VwGH 2009/08/0062

VwGH2009/08/006219.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des S M in Wien, vertreten durch Georg S. Mayer Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Dorotheergasse 7, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 1. Dezember 2008, Zl. 2008-0566-9-001779, betreffend 1) Widerruf der Zuerkennung von Arbeitslosengeld und Rückforderung und

2) Widerruf der Zuerkennung von Notstandshilfe und Rückforderung, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §5 Abs2;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid widerrief die belangte Behörde die Zuerkennung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 5. Oktober 2003 bis zum 15. Jänner 2004, vom 19. März bis zum 19. April 2004, vom 9. Juni bis 5. Juli 2004, vom 5. Jänner bis zum 17. März 2005 und vom 4. April bis zum 11. August 2005 und forderte einen Betrag von insgesamt EUR 4.298,84 zurück.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen zweitangefochtenen Bescheid widerrief die belangte Behörde die Zuerkennung von Notstandshilfe für die Zeit vom 12. August bis zum 13. Oktober 2005, vom 16. November 2005 bis zum 23. Februar 2006, vom 27. März bis zum 29. Juni 2006, vom 10. August bis zum 14. Dezember 2006, vom 12. Februar bis zum 28. April 2007, vom 19. Mai bis zum 13. Juni 2007 sowie vom 14. Juli bis zum 31. Oktober 2007 und forderte einen Betrag von EUR 5.818,48 zurück.

Der Beschwerdeführer habe vom 5. Oktober 2003 bis zum 11. August 2008 mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen. Seit dem Jahr 2002 habe er Frau B., die bettlägrig gewesen sei, gepflegt. Diese sei zusätzlich von der Volkshilfe Wien betreut worden.

Am 4. Dezember 2007 habe er beim Arbeitsmarktservice Wien angegeben, dass er Frau B. seit 25 Jahren kenne und nach dem Ende seiner Beschäftigung bei der Firma G. begonnen habe, ihr bei Haushaltsarbeiten zu helfen. Er sei jeden Tag zu ihr in die Wohnung gefahren, habe Einkäufe für sie erledigt, die Wohnung geputzt, die Wäsche gewaschen und Frau B. gewickelt. Er sei täglich um 10.00 Uhr bei ihr eingetroffen und um ca. 13.00 Uhr wieder gegangen. Manchmal habe Frau B. den Beschwerdeführer auch nachts angerufen, wenn sie z.B. Hilfe benötigt hätte. Der Beschwerdeführer habe bestritten, jemals Geld von Frau B. erhalten zu haben. Da der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme angegeben habe, an einer "Leseschwäche" zu leiden, sei die Einvernahme zusätzlich zur Niederschrift akustisch aufgezeichnet worden.

Der Beschwerdeführer habe täglich für einen Zeitraum von drei Stunden solche Hilfeleistungen an Frau B. erbracht, wie sie im Normalfall von Heimhilfen erledigt würden. Er gehöre der Gruppe der Pflegehelfer an. Der Stundenlohn für Pflegetätigkeiten betrage EUR 7,79 für die Jahre 2003 und 2004 sowie EUR 8,18 für das Jahr 2005 sowie EUR 8,65 für die Jahre 2006 und 2007. Bei der vom Beschwerdeführer angegebenen Wochenstundenzahl von 21 ergebe sich im gesamten Tätigkeitszeitraum ein Monatsanspruchslohn, der in jedem Jahr weit über der Geringfügigkeitsgrenze liege. Daher sei Arbeitslosigkeit in den angegebenen Zeiträumen nicht vorgelegen. Da der Beschwerdeführer seine Tätigkeit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Redergasse (AMS) nicht gemeldet habe, liege eine Verletzung der Meldepflicht iSd § 50 Abs. 1 AlVG vor.

Mit einem Arbeitslosengeld von täglich EUR 11,81 ergebe sich für insgesamt 364 Tage ein Rückforderungsbetrag von EUR 4.298,84. Der Überbezug sei zur Gänze mit der erfolgten Nachzahlung gegenverrechnet worden. Für insgesamt 566 Tage ausgezahlter Notstandshilfe von täglich EUR 10,28 ergebe sich ein Rückforderungsbetrag von EUR 5.818,48.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Voraussetzung sowohl für den Bezug von Arbeitslosengeld als auch für den Bezug von Notstandshilfe ist die Arbeitslosigkeit des Versicherten. Diese liegt gemäß § 12 Abs. 1 iVm Abs. 6 lit. a AlVG nicht vor, wenn aus einer Beschäftigung ein Entgelt erzielt wird, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des Entgelts im § 12 Abs. 6 lit. a AlVG im Sinne des Entgeltbegriffes des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu verstehen. Dies legt nicht nur die ausdrückliche Bezugnahme auf § 5 Abs. 2 ASVG nahe, sondern entspricht auch dem bestehenden engen Konnex zwischen der Arbeitslosenversicherungspflicht und der Krankenversicherungspflicht nach dem ASVG. Der in diesem Zusammenhang daher maßgebende § 49 Abs. 1 ASVG stellt auf den sogenannten Anspruchslohn ab, also auf jenen Lohn, auf den der einzelne Dienstnehmer Anspruch hat. Dass ein Lohn, der dem Dienstnehmer zusteht, tatsächlich nicht ausbezahlt wird, ist dabei nicht von Bedeutung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 95/08/0172, mwN).

Der Beschwerdeführer bestreitet, dass er bei Frau B. beschäftigt gewesen sei. Er habe diese aus freundschaftlichen Gründen besucht und ihr Gefälligkeitsleistungen geringen Umfangs erbracht, die er gerne erledigt habe. Es habe sich dabei um Gefälligkeiten und Dienste im freundschaftlichen Rahmen gehandelt, wobei er davon ausgegangen sei, dass dafür die Bezahlung eines Entgelts nicht üblich sei. Bei der erwähnten niederschriftlichen Befragung vom 4. Dezember 2007 sei er von einem Außendienstmitarbeiter des AMS zu Hause aufgesucht worden. Es sei eine Niederschrift aufgenommen und die Einvernahme auch akustisch aufgezeichnet worden. Er sei außerstande, sich in deutscher Sprache zu verständigen. Obwohl er um einen Dolmetscher ersucht habe, sei ihm keiner zu Seite gestellt worden. Er habe daher die Befragung nicht durchführen lassen wollen und sich nach deren Abschluss auch geweigert, die Niederschrift zu unterschreiben. Er habe die ihm gestellten Fragen nicht verstanden und sich zum Sachverhalt nicht ausreichend äußern können. Wäre bei der Befragung ein Dolmetscher hinzugezogen worden, so hätte er den Sachverhalt energisch bestritten, sodass die belangte Behörde im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs eigene Ermittlungen darüber hätte anstellen müssen, ob er tatsächlich eine Pflegetätigkeit ausgeübt habe. Überdies sei der Bescheid in Bezug auf Widerruf und Rückerstattung der Notstandshilfe unzureichend begründet.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die im Akt erliegende Niederschrift vom 4. Dezember 2007 vom Leiter der Amtshandlung unterschrieben ist. Dieser hat gemäß § 14 Abs. 5 AVG als Grund dafür, dass die Unterfertigung der Niederschrift durch den Beschwerdeführer unterblieben ist, angegeben, dass der Beschwerdeführer seine Unterschrift verweigert habe. Der Beschwerdeführer hat gegen diese Niederschrift keine Einwendungen erhoben. Diese gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift liefert gemäß § 15 AVG den vollen Beweis dafür, was darin von der Behörde über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung -hier die Angaben des Beschwerdeführers vor dem AMS - bezeugt wird. Den nach dieser Gesetzesstelle möglichen Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorgangs hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht angetreten. Insbesondere findet sich in seiner Berufung vom 19. Juni 2008 kein Hinweis darauf, dass er die in der Niederschrift protokollierten Aussagen tatsächlich nie getätigt hätte. Im Übrigen erschöpft sich das die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpfende Beschwerdevorbringen im Wesentlichen auf die Behauptung der Unrichtigkeit der vorgenommenen Tatsachenfeststellungen, vermag aber keine Anhaltspunkte für eine Unschlüssigkeit oder Denkgesetzwidrigkeit der Beweiswürdigung darzulegen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde umso weniger Bedenken, als der Beschwerdeführer nicht nur in seiner Einvernahme vom 4. Dezember 2007 vor dem AMS, sondern auch bei seiner Beschuldigtenvernehmung vor der Bundespolizeidirektion Wien am 20. Mai 2008 die Erbringung von Arbeitsleistungen an Frau B. bestätigt und angegeben hat, dass er von ihr gefragt worden sei, ob er ihr nicht bei gewissen Hausarbeiten helfen könne. Er habe eingewilligt und habe diese Tätigkeiten (Staubsaugen, Fensterputzen, Einkaufen) bei ihr ca. drei bis vier Jahre durchgeführt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in dieser Beschuldigtenvernehmung eingeräumt, von Frau B. ein Sparbuch mit einer Einlage von EUR 60.000,--- erhalten und das Geld für seinen Lebensunterhalt verwendet zu haben.

In rechtlicher Hinsicht kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie in Anbetracht der täglich mehrstündigen Pflege- und Haushaltstätigkeit des Beschwerdeführers für Frau B., die sich über viele Jahre erstreckten, nicht angenommen hat, dass es sich um bloße Freundschaftsdienste bzw. um Gefälligkeitsdienste gehandelt habe. Als Gefälligkeitsdienste könnten allenfalls kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden (vgl. das zum Ausländerbeschäftigungsgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2010, Zl. 2009/09/0276). Dafür bietet aber weder der festgestellte Sachverhalt noch das Vorbringen des Beschwerdeführers einen Anhaltspunkt. Eine unentgeltliche Erbringung der festgestellten Dienstleistungen bzw. bloße Gefälligkeitsdienste kann auch in Anbetracht der Intensität und der Dauer der genannten Dienstleistungen nicht angenommen werden.

Die belangte Behörde hat schließlich in Anbetracht der Behauptungen des Beschwerdeführers, von Frau B. niemals ein Entgelt für seine Dienstleistungen erhalten zu haben, den demnach maßgebenden Anspruchslohn in Ermangelung eines Kollektivvertrages zutreffend nach zivilrechtlichen Grundsätzen (Ortsgebrauch) ermittelt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Oktober 2002, Zl. 98/08/0067, und vom 30. Jänner 2002, Zl. 2001/08/0225). Die Beschwerde hat die Höhe der demnach für die verschiedenen Zeiträume zustehenden Anspruchslöhne nicht bestritten.

Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer in den strittigen Zeiträumen des Leistungsbezuges nicht arbeitslos gewesen ist, trifft daher zu.

Den Widerruf und die Rückforderung der genannten Beträge an Arbeitslosengeld und Notstandshilfe stützte die belangte Behörde zutreffend auf § 24, § 25 Abs. 1 und § 50 Abs. 1 AlVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 2001, Zl. 2000/08/0016, mwN). Der Beschwerdeführer hat - abgesehen von seiner Behauptung, nicht beschäftigt gewesen zu sein - weder die Verletzung seiner Meldepflicht noch das Vorliegen der Voraussetzungen für den Widerruf und die Rückforderungen der erhaltenen Leistungen bestritten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 19. Jänner 2011

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