VwGH 2008/22/0876

VwGH2008/22/087610.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Salzburg vom 8. Oktober 2008, Zl. Fr- 409/2/08, betreffend ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1 erster Fall;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
SMG 1997 §27 Abs1 Fall6;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;
SMG 1997 §28 Abs2 Fall4;
SMG 1997 §28 Abs3 Fall1;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1 erster Fall;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
SMG 1997 §27 Abs1 Fall6;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;
SMG 1997 §28 Abs2 Fall4;
SMG 1997 §28 Abs3 Fall1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 6. April 2007 nach § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG), nach § 27 Abs. 2 Z 2 iVm § 27 Abs. 1 sechster Fall SMG und nach den §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Der Beschwerdeführer habe gewerbsmäßig Suchtgift (Heroin) in zumindest 25-facher Grenzmenge a) von Oktober 2005 bis Oktober 2006 in mehreren Lieferungen mittels Komplizen von Serbien durch ein anderes Land nach Österreich aus- bzw. eingeführt, b) von März 2006 bis Oktober 2006 in zahlreichen Angriffen in Verkehr gesetzt, c) mit dem Vorsatz erworben, es in Verkehr zu setzen. Der Beschwerdeführer habe Heroin bestellt, an diversen Plätzen versteckt und es selbst abgeholt bzw. von seinem Bruder abholen lassen. Dabei habe es sich um insgesamt 1.457 g Heroin gehandelt. Der Beschwerdeführer habe die einzelnen Heroinlieferungen in einem hiefür eigens angemieteten Hotelzimmer mittels einer Feinwaage portioniert und in der Folge an verschiedene Suchtgiftabnehmer weiterverkauft. Er habe in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu erschließen. Weiters habe der Beschwerdeführer von Mitte August bis 20. Oktober 2006 einen so genannten Totschläger, sohin eine verbotene Waffe, unbefugt besessen.

Bereits am 20. Dezember 2003 sei gegen ihn eine Anzeige wegen des Verdachtes der versuchten schweren Nötigung gegen seine frühere Lebensgefährtin erstattet worden. Eine gerichtliche Verurteilung sei dazu nicht ergangen.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei. Auf Grund seiner Verurteilung wegen der Begehung eines schwerwiegenden Suchtgiftdeliktes habe der Beschwerdeführer seine besondere Gefährlichkeit für die Gesellschaft deutlich zum Ausdruck gebracht, die zweifellos auch ein Grundinteresse der Gemeinschaft berühre. Eine günstige Zukunftsprognose könne nicht erstellt werden. Angesichts der verlockend hohen Gewinnspannen beim Handel mit Suchtmitteln sei die Wiederholungs- und Rückfallsgefahr einer derartigen Tatbegehung zu gewärtigen. Wegen der erheblichen in Verkehr gesetzten Menge könne nicht die Rede davon sein, dass sich der Beschwerdeführer nur für den eigenen Gebrauch Suchtgift habe verschaffen wollen. Nur mit dem Aufenthaltsverbot könne gesichert werden, dass der Beschwerdeführer zukünftig keine ähnlich gelagerten Straftaten im Bundesgebiet begehen werde und somit die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 60 Abs. 1 FPG nicht mehr gestört werde.

Aus einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten würden sich Hinweise auf eine bestehende Suchtmittelabhängigkeit ergeben, weil dieses Gutachten typische psychische Entzugssymptomatiken attestiere.

Der Verfestigungstatbestand des § 61 Z 4 FPG komme dem Beschwerdeführer nicht zu Gute, weil er rechtskräftig zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass dieser 1980 in S geboren worden sei. Er sei ledig und sorgepflichtig für zwei minderjährige Kinder. Mit den minderjährigen Kindern führe er kein geregeltes Familienleben; beide Kinder würden bei seinen Exfreundinnen leben. Seine Eltern (die Mutter sei österreichische Staatsbürgerin) lebten in Salzburg gemeinsam mit den Geschwistern des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer selbst sei dort aufrecht gemeldet, habe jedoch bis zu seiner Inhaftierung nicht bei seiner Familie gelebt, sondern ein Zimmer bei einem Freund bewohnt. Die durch den 28-jährigen Aufenthalt in Österreich erlangte Integration werde durch den gefährlichen Suchtgifthandel mit Heroin erheblich relativiert. Der Beschwerdeführer sei zuletzt von April bis August 2006 als Installateur beschäftigt gewesen; zuvor sei er seit Jänner 2005 nur phasenweise beschäftigt gewesen. Er verfüge über einen Bekanntenkreis und über Beziehungen in seiner Heimat. In Abwägung der gegenläufigen Interessen sei festzustellen, dass die öffentlichen Interessen an der Untersagung eines weiteren Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen private Interessen in den Hintergrund drängen würden.

Das Aufenthaltsverbot sei auf unbestimmte Zeit auszusprechen, weil nicht vorhergesehen werden könne, wann die durch den Beschwerdeführer bewirkte Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit weggefallen sein werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Nach Z 1 dieser Bestimmung ist dies der Fall, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, 2007/21/0141).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen. Im Blick auf die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe durfte die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG als erfüllt bejahen und es ist angesichts der äußerst schwerwiegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers im Bereich der Suchtmittelkriminalität auch nicht zu beanstanden, dass sie die Prognose nach § 60 Abs. 1 FPG zu Lasten des Beschwerdeführers erstellt hat. Im Übrigen würde das Aufenthaltsverbot auch einer Prüfung nach der - erhöhte Anforderungen verlangenden - Prognose nach § 56 Abs. 1 FPG standhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, 2008/21/0603). Mit dem Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer "psychisch labil" sei, kann die genannte Prognose keinesfalls erschüttert werden, im Gegenteil wird dadurch die bei Suchtmittelstraftaten ohnehin gegebene große Rückfallgefahr noch verstärkt.

Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist, würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.

Die belangte Behörde durfte das Aufenthaltsverbot auch diesbezüglich als zulässig werten. Auch wenn der Beschwerdeführer in Österreich aufgewachsen ist und demnach unabsprechbare inländische Bindungen hat, ist der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben doch dadurch relativiert, dass er keine (eigene) Kernfamilie (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) im Inland hat.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen führt die Beschwerde aus, dass in beiden Lebensgemeinschaften des Beschwerdeführers Konflikte entstanden seien und der Beschwerdeführer vor seiner Verhaftung bei einem Freund gewohnt habe. Aus dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer bis Juni 2006 mit Unterbrechungen bei seiner Lebensgefährtin und von Juni bis Oktober 2006 (wie behördlich auch festgestellt) bei einem Freund gewohnt habe, wird die weitere Behauptung relativiert, dass er "vor seiner Inhaftierung" mit seiner - im Jahr 2004 geborenen (!) - Tochter aus der zweiten Lebensgemeinschaft zusammengelebt habe. Da der Beschwerdeführer überdies seit langem großjährig ist, trifft dies auch auf die familiären Bindungen zu seinen Eltern zu. Insgesamt sind seine persönlichen Interessen nicht so stark wie das beträchtliche öffentliche Interesse an der Unterbindung derartiger Suchtmittelstraftaten.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der in der Beschwerde angesprochene Umstand, dass der (psychisch labile!) Beschwerdeführer als geprüfter Personenschützer "in einem verantwortungsvollen Bereich" tätig gewesen sei, die Verwerflichkeit seiner Vorgangsweise noch bekräftigt.

Soweit die Beschwerde darauf verweist, dass der Beschwerdeführer nur "einmalig" straffällig geworden sei, ist dem zu entgegnen, dass der gewerbsmäßige Heroinhandel über einen Zeitraum von einem Jahr durchgeführt wurde. Es wäre somit Zeit genug gewesen, dass der Beschwerdeführer seinen in der Beschwerde angesprochenen Plan, den Verkauf der Drogen zu beenden, hätte ausführen können. Für die Gewichtung der öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist letztlich auch von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer die angezeigte versuchte schwere Nötigung gegenüber seiner ersten Lebensgefährtin nicht bestreitet und überdies einen so genannten Totschläger, somit eine verbotene Waffe, besessen hat.

Gemäß § 61 Z 4 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder würde einen der in § 60 Abs. 2 Z 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.

Dem FPG sind somit die Intentionen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass bei einer schwerwiegenden Verurteilung die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes auch dann zulässig ist, wenn der Fremde - wie hier - von klein auf im Inland aufgewachsen ist. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat (im Urteil vom 28. Juni 2007 "Kaya", NL 2007, 144) die Ausweisung eines Migranten zweiter Generation im Blick auf die Schwere der Straftaten für verhältnismäßig iSd Art. 8 EMRK gewertet. Die in § 61 Z 4 FPG geforderte Dauer der Freiheitsstrafe wurde im vorliegenden Fall weit überschritten und es ist dem Beschwerdeführer ein besonders schwerwiegendes und sozialschädliches strafbares Verhalten vorzuwerfen. Demgegenüber ist die aufgezeigte soziale Integration des Beschwerdeführers in Österreich nicht so verfestigt, dass das Aufenthaltsverbot im Sinn einer - an Art. 8 EMRK anknüpfenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, 2007/18/0673) - Interessenabwägung nach § 66 FPG unzulässig wäre.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2008

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