 sind die in den Tarifbestimmungen (§ 14) angeführten Eingaben und Beilagen, amtlichen Ausfertigungen, Protokolle, Rechnungen und Zeugnisse zu verstehen.
§ 11.
....
(2) (In Kraft getreten am 1. Jänner 2002 mit der Novelle BGBl. I Nr. 144/2001) Automationsunterstützt oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebrachte Eingaben und Beilagen sowie auf die Weise ergehende Erledigungen, amtliche Ausfertigungen, Protokolle und Zeugnisse stehen schriftlichen Eingaben und Beilagen, Erledigungen, amtlichen Ausfertigungen, Protokollen und Zeugnissen gleich.
...
III. Abschnitt
Gebühren für Rechtsgeschäfte
§ 15. (1) Rechtsgeschäfte sind nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, dass in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.
(2) Als Urkunden gelten auch bei schriftlicher Annahme eines Vertragsanbotes das Annahmeschreiben. Wird die mündliche Annahme eines Vertragsanbotes beurkundet, so gilt diese Schrift als Annahmeschreiben.
...
§ 16. (1) Die Gebührenschuld entsteht, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet wird,
1. bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften,
a) wenn die Urkunde von den Vertragsteilen unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Unterzeichnung;
b) wenn die Urkunde von einem Vertragsteil unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den anderen Vertragsteil oder an dessen Vertreter oder an einen Dritten;
...
§ 17. ...
(5) Die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung heben die entstandene Gebührenschuld nicht auf."
Gemäß § 33 Tarifpost 5 Abs. 1 Z 1 GebG beträgt der Tarif für Bestandverträge (§§ 1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert im allgemeinen 1 v.H..
Den Rechtsgebühren (III. Abschnitt) unterliegen die im Tarif des § 33 GebG aufgezählten Rechtsgeschäfte. Nach § 15 Abs. 1 GebG sind solche Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde verfasst wird. Die Gebührenpflicht setzt also voraus, daß über das Rechtsgeschäft zu Beweiszwecken eine Schrift, eine (förmliche) Urkunde errichtet wird (vgl. das Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 93/16/0014). Ist der Inhalt der Schrift geeignet, über ein abgeschlossenes Rechtsgeschäft Beweis zu machen, wird die Gebührenpflicht ausgelöst (vgl. das Erkenntnis vom 25. Jänner 2007, Zl. 2006/16/0163, mwN).
Nicht die Beurkundung, sondern das Rechtsgeschäft selbst ist Gegenstand der Abgabenerhebung. Die Urkunde ist nur "steuertechnisches Hilfsmittel, um die tatsächliche Erfassung der Rechtsgeschäfte ohne zu große Weiterungen für das Wirtschaftsleben und Schwierigkeiten für die Verwaltung zu ermöglichen" (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 4. Oktober 1997, B 1152/96, VfSlG 14948, unter Hinweis auf die EB der RV zur Novelle 1981, 549 BlgNR 15.GP, 7).
Während das GebG den Begriff der - gebührenpflichtigen - "Schrift" (§ 10 GebG) für den II. Abschnitt ("Feste Stempelgebühren für Schriften und Amtshandlungen") näher umschreibt, finden sich im III. Abschnitt ("Gebühren für Rechtsgeschäfte") keine Anhaltspunkte für eine Definition des dort zentralen Begriffes der "Urkunde", deren Errichtung Bedingung für das Entstehen der Rechtsgeschäftsgebühr ist. Der zitierten Rechtsprechung zufolge (vgl. das Erkenntnis vom 18. November 1993) entspricht für den Anwendungsbereich der Bestimmungen des III. Abschnittes der Begriff der "Schrift" jenem der (förmlichen) Urkunde.
Dies wiederum führt im Beschwerdefall, in dem zwar Schriftliches, aber keine Urkunde (Schrift) im herkömmlichen Sinne vorliegt, zur Frage, worauf die Schrift gesetzt sein muss bzw. woraus die Urkunde bestehen soll. Darüber gibt der im I. Abschnitt ("Allgemeine Bestimmungen") erläuterte Begriff des "Papiers" (§ 5 GebG) Auskunft, der sich zwar auf jeden zur Ausfertigung stempelpflichtiger Schriften bestimmten oder verwendeten Stoff bezieht, somit nach dem Wortlaut auf die Bestimmungen des II. Abschnittes; er ist aber insofern auch auf den III. Abschnitt übertragbar, als sich diese Definition in den "Allgemeinen Bestimmungen" findet und im III. Abschnitt nichts Abweichendes geregelt ist.
Davon ausgehend steht einer Anwendung dieses "Papierbegriffes" auch auf die Gebührenpflicht von Rechtsgeschäften (III. Abschnitt) nichts entgegen. Papier ist demnach jeder "Stoff", der eine "Schrift" zu tragen geeignet ist. Ist ein - gebührenrechtlich relevantes - Rechtsgeschäft in Schriftform auf einem "Stoff" verfasst, liegt eine Urkunde vor, die wiederum Bedingung für die Gebührenpflicht ist. Als Stoff kann jedenfalls ein Bildschirm dienen, auf dem ein E-Mail (Schrift, Urkunde) lesbar gemacht werden kann. Durch die Möglichkeit, die Daten eines E-Mails zu speichern, wird auch dem der Beurkundung innewohnenden Zweck der Schaffung eines Beweismittels entsprochen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 25. Jänner 2007). Eine Löschung der Daten hebt die einmal entstandene Gebührenpflicht nicht auf (vgl. § 17 Abs. 5 GebG, wonach dies für die Vernichtung der Urkunde gilt).
Einer eigenen Regelung für die Gebührenpflicht für Sachverhalte wie dem vorliegenden bedurfte es - anders als in § 11 Abs. 2 GebG für die Vorschreibung fester Stempelgebühren für Schriften und Amtshandlungen (II. Abschnitt ) - nicht, weil - wie gezeigt wurde - schon die bestehenden Vorschriften auch diese Fälle umfassen.
Als weitere Voraussetzung für die Gebührenpflicht sieht das GebG die Unterzeichnung der Urkunde vor (§ 16 Abs. 1 Z 1 lit.a GebG). Im Beschwerdefall liegt unstrittig eine sichere digitale Signatur vor, von der sich die Frage stellt, ob sie einer "Unterzeichnung" gleichzuhalten ist.
Die maßgebenden Bestimmungen des Signaturgesetzes (SigG) lauten:
"§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten
1. elektronische Signatur: elektronische Daten, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder mit diesen logisch verknüpft werden und die der Authentifizierung dienen;
2. Signator: eine Person oder eine sonstige rechtsfähige Einrichtung, der Signaturerstellungsdaten und Signaturprüfdaten zugeordnet sind und die im eigenen oder fremden Namen eine elektronische Signatur erstellt;
3. fortgeschrittene elektronische Signatur: eine elektronische Signatur, die
- a) ausschließlich dem Signator zugeordnet ist,
- b) die Identifizierung des Signators ermöglicht,
- c) mit Mitteln erstellt wird, die der Signator unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann, sowie
d) mit den Daten, auf die sie sich bezieht, so verknüpft ist, dass jede nachträgliche Veränderung der Daten festgestellt werden kann;
...
§ 3. (1) Im Rechts- und Geschäftsverkehr können Signaturverfahren mit unterschiedlichen Sicherheitsstufen und unterschiedlichen Zertifikatsklassen verwendet werden.
(2) Die rechtliche Wirksamkeit einer elektronischen Signatur und deren Verwendung als Beweismittel können nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil die elektronische Signatur nur in elektronischer Form vorliegt, weil sie nicht auf einem qualifizierten Zertifikat oder nicht auf einem von einem akkreditierten ZDA ausgestellten qualifizierten Zertifikat beruht oder weil sie nicht unter Verwendung von technischen Komponenten und Verfahren im Sinne des § 18 erstellt wurde.
§ 4. (1) Eine qualifizierte elektronische Signatur erfüllt das rechtliche Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift, insbesondere der Schriftlichkeit im Sinne des § 886 ABGB, sofern durch Gesetz oder Parteienvereinbarung nicht anderes bestimmt ist.
...
(3) Die Bestimmung des § 294 ZPO über die Vermutung der Echtheit des Inhalts einer unterschriebenen Privaturkunde ist auf elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, anzuwenden.
...
§ 29. Mit diesem Bundesgesetz wird die Richtlinie 99/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. L Nr. 13 vom 19. Jänner 2000, S 12, umgesetzt."
In der zuletzt genannten Richtlinie heißt es in Art. 5 Abs. 1 lit. a und b unter anderem, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass fortgeschrittene elektronische Signaturen, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruhen und die von einer sicheren Signaturerstellungseinheit erstellt werden, die rechtlichen Anforderungen an eine Unterschrift in Bezug auf in elektronischer Form vorliegende Daten in gleicher Weise erfüllen wie handschriftliche Unterschriften in Bezug auf Daten, die auf Papier vorliegen, und im Gerichtsverfahren als Beweismittel zugelassen sind.
Gemäß § 18 Abs. 1 GebG steht der handschriftlichen Unterzeichnung durch den Aussteller die Unterschrift gleich, die von ihm oder in seinem Auftrag, oder mit seinem Einverständnis mechanisch oder in jeder anderen technisch möglichen Weise hergestellt oder mit Namenszeichnung vollzogen wird.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann das Beisetzen einer sicheren elektronischen Signatur im Sinne des SigG insbesondere unter Bedachtnahme auf die zitierte Bestimmung der Richtlinie 99/93/EG nur dahin verstanden werden, dass die elektronische Signatur der händischen Unterschrift gleich gesetzt ist.
Nach dem Gesagten ist bereits aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmungen erschließbar, dass auch der vorliegende Sachverhalt unter den Tatbestand des § 33 TP 5 Z 1 GebG fällt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.
Wien, am 16. Dezember 2010
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