VwGH 2009/07/0100

VwGH2009/07/010020.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde der F GmbH in R., vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. April 2009, Zl. WA1-W-42777/001-2009, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: JP in B.), zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 2. November 2007 beantragte der Mitbeteiligte bei der Bezirkshauptmannschaft B. (im Folgenden: BH) die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zur Wasserentnahme aus dem L.- Werkskanal für die Bewässerung näher genannter Grundstücke im Gesamtausmaß von 15,32 ha.

Die BH beraumte zu diesem Vorhaben für 25. Februar 2008 eine mündliche Verhandlung an.

In dieser Verhandlung erstatteten Amtssachverständige auf den Gebieten der Landwirtschaft, Geohydrologie, Hydrologie, Gewässerbiologie und Wasserbautechnik sowie Gewässerschutz fachkundige Stellungnahmen.

Mit Eingabe vom 6. März 2008 sprach sich die beschwerdeführende Partei als Betreiberin einer Kanal abwärts gelegenen Wasserkraftanlage gegen die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für das Vorhaben des Mitbeteiligten aus.

Mit Schreiben vom 3. April 2008 ersuchte die BH den hydrologischen Amtssachverständigen um "dringende Stellungnahme", ob bzw. welche Auswirkungen durch die Wasserentnahme auf die Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei zu erwarten seien.

In seiner Stellungnahme vom 7. April 2008 berief sich der hydrologische Amtssachverständige auf Abflussmessungen am L.- Werkskanal im Brückenbereich einer Landesstraße, die am 13. Februar und am 17. März 2008 durchgeführt worden seien. Demnach betrage die Absenkung bei einer Wasserentnahme von - wie vom Mitbeteiligten beantragt - maximal 13 l/s bei einer Wasserführung von 8 m3/s rund 1,8 mm im Profil des Brückenbereichs der Landesstraße. Bei einer Wasserführung von 4,013 m3/s - dies entspreche der Mindestwassermenge von 4,0 m3/s zuzüglich der Entnahme vom 13 l/s - ergebe sich eine Absenkung von etwa 2,5 mm. Diese genannten Absenkungen seien rechnerische (theoretische) Ermittlungen. Die Entnahme der Wassermenge von 13 l/s liege im Schwankungsbereich der Ablesegenauigkeit auf der Pegellatte und der Messgenauigkeit bei der Durchflussmessung.

Dazu nahm die beschwerdeführende Partei mit einer an die BH gerichteten Eingabe vom 14. April 2008 Stellung. Darin führte sie aus, dass es nicht darauf ankomme, in welchem Ausmaß sich der Wasserspiegel im L.-Werkskanal ändere oder nicht. Entscheidend sei vielmehr, dass 13 l/s aus dem L.-Werkskanal vor der Wasserkraftanlage entnommen würden und diese 13 l/s bei der Wasserkraftanlage nicht mehr ankämen. Dadurch ergebe sich für die Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei "eine Mindererzeugung". Demnach seien die durchgeführten Messungen kein taugliches Mittel, um "eine wasserrechtliche Bewilligung herbeizuführen".

Mit Bescheid der BH vom 15. April 2008 wurde dem Mitbeteiligten die wasserrechtliche Bewilligung zur Wasserentnahme aus dem L.-Werkskanal linksufrig im Bereich näher genannter Grundstücke zur Beregnung im einzelnen angeführter Grundstücke mit einer Entnahmemenge von maximal 47 m3/h bei maximal 18.360 m3/Jahr gemäß den Projektunterlagen und der Verhandlungsschrift vom 25. Februar 2008 unter näher genannten Bedingungen und Auflagen befristet bis 28. Februar 2018 erteilt. Ferner wurde das Wasserbenutzungsrecht mit dem Eigentum an der Beregnungsanlage verbunden (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurden die Einwendungen der beschwerdeführenden Partei als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die BH unter anderem aus, aus der Stellungnahme des hydrologischen Amtssachverständigen vom 14. April 2008 gehe hervor, dass keine Beeinträchtigung der Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei gegeben sei. Ebenso sei durch die Auflagen des vorliegenden Bescheides sichergestellt, dass bei Unterschreiten einer Durchflussmenge von 4,0 m3/s keine Wasserentnahme erfolge.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde. Begründend führte die beschwerdeführende Partei aus, dass sich die Stellungnahme des hydrologischen Amtssachverständigen vom 7. April 2008 lediglich mit der Senkung des Wasserspiegels auf der Basis durchgeführter Messungen auseinander setze. Insoweit erscheine es bezeichnend, dass der Amtssachverständige konkrete Ausführungen zu einer Beeinträchtigung der Rechte der beschwerdeführenden Partei selbst nicht tätige. Die konkrete Beeinträchtigung ergebe sich jedoch aus der Tatsache, dass die vom Mitbeteiligten entnommene Wassermenge letztendlich "zur Einspeisung in die Wasserkraftanlage" fehle. Dies führe "periodenmäßig hochgerechnet zu doch im Ergebnis nicht unbeträchtlichen betriebswirtschaftlichen Verlusten" und somit auch zur Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrechtes der beschwerdeführenden Partei. Die BH hätte vielmehr darüber hinaus ein Gutachten darüber einzuholen gehabt, inwieweit die Produktions- und Einspeisungsmengen der Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei im Falle der Bewilligung des gegenständlichen Vorhabens beeinträchtigt würden. Nur dadurch wäre eine konkrete Beeinträchtigung ihrer Rechte darstellbar gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. April 2009 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und die Frist für das Wasserbenutzungsrecht "bis 28. Februar 2019" geändert.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die BH ihrer Entscheidung das ergänzend eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen für Hydrologie vom 7. April 2008 zugrunde gelegt habe. Dieses Gutachten beruhe auf rechnerischen Messungen im hier relevanten Bereich des L.-Werkskanals. Es seien im Bescheid der BH auch tabellarisch Pegelmessungen dargestellt, die die Pegelstände vor und nach Abzug der Konsenswassermenge betreffend die Entnahme für die beantragte Beregnung aufzeigten. Dabei komme der Amtssachverständige auf Grund der geringen Millimeter-Auswirkungen (Absenkung des Wasserstandes) zum Schluss, dass die festgestellten Änderungen "im Schwankungsbereich der Ablesegenauigkeit auf der Pegellatte und der Messgenauigkeit bei der Durchflussmessung" lägen.

Auswirkungen von Wassernentnahmen in Gewässern würden stets in Form der Änderung des Wasserstandes gemessen. Sämtliche Anlagen bzw. Maßnahmen zur Mengensteuerung und Dosierung "des Mediums Wasser" erfolgten über Pegelstände. Mit ihren Ausführungen, wonach keine Berechnungen hinsichtlich der tatsächlich entnommenen Wassermenge angestellt worden seien, überspanne die beschwerdeführende Partei den Bogen der fachlichen Praxis. Selbst wenn man unterstellen würde, dass mit einer anderen Messmethodik andere Ergebnisse erzielt würden, erscheine es "mit den Denkgesetzen der Logik" so gut wie ausgeschlossen, hinsichtlich "Ablese- und Messgenauigkeit gravid abweichende Ergebnisse" als mit der hier vorgenommenen Methode zu erzielen.

Somit bleibe die Tatsache, dass sich die Auswirkungen der konkreten Wasserentnahme im Schwankungsbereich der Analysegenauigkeit bewegten und damit für den Betrieb der Wasserkraftanlage so gut wie nicht spürbar bzw. vernachlässigbar seien. Außerdem werde durch Vorschreibung der Auflage Nr. 2 (Verbot der Wasserentnahme wenn eine Durchflussmenge von 4 m3 unterschritten werde) neben dem Schutz von öffentlichen Interessen auch die (erst) dann entstehende und dann (auch rechtlich) relevante Beeinträchtigung des Wasserrechtes der beschwerdeführenden Partei hintangehalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Mitbeteiligte hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den für seine Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten vollkommen jenem, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2009/07/0099, zu Grunde lag; auf dieses wird somit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Aus den in diesem Erkenntnis genannten Erwägungen war auch der hier angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf die von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachte Umsatzsteuer. Deren Ersatz ist bereits im pauschalierten Kostenersatz enthalten.

Wien, am 20. Mai 2010

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