VwGH 2009/13/0150

VwGH2009/13/015030.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Mag. Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hegergasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 14. Oktober 2008, Zl. RV/1946-W/08, miterledigt RV/1948-W/08, betreffend Umsatzsteuer 2002, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §184;
BAO §184;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt setzte mit drei Bescheiden vom 1. Oktober 2002 die vom Beschwerdeführer für die Voranmeldungszeiträume Jänner bis Juni, Juli und August 2002 zu entrichtende Umsatzsteuer fest. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom 9., 12. und 10. Oktober 2002 Berufung. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 führte das Finanzamt die Veranlagung zur Umsatzsteuer 2002 durch, wogegen der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2003 ebenfalls Berufung erhob.

Mit Berufungsentscheidung vom 29. März 2004 wies die belangte Behörde u.a. die Berufungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für Jänner bis August 2002 zurück, weil diese Bescheide durch die inzwischen erfolgte Erlassung des Jahresbescheides 2002 vom 1. Oktober 2003 aus dem Rechtsbestand ausgeschieden seien. Der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2002 gab die belangte Behörde mit Berufungsentscheidung vom 16. Dezember 2005 teilweise Folge; sie änderte den Bescheid des Finanzamtes dahingehend ab, dass die Umsatzsteuerzahllast 980 EUR zu betragen habe.

Gegen die Bescheide vom 29. März 2004 und vom 16. Dezember 2005 brachte der Beschwerdeführer Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2004/13/0124, den Bescheid vom 29. März 2004 insoweit, als damit die Berufungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide Jänner bis August 2002 zurückgewiesen worden waren, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Die belangte Behörde habe nicht beachtet, dass gemäß § 274 BAO in der gegenständlich bereits anzuwendenden Fassung nach dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, der Umsatzsteuerjahresbescheid an die Stelle der Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide getreten sei und dass daher die Berufungen gegen die erstinstanzlichen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide auch als gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid gerichtet gelten. Mit hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2006/13/0102, wurde zudem der Bescheid vom 16. Dezember 2005 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil der mit Erkenntnis 2004/13/0124 erfolgten Bescheidaufhebung gemäß § 42 Abs. 3 VwGG ex tunc-Wirkung zukomme, sodass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten sei, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Bei Erlassung des Bescheides vom 16. Dezember 2005 hätten daher ex post betrachtet auch die ursprünglich gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide erhobenen Berufungen existiert, die im Sinn des Erkenntnisses 2004/13/0124 ab Erlassung des erstinstanzlichen Jahresbescheides betreffend die Umsatzsteuer für das Jahr 2002 als gegen diesen Bescheid gerichtet galten. Dies habe die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides verkannt, was ihn mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet habe.

Mit dem hier angefochtenen - im fortgesetzten Verfahren ergangenen - Bescheid gab die belangte Behörde den ursprünglich gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide gerichteten Berufungen und der gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid gerichteten Berufung - die sie als Ergänzung zu den Berufungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide wertete - teilweise statt. Wie in der Berufungsentscheidung vom 16. Dezember 2005, die mit Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2006/13/0102, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben worden war, änderte die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes dahingehend ab, dass die Umsatzsteuerzahllast 980 EUR zu betragen habe, und vertrat die Auffassung, dass ein Gewerbebetrieb "Buchherstellung ohne Vertrieb an Dritte" und eine "sog. kleine Vermietung" das Unternehmen des Beschwerdeführers bildeten. Die Geschäfte des Beschwerdeführers mit der Übertragung, Rückübertragung oder neuerlichen Übertragung von Rechten wertete die belangte Behörde - wie in den Jahren zuvor - als absolute Scheingeschäfte. In Bezug auf die Vermietung ging sie - wie in den Vorjahren - davon aus, dass ein dem Beschwerdeführer von der Mieterin AF mit Beginn des Mietverhältnisses gewährtes zinsenloses Darlehen in Höhe von 500.000 S (rückzahlbar bei Beendigung des Mietverhältnisses) dergestalt zu berücksichtigen sei, dass der beim Beschwerdeführer eintretende "Zinsnutzen" - die belangte Behörde spricht von "freiwilligem Mietentgelt", welches sie mit 2.180 EUR schätzt - seine Einnahmen entsprechend erhöhe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde ist nach umfangreichen Erhebungen - die in der mit hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2006/13/0102, aufgehobenen Berufungsentscheidung vom 16. Dezember 2005 im Detail dargestellt worden waren - zu der Auffassung gelangt, "dass in rechtserheblicher Hinsicht ein Sachverhalt anzunehmen ist, wie er für die Umsatzsteuer für die Jahre 2000 und 2001 festgestellt und vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 4.6.2008, 2004/13/0124, als nicht rechtswidrig erkannt wurde". Im Hinblick darauf hat sie die Bemessungsgrundlagen für die Umsatzsteuerveranlagung 2002 (teilweise) im Wege der Schätzung ermittelt.

Der Beschwerdeführer rügt, dass die Schätzungsbefugnis im Jahr 2000 und 2001 die belangte Behörde nicht zur Vornahme einer Schätzung im Jahr 2002 berechtige und die der Schätzung zugrundeliegende Annahme, er habe im Jahr 2002 260 Bücher verkauft, nicht stimme. Tatsächliche habe er - so die Beschwerde weiter - "im Jahr 2002 nur 250 Bücher hergestellt und davon im Jahr 2002 bloß 80 Exemplare zum Stückpreis von Euro 6,54 verkauft."

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer im Jahr 2002 erklärten Geschäfte im Zusammenhang mit der Übertragung, Rückübertragung oder neuerlichen Übertragung von Rechten als absolute Scheingeschäfte gewertet und die damit im Zusammenhang stehenden Umsätze und Vorsteuern nicht berücksichtigt hat. Dies stößt, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2004/13/0124, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, für die Jahre 2000 und 2001 ausgesprochen hat, auf keine Bedenken. Ist aber - wie in den Vorjahren - von Scheingeschäften und damit im Zusammenhang stehend von Scheinrechnungen im Rechenwerk des Beschwerdeführers auszugehen, so folgt schon daraus die Schätzungsberechtigung der belangten Behörde für die gewerbliche Tätigkeit des Beschwerdeführers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2006/13/0172, betreffend die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2002, mit weiteren Nachweisen).

Was die konkrete Vornahme der Schätzung anlangt, hat sich die belangte Behörde u.a. auf die Ausführungen des Beschwerdeführers in einem Schriftsatz vom 5. November 2005 ("Im Jahre 2002 entnahm ich dem Lager ungefähr 260 Bücher.") gestützt. Dass die belangte Behörde in einem ersten Schritt als Ausgangspunkt für ihre Schätzung auf diese Angaben des Beschwerdeführers Bezug nahm, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dies gilt umso mehr, als dem Beschwerdeführer laut einer in den Verwaltungsakten erliegenden Niederschrift die der Schätzung zugrunde liegenden Überlegungen und das Ergebnis der Schätzung im Rahmen eines Erörterungsgespräches vorgehalten wurden und dieser keine substantiierten Einwendungen dagegen erhoben hat. Auch das nunmehrige Vorbringen, der Beschwerdeführer habe "im Jahr 2002 nur 250 Bücher hergestellt und davon im Jahr 2002 bloß 80 Exemplare zum Stückpreis von Euro 6,54 verkauft", zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil es sich bei den Büchern, die der Beschwerdeführer laut Schriftsatz vom 5. November 2005 im Jahr 2002 dem Lager "entnahm", nicht zwangsläufig um jene handeln muss, die er laut Beschwerde im Jahr 2002 "hergestellt" hat.

Vom Beschwerdeführer wird weiters gerügt, dass sich die belangte Behörde nicht mit der Ergänzung zur Berufung vom 8. Oktober 2003, die vom Beschwerdeführer am 28. August 2008 beim Finanzamt eingebracht worden sei, befasst habe.

Auch dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im ergänzenden Schriftsatz vom 28. August 2008 wird, unter Hinweis auf einen "Preisspiegel über die Mieten in Wien im Jahr 2002", den der Beschwerdeführer am 26. August 2008 erhalten haben will, vorgebracht, das AF nicht die ortsübliche Miete von 1.020,80 EUR pro Monat bezahlt habe, sondern "einen Monatszins von bloß Euro 369,55". Daraus ergebe sich, "dass von Frau (AF) kein Mietentgelt freiwillig geleistet worden ist und davon auch keine Mehrwertsteuer vorgeschrieben werden kann". Dazu genügt es, darauf hinzuweisen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage des Zinsengewinns bereits in den Erkenntnissen vom 4. Juni 2008, 2004/13/0124, betreffend die Umsatzsteuer des Beschwerdeführers für die Jahre 2000 und 2001, und 2006/13/0172, betreffend die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2002, auf deren Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, auseinandergesetzt hat. In den angeführten Erkenntnissen wurde zu Recht erkannt, dass dem von AF gewährten zinsenlosen Darlehen im Umfang des dadurch verschafften Zinsengewinns - mietzinserhöhender - Entgeltcharakter zukommt. Dass der angemessene Mietzins für die von AF gemietete Wohnung höher gewesen sein soll, bestätigt diese Auffassung.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. Mai 2012

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