Normen
KStG 1988 §9 Abs1 idF 2004/I/057;
KStG 1988 §9 Abs10 idF 2004/I/057;
KStG 1988 §9 idF 2004/I/057;
UmgrStG 1991 §4;
UmgrStG 1991 Art1;
KStG 1988 §9 Abs1 idF 2004/I/057;
KStG 1988 §9 Abs10 idF 2004/I/057;
KStG 1988 §9 idF 2004/I/057;
UmgrStG 1991 §4;
UmgrStG 1991 Art1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. Juli 2006 hat das Finanzamt antragsgemäß das Bestehen einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 Abs. 8 KStG 1988 mit der Beschwerdeführerin, der X AG, als Gruppenträger und ihrer 100%igen Tochter, der Y Handelsgesellschaft m.b.H., als einzigem Gruppenmitglied ab der Veranlagung 2006 festgestellt. Bilanzstichtag beider Unternehmen ist jeweils der 31. März.
Mit Verschmelzungsvertrag vom 22. März 2007 wurde die Y Handelsgesellschaft m.b.H. zum Stichtag 31. Dezember 2006 auf die X AG unter Inanspruchnahme der Begünstigungen des Art. I UmgrStG verschmolzen. Am 29. März 2007 wurde die Verschmelzung verbunden mit der Löschung der Y Handelsgesellschaft m.b.H. im Firmenbuch eingetragen.
Das Finanzamt sah infolgedessen die in § 9 Abs. 10 KStG 1988 statuierte Mindestdauer von drei Jahren für das Bestehen einer Gruppe als nicht erfüllt an und erklärte die Gruppe mit Bescheid vom 4. Februar 2009 gemäß § 295a BAO rückwirkend ab der Veranlagung 2006 als beendet; Gruppenträger und Gruppenmitglied seien ab 2006 wieder gesondert zu veranlagen.
Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin mit Berufung und nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung mit Vorlageantrag. Begründend führte sie aus, die Mindestbehaltefrist des § 9 Abs. 10 KStG 1988 sei im Falle einer Verschmelzung von Gruppenmitgliedern nicht zu beachten, weil dies mit Sinn und Zweck der Rechtsvorschrift nicht vereinbar sei. Die Gesetzesmaterialien zeigten, dass Sinn und Zweck der Mindestbestandsdauer des § 9 Abs. 10 KStG 1988 darin bestünden, "unerwünschte Gestaltungen hintan zu halten". Wenn somit diese Vorschrift eine Schranke zur Verhinderung von kurzfristigen Steuergestaltungen darstellen solle, könne sie konsequenterweise nicht zur Anwendung gelangen, wenn durch eine Verschmelzung der Gruppenmitglieder das mit der Unternehmensgruppe verfolgte Ziel einer Ertragskonsolidierung nicht beendet, sondern vielmehr verstärkt werde. Eine Verschmelzung von Gruppenmitgliedern intensiviere die Konsolidierung von ertragsteuerlichen Gewinnen und Verlusten innerhalb einer Unternehmensgruppe im Sinne des § 9 KStG 1988 zu einem Anfall der Gewinne und Verluste bei einem neuen Zurechnungssubjekt, das aus der Verschmelzung hervorgehe. Nach einer Verschmelzung würden die Effekte einer Unternehmensgruppe nur noch verstärkt bzw. vollendet. Eine Verschmelzung zwischen Gruppenmitgliedern könne daher keinesfalls als "unerwünschte Gestaltung" zur willkürlichen Verlustverlagerung gewertet werden und somit auch nicht zu einer Rückabwicklung einer Unternehmensgruppe führen.
Den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung, bei einer Verschmelzung könnten Verluste unter Umständen nicht auf die übernehmende Körperschaft übergehen und die übernehmende Körperschaft könne die Vortragsfähigkeit ihrer eigenen Verluste verlieren, während bei der Gruppenbesteuerung Verluste auch bei fehlender Betriebseigenschaft mit dem Gruppenergebnis verrechnet werden könnten, sodass die Regelung sehr wohl dem Gesetzeszweck, "unerwünschte Gestaltungsmöglichkeiten hintan zu halten" entspreche, hielt die Beschwerdeführerin entgegen, das Finanzamt ziehe aus der an sich zutreffenden Feststellung einen falschen Schluss. Wenn sich die beteiligten Körperschaften bei einer Verschmelzung aufgrund des eventuellen Untergangs von steuerlichen Verlusten schlechter stellen könnten, als bei einer Gruppenbesteuerung, könne eine Verschmelzung keine unerwünschte Gestaltungsmöglichkeit im Sinne der Gesetzesmaterialien sein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend verwies sie auf § 9 Abs. 10 KStG 1988. Nach dem unzweifelhaften Gesetzeswortlaut müsse eine Unternehmensgruppe für einen Zeitraum von mindestens drei Wirtschaftsjahren bestehen. Ein Wirtschaftsjahr habe hiebei einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten zu umfassen und eine Unternehmensgruppe sohin mindestens 36 Monate zu bestehen, um die Zurechnung der Ergebnisse der Gruppenmitglieder zum Gruppenträger auf Dauer zu gewährleisten. Ausnahmen von der Mindestbestandsdauer sehe das Gesetz nicht vor.
Mit der Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften nach Art. I UmgrStG gehe das Vermögen der übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über; die übernehmende Gesellschaft trete in die Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft ein. Mit der Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch sei die übertragende Gesellschaft aufgelöst und beendet. Die Verschmelzung des einzigen Gruppenmitgliedes mit dem Gruppenträger ziehe damit die Beendigung der Gruppe nach sich. Sei dabei die in § 9 Abs. 10 KStG 1988 normierte Drei-Jahres-Frist nicht erfüllt, komme es unter Erlassung eines entsprechend geänderten Feststellungsbescheides zur Rückabwicklung der Wirkungen der Gruppenbesteuerung und somit zu einer Rückverrechnung der während des aufrechten Bestands der Gruppe von den Gruppenmitgliedern an den Gruppenträger zugerechneten Ergebnisse.
Hierfür spreche neben dem klaren Wortlaut des § 9 Abs. 10 KStG 1988 auch § 9 Abs. 5 letzter Satz, der normiere, dass bei Vermögensübertragungen innerhalb der Gruppe die "finanzielle Verbundenheit in der Gruppe" aufrecht bleibe. Zudem setze eine Gruppe tatbestandsmäßig zwei oder mehr Teilnehmer voraus, was bei der Verschmelzung der einzigen bzw. letzten beiden Teilnehmer nicht erfüllt sei.
Entgegen der von der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf Beiser (SWK 22/2008, S 594) eingewendeten Sichtweise könne die belangte Behörde im Hinblick auf die gegebene Fallkonstellation auch keine Notwendigkeit für die geforderte Interpretation des Gesetzeswortlautes im Wege der teleologischen Reduktion erkennen. Die teleologische Reduktion sei dann notwendig, wenn das Gesetz "zu viel geregelt habe", also vom Wortlaut Fälle erfasst würden, die dem Sinn nach nicht erfasst sein sollten. Bei der teleologischen Reduktion werde daher eine im Gesetz enthaltene, aber zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Zweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt.
Der Gesetzeswortlaut fordere eine dreijährige Bestandsdauer einer Unternehmensgruppe, ohne eine Ausnahme hievon vorzusehen. Auch aus den Gesetzesmaterialien lasse sich keine Absicht des Gesetzgebers erkennen, Ausnahmen von der Mindestbestandsdauer vorzusehen bzw. die Bestimmung des § 9 Abs. 10 KStG 1988 nur dann zur Anwendung kommen zu lassen, wenn im konkreten Fall tatsächlich eine "unerwünschte Gestaltung" vorliege, zumal die BAO ohnedies ein entsprechendes Instrumentarium für die Nichtanerkennung missbräuchlicher Gestaltungen vorsehe. Vielmehr werde eine Mindestdauer statuiert, um damit "unerwünschte Gestaltungen" jedweder Art von vornherein hintan zu halten. Gerade im Hinblick auf die durch die Gruppenbesteuerung eröffneten steuerlichen Möglichkeiten und den dadurch auch verursachten Verwaltungsaufwand erscheine das Erfordernis einer solchen Mindestbestandsdauer auch nicht unsachlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Verschmelzung des einzigen Gruppenmitgliedes mit dem Gruppenträger nach Art. I UmgrStG vor Erreichen der Dreijahresfrist des § 9 Abs. 10 KStG 1988 zur Rückabwicklung der Wirkungen der Gruppenbesteuerung führt.
§ 9 Abs. 10 KStG 1988 lautet seit Einführung der Gruppenbesteuerung mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, unverändert:
"Die Unternehmensgruppe muss für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren bestehen. Dabei gilt Folgendes:
- Die Mindestdauer ist nur erfüllt, wenn das steuerlich maßgebende Ergebnis von drei jeweils zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahren in Sinne des Abs. 6 zugerechnet wird.
- Die Regelung über die Mindestdauer gilt im Falle des nachträglichen Eintritts einer weiteren Körperschaft (Abs. 2) in eine bestehende Unternehmensgruppe für die eintretende Körperschaft.
- Scheidet eine Körperschaft innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt aus der Unternehmensgruppe aus, sind insoweit im Wege der Veranlagung oder der Wiederaufnahme des Verfahrens jene steuerlich maßgebenden Verhältnisse herzustellen, die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten."
Zu § 9 Abs. 10 KStG 1988 wird in den Gesetzesmaterialien des Steuerreformgesetzes 2005 (ErlRV 451 BlgNr. XXII. GP) erläuternd ausgeführt:
"Um unerwünschte Gestaltungen hintan zu halten, sollen die steuerlichen Wirkungen der Gruppenbildung bleibend nur dann gegeben sein, wenn diese durch einen Zeitraum von drei - insgesamt sechsunddreissig Monate umfassende - Wirtschaftsjahre durch Ergebniszurechnung wirksam wird. Sollte ein Gruppenmitglied sein Wirtschaftsjahr vor Ablauf des dritten vollen Wirtschaftsjahres ändern, sodass ein Rumpfwirtschaftsjahr entsteht, verlängert sich die Mindestdauer solange, bis ein drittes volles Wirtschaftsjahr in die Zurechnung zur beteiligten Körperschaft und damit letztlich zum Gruppenträger fällt. Dabei ist jedes einzelne in der Gruppe bestehende Zurechnungsverhältnis für sich zu betrachten. Scheidet also die Enkelgesellschaft in einer aus drei Körperschaften bestehenden Gruppe vor Ablauf der Dreijahresfrist aus der Gruppe aus, ist hinsichtlich dieses Mitgliedes die Rückabwicklung der in Vorjahren zugerechneten steuerlichen Ergebnisse durchzuführen. Der Bestand der Gruppe zwischen der verbleibenden Mutter- und Tochtergesellschaft wird davon bei rechtzeitiger Antragstellung (Abs. 9) nicht berührt, wohl aber ändert sich das Gesamtergebnis der Gruppe, das um die bisher darin enthaltenen Enkelergebnisse zu bereinigen ist. Scheidet die Zwischengesellschaft aus, kann zwischen ihr und ihrer Tochtergesellschaft gegebenenfalls die Gruppe weiterlaufen. Die Berechnung der Dreijahresfrist hat für jedes einzelne Gruppenmitglied ausgehend von dem ersten Wirtschaftsjahr zu erfolgen, in dem sein Ergebnis seinem unmittelbaren Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger zugerechnet wurde. Bei Ausscheiden nach Ablauf der Dreijahresfrist verbleiben die bis zum Austritt zuzurechnenden Ergebnisse des ausscheidenden Gruppenmitglieds - von der möglichen Nachversteuerung ausländischer Verluste abgesehen - bei der Gruppe."
Das Rechtsinstitut der Unternehmensgruppe soll - so schon die Erläuterungen zu § 9 Abs. 1 KStG 1988 - "das Zusammenfassen der steuerlichen Ergebnisse finanziell verbundener Körperschaften bei einem Gruppenträger ohne Verschmelzungen und ohne die Hemmnisse des Erfordernisses einer wirtschaftlichen und organisatorischen Unter-/Überordnung dieser Körperschaften ermöglich(en)". Im Gegensatz zur Verschmelzung ist die gemeinsame steuerliche Erfassung dabei jedoch nicht von der Aufgabe der eigenen Rechtssubjektivität der beteiligten Körperschaften abhängig. Vielmehr bilden alle Gruppenmitglieder mit dem Gruppenträger lediglich einen einheitlichen Zurechnungskreis beim Gruppenträger.
Die Vorteile der Unternehmensgruppe werden jedoch an verschiedene Voraussetzungen gebunden. Eine Voraussetzung ist dabei das dreijährige Bestehen der Unternehmensgruppe gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988. Scheidet eine Körperschaft innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt aus der Unternehmensgruppe aus, sind insoweit jene steuerlich maßgebenden Verhältnisse herzustellen, die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten.
Die Mindestbestandsdauer von drei Jahren gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988 soll eine Schranke gegen die Nutzung der Gruppenbesteuerung für kurzfristige Steuergestaltungen bilden, nachdem mit einer Gruppenbildung steuerliche Zurechnungsverschiebungen zwischen eigenständigen Steuersubjekten und damit beispielsweise kurzfristige Verlustverlagerungen möglich sind. Ausnahmen von der Mindestbestandsdauer kennt das Gesetz nicht.
Verschmilzt das einzige Gruppenmitglied mit dem Gruppenträger nach Art. I UmgrStG, wird die Gruppe damit beendet, weil jede Gruppe im Sinne des § 9 KStG 1988 einen Gruppenträger und zumindest ein Gruppenmitglied aufweisen muss. Erfolgt diese Beendigung vor Erreichen der Mindestbestandsdauer von drei Jahren, ist mit ihr auch die Rückverrechnung des während des aufrechten Bestands der Gruppe vom Gruppenmitglied an den Gruppenträger zugerechneten Ergebnisses nach § 9 Abs. 10 Teilstrich 3 KStG 1988 verbunden.
Wenn die Beschwerde demgegenüber darauf hinweist, dass nach einer Verschmelzung "die Effekte einer Unternehmensgruppe nur noch verstärkt bzw. vollendet" würden und kurzfristige Steuergestaltungen daher nicht zu befürchten seien (vgl. schon Beiser, SWK 2008, S 594), ist demgegenüber auf den Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 10 KStG 1988 zu verweisen (ebenso Urtz, in Achatz/Kirchmayr, KStG § 9 Rz 592).
Gegen die von Beiser, aaO, vorgeschlagene teleologische Reduktion spricht, dass kurzfristige Gruppenbildungen und nachfolgende Verschmelzungen entgegen der Absicht des Gesetzgebers durchaus steuerplanerisch genützt werden könnten, weil beispielsweise die Verlustberücksichtigung bei einer Verschmelzung an andere Voraussetzungen geknüpft ist als die Ergebniszurechnung im Rahmen einer Gruppe (vgl. § 4 UmgrStG). Die Verhinderung von Steuergestaltungen über kurzfristige Gruppenbildungen war aber gerade das in den Erläuterungen zu § 9 Abs. 10 KStG 1988 betonte Ziel des Gesetzgebers bei der unbedingten Normierung der Mindestbestandsdauer von drei Jahren.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandsersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 18. Oktober 2012
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)