VwGH 2009/08/0045

VwGH2009/08/004522.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der F Ges.m.b.H. in A, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4600 Wels, Edisonstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Jänner 2009, Zl. SV(SanR)-414353/11-2009- Bb/Ws, betreffend Beitragsnachverrechnung und Vorschreibung eines Beitragszuschlages (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ASVG §4 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die beschwerdeführende Partei betreibt ein Güterbeförderungsunternehmen. Der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei legte der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Jahr 1996 ein Vertragsmuster mit der Frage vor, ob für ihn "noch Kosten bei der GGK entstehen", wenn er mit einem derartigen Vertrag einen selbständigen Unternehmer mit Teilerledigungen von Transporten beauftragen würde.

Dieses Vertragsmuster hatte folgenden Wortlaut:

"§ 1 Vertragsparteien

Auftraggeber:

Firma

F.

Auftragnehmer:

§ 2 Vertragsgegenstand

Der Auftragnehmer verpflichtet sich zur Durchführung und Abwicklung von Gütertransporten für den Auftraggeber nach folgenden Maßgaben:

a) Die Durchführung der Gütertransporte erfolgt mit einem jeweils von Auftraggeber gestellten und geeigneten LKW.

Die Fahrzeuge müssen technisch und ordnungsgemäß gewartet sein, insbesondere den straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen in vollem Umfang entsprechen.

Jedwede diesbezügliche Beanstandung durch die zuständigen Behörden gehen im Innenverhältnis zu Lasten des Auftraggebers.

Der jeweilige Transportauftrag wird vom Auftraggeber beigebracht und mit dem jeweiligen Kunden abgewickelt, abgerechnet.

b) Der Auftragnehmer führt den Transportauftrag selbst bez. mit von ihm angestellten geeigneten Fahrern durch und erledigt sämtliche im Zuge der Durchführung anfallenden Formalitäten (insbesondere Zollabwicklung etc.)

c) Derzeit bezieht sich die gegenseitige vertrauliche Verpflichtung auf folgende Transporte:

Sammelguttransporte: Die Transporte werden einzeln vergeben.

d) Eine Vereinbarung zur Ausführung weiterer Transport ist jederzeit möglich.

Dieser Vertrag ist für beide Seiten nach Erledigung der

übernommenen oder übergebenen Aufträge kündbar.

§ 6 Gerichtsstandsvereinbarungen

Für diesen Vertrag gilt Österreichisches Recht. Gerichtsstand für alle Streitigkeiten ist das Gericht Rohrbach.

§ 7

Sollte eine der Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein, so wird hiervon die Wirksamkeit des Vertrages im übrigen nicht berührt.

§ 8 Schriftformklausel

Jede Änderung, Ergänzung oder Erweiterung dieses Vertrages bedarf der Schriftform. Auch diese Klausel kann nur schriftlich abgeändert werden."

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erteilte der beschwerdeführenden Partei am 9. Februar 1996 folgende Auskunft:

"Sehr geehrter Herr F.,

das von Ihnen vorgelegte Vertragsmuster nehmen wir als 'Werkvertrag' zur Kenntnis, wenn der betreffende Vertragsnehmer eine Gewerbeberechtigung zur Durchführung von Transporten besitzt und damit verbunden Versicherungspflicht nach den Bestimmungen des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) gegeben ist."

2. Mit Bescheid vom 14. Mai 2004 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass M L. hinsichtlich seiner für die beschwerdeführende Partei ausgeübten Tätigkeit als Speditionslastkraftwagenfahrer im Zeitraum vom 21. September 1998 bis zum 28. Jänner 1999 als Dienstnehmer der Vollversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung unterliege. Mit einem weiteren Bescheid vom 14. Mai 2004 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass M M. hinsichtlich seiner für die beschwerdeführende Partei ausgeübten Tätigkeit als Lastkraftwagenfahrer im Zeitraum vom 1. Jänner 1998 bis zum 13. Juni 1998 als Dienstnehmer der Vollversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung unterlag.

Diese beiden Bescheide wurden im Wesentlichen gleich lautend damit begründet, dass die genannten Dienstnehmer für gefahrene Kilometer Honorare bezogen hätten. Die Lastkraftwagen hätten sich im Eigentum der beschwerdeführenden Partei befunden oder seien von dieser angemietet oder geleast worden. Die beschwerdeführende Partei habe den Verträgen zu Folge als Auftraggeber die Dienstnehmer als Auftragnehmer mit der ordnungsgemäßen Durchführung von Transporten betraut. Sie habe die Fahrzeuge technisch einwandfrei und ordnungsgemäß auf eigene Kosten gewartet. Allfällige Beförderungs- und Ablieferungshindernisse seien dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen gewesen. Dieser sei verpflichtet gewesen, für die Fahrzeuge eine Haftpflicht- und eine Fahrzeugvollversicherung abzuschließen. Dem jeweiligen Auftragnehmer "ist laut diesen Verträgen das Gesamtvolumen an Liniendiensten bekannt" und er habe sich verpflichtet, die Transporte, die er habe übernehmen wollen, dem Auftraggeber monatlich im Vorhinein schriftlich anzuzeigen. Der Auftraggeber habe dem Auftragnehmer die übernommenen Transporte bestätigt. Der Auftragnehmer habe sich verpflichtet, im Falle der Arbeitsverhinderung unverzüglich den Auftraggeber zu unterrichten, damit dieser entsprechend koordinieren könne. Die Erstellung der Rechnung sei durch den jeweiligen Auftragnehmer erfolgt, der einen festgelegten Betrag pro gefahrenem Kilometer zuzüglich transportbezogener Kosten laut Nachweis als Vergütung erhalten habe.

Die Dienstnehmer hätten beim Magistrat L einen Gewerbeschein für Kleintransporte beantragt und erhalten. Sie hätten für die beschwerdeführende Partei Kleintransporte und Speditionsfahrten durchgeführt. Die Zuteilung von Fahraufträgen, Fahrzielen und Fahrzeugen seien durch den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei vorgenommen worden. Auf den Frachtpapieren sei die beschwerdeführende Partei als Frachtführer angeführt worden, Zoll und Maut seien durch diese abgerechnet worden. Die Entlohnung sei über die beschwerdeführende Partei auf Basis der gefahrenen Kilometer und Diäten erfolgt. M L. habe keine Sonderzahlungen erhalten. M M. habe von der beschwerdeführenden Partei Fahraufträge größtenteils von Österreich nach England oder Italien erhalten, die die beschwerdeführende Partei als Subunternehmen für die Firma T. auszuführen hatte. Die Beladung des Lastkraftwagens sei bei der Firma T. erfolgt. Diese habe die von M M. erledigten Fahraufträge mit der beschwerdeführenden Partei abgerechnet. Außer der beschwerdeführenden Partei habe M M. keinen Auftraggeber gehabt. Seine Arbeitsleistung als Lastkraftwagenlenker habe er der beschwerdeführenden Partei auf Basis der gefahrenen Kilometer in Rechnung gestellt. Die Arbeitszeit auf der Fähre England - Frankreich sei nicht vergütet worden. Die Kilometerabrechnungen seien auf Grund der Erfahrungswerte der beschwerdeführenden Partei vorgenommen worden. M M. habe während seiner Arbeitszeit ständig per Handy für Dispositionen erreichbar sein müssen. Seine wöchentliche Kilometerleistung habe 4.000 bis 4.500 km betragen. Das habe einer täglichen Arbeitszeit von zehn Stunden entsprochen. Urlaub habe er während seiner Tätigkeit für die beschwerdeführende Partei nicht konsumiert. Die gesamten Kosten für den Lastkraftwagen sowie Benzin, Reparaturen und Maut habe die beschwerdeführende Partei getragen. Er habe nur die Autotelefonkosten begleichen müssen. Er habe seine Tätigkeit im April/Mai 1998 beendet, seinen Gewerbeschein ruhend gemeldet und im Anschluss daran Arbeitslosengeld bezogen.

In rechtlicher Hinsicht führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass die genannten Mitarbeiter die von der beschwerdeführenden Partei vorgegebenen Fahraufträge zu einem bestimmten Zeitpunkt in den vorgegebenen Fahrtrouten hätten erledigen müssen. Die Fahrziele seien an Hand der erteilten Fahraufträge ebenfalls vorgegeben gewesen. Eine (generelle) Vertretung sei nach dem wahren wirtschaftlichen Gegebenheiten weder möglich gewesen noch vorgenommen worden. Die beschwerdeführende Partei habe zur Durchführung von Speditionsfahrten die notwendigen Betriebsmittel, nämlich Lastkraftwagen bis zu 40 t, zur Verfügung gestellt. Die organisatorischen Arbeiten seien von der beschwerdeführenden Partei durchgeführt worden. Die Kriterien einer unselbständigen Beschäftigung gemäß § 4 Abs. 2 ASVG seien erfüllt. Die Dienstnehmer würden weder die erforderlichen Betriebsmittel noch die notwendige Gewerbeberechtigung nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz 1996 bzw. Güterbeförderungsgesetz 1995 besitzen. Das in den jeweiligen Beitragszeiträumen erzielte Entgelt sei nach den Kilometergeldabrechnungen in allen Beitragszeiträumen der Pflichtversicherung über der geltenden Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Die beschwerdeführende Partei sei Dienstgeber, weil der Betrieb, in dem die genannten Personen als Lastkraftwagenfahrer beschäftigt gewesen seien, auf ihre Rechnung geführt worden sei.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüche der beschwerdeführenden Partei wurden mit Bescheiden der belangten Behörde vom 13. und 14. Dezember 2007 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die genannten Dienstnehmer lediglich Gewerbescheine zur Beförderung von Gütern mit einer maximalen Nutzlast von 600 kg innegehabt hätten. Es sei nicht zu ersehen, dass diese Gewerbeberechtigungen für Transporte mit einem 40 t-Lkw als ausreichend betrachtet werden könnten. Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei im Jahr 1996 ein Vertragsmuster vorgelegt worden, das von den tatsächlich mit den verfahrensgegenständlichen Dienstnehmern abgeschlossenen Verträgen abweiche. Als wesentlich erschienen der belangten Behörde folgende (jeweils im Zusammenhang kommentierte) Vertragsinhalte:

"Punkt 1 (Allgemeines): ... Der Auftragnehmer gewährleistet, dass er fachlich in der Lage ist, die Aufträge selbstständig ausführen zu können.

- dieser Vertragspunkt widerspricht ebenfalls klar dem

Vorbringen der Einspruchswerberin, dass sie aufgrund der

'Selbstständigkeit' der Fahrer oft gar nicht gewusst habe, ob und

wann ein Lkw im Einsatz ist.

Punkt 6 (Haftungsausschluss): ... Der Auftraggeber

verpflichtet sich darüber hinaus, für sämtliche vom Auftragnehmer

benutzten Fahrzeuge, neben der gesetzlichen Haftpflicht auch eine

Fahrzeugvollversicherung mit dem höchstmöglichen

Versicherungsumfang abzuschließen.

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