Normen
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Spruchpunkt I des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde stellte diese fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit für die beschwerdeführende Gesellschaft in der Zeit vom 1. August 2000 bis zum 30. Juni 2001 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Mit dem nicht in Beschwerde gezogenen Spruchpunkt II wurde die Berufung des D., des ehemaligen Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft, als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit im Hinblick auf den Beschwerdegegenstand relevant - nach der Darstellung des Verfahrensgangs und der Rechtslage aus, dass der Erstmitbeteiligte vom 1. August 2000 bis zum 30. Juni 2001 in einem Beschäftigungsverhältnis zur beschwerdeführenden Gesellschaft gestanden sei. Die beschwerdeführende Gesellschaft, eine KEG (seit 1. Jänner 2007 richtig: KG), sei ein Zusammenschluss zahlreicher Immobilienmaklerbetriebe zur Organisation einer zentralen Anlaufstelle für Wiens Wohnungsuchende. Laut Firmenbuchauszug sei der Komplementär der KEG der F-Verein. Im gegenständlichen Zeitraum sei D. Geschäftsführer der KEG gewesen. Der F-Verein sei laut Vereinsregisterauszug vom 10. Dezember 2008 mit 23. September 2008 rechtskräftig gelöscht worden.
Der Erstmitbeteiligte sei im gegenständlichen Zeitraum als Assistent der Geschäftsführung und als betriebswirtschaftlicher Berater der beschwerdeführenden Gesellschaft tätig gewesen. Dabei habe er Tätigkeiten wie die Buchhaltung, Ausstellung von Rechnungen, Erstellen von Werbeanzeigen in Tageszeitungen, Vorbereitung von Sitzungen und Vorträgen, Kundenbetreuung, Führung des Kassabuchs, Entgegennahme von Anrufen bezüglich Beschwerden von Kooperationspartnern usw. verrichtet. Er selbst habe gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Kontrollfunktion innegehabt.
Neben diesen Tätigkeiten sei der Erstmitbeteiligte bis Dezember 2000 mit der Umsetzung eines von ihm entwickelten Konzeptes zur Optimierung der EDV-Organisation betraut worden, was jedoch gescheitert sei. Für die Umsetzung des Konzeptes wäre ein Techniker von Nöten gewesen, während die Aufgaben des Erstmitbeteiligten hauptsächlich Managementcharakter gehabt hätten. Ein weiteres Konzept sei vom Erstmitbeteiligten nicht erstellt worden.
Die Tätigkeiten des Erstmitbeteiligten als Assistenz der Geschäftsführung hätten insgesamt ca. 70 % der Gesamttätigkeit ausgemacht. Der Aufwand zur Umsetzung des Konzeptes sei "nebenher" gelaufen.
Der Erstmitbeteiligte sei zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen und habe sich nicht jederzeit vertreten lassen können; eine Vertretung ohne vorherige Einschulung wäre nicht möglich gewesen. Während der Öffnungszeiten der beschwerdeführenden Gesellschaft (Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr) habe der Erstmitbeteiligte in den Räumlichkeiten des F-Vereins anwesend sein müssen. Die Anwesenheit und der Geschäftsfortgang seien regelmäßig von D. kontrolliert worden. Auch habe D. dem Erstmitbeteiligten Weisungen gegeben, deren Einhaltung er persönlich und telefonisch überprüft habe. D. habe für gewöhnlich am Vormittag im Büro des Erstmitbeteiligten angerufen, um sich nach dem Rechten zu erkundigen und nach dem Stand der Dinge zu fragen. Am Nachmittag sei er oft persönlich vorbeigekommen und habe den Erstmitbeteiligten auch mit diversen Aufgaben für die beschwerdeführende Gesellschaft beauftragt. Abgesehen von diesen speziellen Aufträgen habe es regelmäßige, laufende Tätigkeiten gegeben, die von D. vorausgesetzt worden seien, ohne sie jedes Mal extra zu erwähnen. Sämtliche Betriebsmittel seien dem Erstmitbeteiligten von der beschwerdeführenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden. Er habe ein monatliches Pauschalhonorar in der Höhe von S 20.000,-- als Entgelt erhalten.
Die Aussagen des Erstmitbeteiligten vor der Einspruchsbehörde am 27. September 2006 und am 20. Februar 2008, die in den Fragebögen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft am 11. September 2003 und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 26. Februar 2004 angegebenen Antworten sowie die Aussagen in der Stellungnahme des Erstmitbeteiligten vom 6. Jänner 2009 an die belangte Behörde erschienen glaubwürdig, da sie mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation und den dort anfallenden Tätigkeiten eines Assistenten der Geschäftsführung einer Immobilien KEG "absolut" in Einklang stünden und sich die Aussagen und Stellungnahmen des Erstmitbeteiligten zu keinem Zeitpunkt widersprochen hätten. Die Aussagen bezüglich des Ablaufs der Tätigkeit und der Eingliederung in die Organisation der beschwerdeführenden Gesellschaft seien sehr klar und lebensnah vorgebracht worden. Es gebe somit für die belangte Behörde keinerlei Grund, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln.
Die Aussagen der beschwerdeführenden Gesellschaft, vertreten durch ihren Rechtsanwalt, erschienen hingegen als unglaubwürdig, da sie widersprüchlich seien. In der Berufungsschrift vom 5. Juni 2008 habe die beschwerdeführende Gesellschaft angegeben:
"(…) Wenn nämlich die Leistungen zur Durchführung des Konzeptes zeitlich und umfangmäßig überwiegen, was Ansicht der Berufungswerberin ist, so wären die Dienstleistungstätigkeiten nur von untergeordneter Bedeutung gewesen, und es hätte zum vorliegenden Bescheid (der Einspruchsbehörde) nicht kommen können."
Nach Ermittlungen der belangten Behörde habe der Erstmitbeteiligte in seiner Stellungnahme vom 6. Jänner 2009 den Umfang seiner Tätigkeiten als Assistenz der Geschäftsführung mit 70 % angegeben. Auf Grund dieser Aussage habe die beschwerdeführende Gesellschaft folgende Stellungnahme abgegeben:
"(…) Im Übrigen stellen die genannten Managementarbeiten auch Leistungen aufgrund eines Werkvertrages dar."
In der Berufung habe die beschwerdeführenden Gesellschaft also eingeräumt, dass die Managementaufgaben Dienstleistungen gewesen seien, jedoch von zeitlich untergeordneter Bedeutung. Als durch die Aussage des Erstmitbeteiligten eine übergeordnete zeitliche Bedeutung der Managementtätigkeiten in Rede gestellt worden sei, habe die beschwerdeführende Gesellschaft hingegen behauptet, dass diese auf Grund eines Werkvertrages erbracht würden. Diese Aussagen seien nicht glaubhaft, es habe vielmehr den Anschein, dass sie als Schutzbehauptung zu qualifizieren seien.
In rechtlicher Hinsicht sei zu prüfen, ob hinsichtlich der Tätigkeit des Erstmitbeteiligten für die beschwerdeführende Gesellschaft ein Dienstverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nach § 4 Abs. 2 ASVG vorgelegen sei. Die Beantwortung der Frage, ob bei Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG überwögen, hänge davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten weitgehend ausgeschaltet oder nur beschränkt sei. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung seien die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzliche) persönliche Arbeitspflicht.
Laut Sachverhalt habe der Erstmitbeteiligte während der Öffnungszeiten der beschwerdeführenden Gesellschaft in den Räumlichkeiten des F-Vereins anwesend sein müssen. Es sei somit die zeitliche und örtliche Gebundenheit des Erstmitbeteiligten an seinen Arbeitsplatz bei der beschwerdeführenden Gesellschaft festzustellen. Bezüglich des Weisungs- und Kontrollrechts sei laut Sachverhalt festzustellen, dass der Erstmitbeteiligte in der Verrichtung seiner Tätigkeiten den Weisungen und Kontrollen des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft, D., unterlegen sei. D. habe den Beschwerdeführer telefonisch und persönlich kontrolliert. Auch habe er ihm Weisungen über bestimmte zu erledigende Tätigkeiten erteilt. Bezüglich des generellen Vertretungsrechts sei festzustellen, dass ein solches nicht vorgelegen sei.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit sei bei einem entgeltlichen Arbeitsverhältnis die zwangsläufige Folge der persönlichen Abhängigkeit.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber - ebenso wie ausdrücklich die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt - von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen. Der Erstmitbeteiligte und die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse haben jeweils eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Dienstnehmer im Sinne des ASVG ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, VwSlg. Nr. 12.325/A).
Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der zitierten Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit.
Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2011, Zl. 2010/08/0019, mwN).
2. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts macht die Beschwerde geltend, dass Komplementär der beschwerdeführenden Gesellschaft der F-Verein gewesen sei; dieser habe nur bis zum 25. November 2004 ein vertretungsberechtigtes Leitungsorgan gehabt und sei am 23. September 2008 wegen Vermögenslosigkeit ohne Durchführung eines Liquidationsverfahrens behördlich gelöscht worden. Das "gesamte Verfahren" sei daher "nichtig". Daran ändere die Tatsache nichts, dass die beschwerdeführende Gesellschaft im Firmenbuch noch mit dem Komplementärverein eingetragen sei. Die beschwerdeführende Gesellschaft sei im gesamten Verfahren durch ihren Rechtsanwalt (den nunmehrigen Beschwerdevertreter) vertreten gewesen; dieser sei "trotz der Nichtigkeit des Verfahrens" vertretungsbefugt gewesen, weil sein Vollmachtsverhältnis aufrecht geblieben sei.
Damit räumt die Beschwerde aber selbst ein, dass die beschwerdeführende Gesellschaft zum einen - zumindest in Form einer Abwicklungsgesellschaft - weiter bestanden hat und zum anderen im gesamten Verfahren rechtswirksam (anwaltlich) vertreten war, selbst wenn sie über keinen organschaftlichen Vertreter mehr verfügt haben sollte.
Von der behaupteten "Nichtigkeit" oder Rechtswidrigkeit des Verfahrens kann daher nicht die Rede sein.
3. Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerde, dass die in der Äußerung vom 21. Jänner 2009 beantragten Zeuginnen F. und P. von der belangten Behörde nicht einvernommen worden seien. Sie hätten im Sinne des Vorbringens in der Äußerung bestätigen können, dass die Tätigkeiten, die von der belangten Behörde dem Erstmitbeteiligten zugeordnet worden seien, überwiegend vom Büropersonal - das heißt von den beiden Zeuginnen - durchgeführt worden seien.
Auch dieses Vorbringen zeigt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:
Das Beweisthema war nämlich nicht entscheidungswesentlich. Die belangte Behörde hat die Bejahung der persönlichen Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten vielmehr mit den Umständen der Leistungserbringung begründet, insbesondere seiner Weisungs- und Kontrollunterworfenheit, der persönlichen Arbeitspflicht sowie der Gebundenheit an eine bestimmte Arbeitszeit und einen bestimmten Arbeitsort; auf die Frage, ob es sich bei den übernommenen Aufgaben überwiegend um Management- bzw. Büroarbeiten oder, wie von der beschwerdeführenden Gesellschaft behauptet, um Projektumsetzungsarbeiten gehandelt hat, ist es dabei nicht angekommen. Es stellt daher keinen Verfahrensmangel dar, dass die belangte Behörde von der - ausschließlich für die Frage des Überwiegens von Managementarbeiten - beantragten Zeugeneinvernahme Abstand genommen hat.
Den oben wiedergegebenen Feststellungen hinsichtlich der Umstände der Arbeitsleistung ist die beschwerdeführende Gesellschaft nicht entgegen getreten. Ausgehend davon begegnet es aber im Licht der unter Punkt 1. wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung keinen Bedenken, dass die belangte Behörde eine Tätigkeit des Erstmitbeteiligten in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und in der Folge die Vollversicherungs- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a ASVG bejaht hat.
4. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 22. Februar 2012
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