VwGH 2009/16/0086

VwGH2009/16/008621.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer, LL.M., über die Beschwerde der HF in B, vertreten durch Dr. Herbert Greiml, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Gartengasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Graz) vom 24. November 2005, Zl. RV/0574-G/05, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §18;
BAO §80;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §18;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war handelsrechtliche Geschäftsführerin der in Deutschland ansässigen R GmbH, welche Reisen (insbesondere in Verbindung mit Verkaufsveranstaltungen in Österreich) durchführte. Die R GmbH gab in Österreich weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Jahreserklärungen ab. Nach Durchführung einer Buch- und Betriebsprüfung, bei welcher die Umsätze geschätzt wurden, setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom 18. Dezember 2002 die Umsatzsteuer für die R GmbH für die Jahre 1999 bis 2001 fest.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Mai 2004 als unbegründet abgewiesen.

Nachdem die R GmbH 2003 zahlungsunfähig wurde, nahm das Finanzamt Graz-Stadt mit Haftungsbescheid vom 12. Oktober 2004 die Beschwerdeführerin für die Umsatzsteuerschuld der R GmbH in Höhe von EUR 618.569,73 in Anspruch.

Mit Schreiben vom 12. November 2004 erhob ein deutscher Rechtsanwalt namens der Beschwerdeführerin gegen den "Haftungsbescheid vom 12.10.2004" Berufung, ohne jedoch ein weiteres Vorbringen zu erstatten.

Mit Schreiben vom 7. April 2005 forderte das Finanzamt Graz-Stadt die Beschwerdeführerin auf, der Berufung anhaftende Mängel zu beheben.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 führte die inzwischen durch einen anderen deutschen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin ergänzend aus, sie bekämpfe sowohl den Umstand, dass sie als Haftungspflichtige in Anspruch genommen werde, als auch den Umfang der Inanspruchnahme. Der Haftungsbetrag sei für sie nicht nachvollziehbar. Sie beantrage, den Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Die Beschwerdeführerin sei zwar über 10 Jahre die im Handelsregister eingetragene Geschäftsführerin der R GmbH gewesen, habe aber darauf vertraut, dass die Gesellschafter bzw. der faktische Geschäftsführer Mario K alle gesetzlichen Verpflichtungen einhalten würden. Mangels kaufmännischer Kompetenz und faktischer Eingriffsmöglichkeiten habe die Beschwerdeführerin keine Möglichkeiten gehabt, auf den Geschäftsverkehr Einfluss zu nehmen. Ungeachtet einer formalrechtlichen Verantwortlichkeit gebiete eine rechtmäßige Ausübung des Auswahlermessens, vorrangig solche Personen als Haftungspflichtige in Anspruch zu nehmen, welche die tatsächliche Verantwortung für das Tagesgeschäft gehabt hätten. Das sei bei der Beschwerdeführerin nicht einmal ansatzweise der Fall gewesen.

In einem weiteren Schriftsatz vom 20. September 2005 wandte sich die Beschwerdeführerin überdies gegen die von der Betriebsprüfung vorgenommene Schätzung der Umsätze der R GmbH.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Haftungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Vorbringen selbst ihr haftungsbegründendes Verschulden aufgezeigt. Es sei ihr als schuldhaft anzulasten, dass sie die Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin überhaupt angenommen habe, obwohl es ihr an der fachlichen Eignung gemangelt habe.

Die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin zur Haftung sei im Beschwerdefall zweckmäßig, um zumindest einen Teil des Abgabenrückstandes der R GmbH zu begleichen. Es liege im Ermessen des Finanzamtes, alle oder auch nur einzelne Personen, die eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zu verantworten hätten, zur Haftung heranzuziehen. Eine Ausnahme bestehe nur in jenen Fällen, in denen eine Aufteilung der Agenden der Gesellschaft zwischen mehreren handelsrechtlichen Geschäftsführern getroffen worden sei. Das gelte aber nicht bei Wahrnehmung der Agenden der Gesellschaft durch einen faktischen Geschäftsführer, während sich der handelsrechtliche Geschäftsführer bezüglich seiner Funktion in Untätigkeit übe. In einem solchen Fall könne der handelsrechtliche Geschäftsführer zuerst zur Haftung herangezogen werden, weil dieser allein die rechtliche Verantwortung gehabt habe. Dass das Finanzamt möglicherweise noch andere Personen zur Haftung heranziehe, hindere nicht die Inanspruchnahme eines handelsrechtlichen Geschäftsführers. Das Finanzamt habe mit der alleinigen Heranziehung der Beschwerdeführerin "als völlig sorglosen Geschäftsführer" sein Ermessen richtig ausgeübt.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den Abgabenbescheiden sei im vorliegenden Verfahren ohne Belang. Ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit der der Haftung zu Grunde liegenden Umsatzsteuerbescheide hätte die Beschwerdeführerin geltend machen können, indem sie innerhalb der Frist für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid auch gegen die Umsatzsteuerbescheide berufen hätte bzw. innerhalb dieser Frist die Mitteilung des ihr noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches beantragt und danach fristgerecht gegen die Umsatzsteuerbescheide berufen hätte. Da dies nicht geschehen sei, sei der Haftung die festgesetzte Umsatzsteuer zu Grunde zu legen. Angemerkt werde, dass die von der R GmbH gegen die Umsatzsteuerbescheide erhobene Berufung erfolglos geblieben sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Sie erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid - immerhin erkennbar - in ihrem Recht, nicht zur Haftung für Abgaben der R GmbH herangezogen zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerde, die Abgabenbehörde hätte bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen, dass sie lediglich die handelsrechtliche Geschäftsführerin, Mario K aber der faktische Geschäftsführer der R GmbH gewesen sei. Da dieser sämtliche kaufmännische Agenden, auch jene in Österreich, besorgt habe, hätte er in Anspruch genommen werden müssen.

Für Abgabenschuldigkeiten einer GmbH sind zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO die in § 80 BAO angesprochenen Vertreter einer GmbH heranzuziehen. Gemäß § 35 deutsches GmbHG (§ 18 GmbHG) vertreten die Geschäftsführer die GmbH. Nicht zum Geschäftsführer bestellte oder dazu bevollmächtigte so genannte "faktische Geschäftsführer" werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern iSd § 80 BAO (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 2008, Zl. 2005/13/0074 und Zl. 2005/13/0084). Der bloße Umstand, dass nicht die Beschwerdeführerin, sondern Mario K faktisch die Geschäfte geführt hat, bewirkt somit noch nicht, dass dieser zusätzlich oder an deren Stelle zur Haftung heranzuziehen wäre.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, sie habe in ihrer Berufung gegen den Haftungsbescheid auch die "Unrechtmäßigkeit der bezughabenden Umsatzsteuerbescheide bekämpft". Auch wenn sie keine eigene Berufung nach § 248 BAO erhoben habe, hätte die belangten Behörde ihr Vorbringen auch als Berufung gegen die genannten Umsatzsteuerbescheide zu werten gehabt oder die Beschwerdeführerin im Rahmen der Manuduktionspflicht anleiten müssen, ihre Berufung zu konkretisieren. Die Beschwerdeführerin habe als deutsche Staatsbürgerin die Bestimmung des § 248 BAO, welche im deutschen Steuerrecht keine Entsprechung habe, nicht gekannt.

Nach § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Eine solche Berufung hat die Beschwerdeführerin aber unzweifelhaft nicht erhoben. Auf Vorhalt des Finanzamtes hatte der damalige Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 9. Mai 2005 ausdrücklich erklärt, dass sich die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Haftungsbescheid richte. Dass die Beschwerdeführerin auch gegen die Abgabenvorschreibung gegenüber der Primärschuldnerin Berufung hätte erheben wollen, ist aus diesem - einzigen die Berufung präzisierenden - Schreiben nicht erkennbar (vgl. zur Beurteilung von Anbringen der Partei die bei Ritz, BAO3, Tz 1 zu § 85 angeführte hg. Rechtsprechung). Bereits auf Grund des Umstandes, das die Beschwerdeführerin durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten war, war die Abgabenbehörde auch nicht zu deren Rechtsbelehrung (§ 113 BAO) verpflichtet. Auf die Kenntnis der Bestimmung des § 248 BAO durch den Parteienvertreter kommt es dabei nicht an.

Schon daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin dadurch, dass mit dem angefochtenen Bescheid ausschließlich über deren Haftungsinanspruchnahme, nicht aber auch über den Abgabenanspruch gegenüber der R GmbH abgesprochen wurde, nicht in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, dem nicht entgegensteht, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. September 2009

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