VwGH 2008/22/0842

VwGH2008/22/084210.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 14. August 2008, Zl. 150.856/4- III/4/08, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. Juli 2008 wies der Landeshauptmann von Wien den am 21. Februar 2007 eingelangten Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "ausgenommen Erwerbstätigkeit" mangels persönlicher Antragstellung vor der Behörde zurück. Dabei berief sich die erstinstanzliche Behörde auf § 19 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Beim Erfordernis der persönlichen Antragstellung handle es sich um eine verfassungskonforme Bestimmung. Eine Heilung des "Verfahrensmangels" der persönlichen Antragstellung sei nicht möglich.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den genannten erstinstanzlichen Bescheid - ebenfalls unter Hinweis auf § 19 Abs. 1 NAG - ab. Die belangte Behörde führte aus, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag per Post beim Landeshauptmann von Wien eingebracht habe. Somit sei dem Erfordernis der persönlichen Antragstellung nicht entsprochen worden. Eine Heilung des "Verfahrensmangels" der persönlichen Antragstellung sei nicht möglich. § 19 Abs. 1 NAG gelte sowohl für Erstanträge als auch für Verlängerungsanträge und Zweckänderungsanträge und es müsse in allen Verfahren der Antrag mangels persönlicher Antragstellung mit einer Zurückweisungsentscheidung finalisiert werden. Der Beschwerdeführer sei mit einem vom 6. Dezember 2003 bis 25. Dezember 2003 gültigen Visum eingereist und seitdem in Österreich aufhältig.

In der weiteren Bescheidbegründung nahm die belangte Behörde auf das Erfordernis der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG Bezug und verneinte das Vorliegen humanitärer Gründe nach § 72 NAG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall im Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung die Rechtslage nach dem NAG vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 zu beachten ist.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe der Ladung der erstinstanzlichen Behörde am 10. Juli 2007 persönlich Folge geleistet und somit seinen Antrag vom 21. Februar 2007 persönlich gestellt.

Mit diesem Vorbringen zeigt er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Aus dem Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 22. Juni 2007 für den 10. Juli 2007 geladen wurde, wobei als Thema ausdrücklich "Ihr Antrag vom 21.2.2007 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" angeführt wurde. Am 10. Juli 2007 wurde über die Vernehmung des Beschwerdeführers eine Niederschrift aufgenommen, in der festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer mit einem Visum C eingereist und der Grund seiner Ausreise (aus seinem Heimatstaat) gewesen sei, dass er in Österreich leben wolle. Nach Ablauf des Visums sei er in Österreich geblieben und habe seither hier gearbeitet.

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz NAG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels persönlich bei der Behörde zu stellen. Diesem Erfordernis hat der Beschwerdeführer unstrittig nicht entsprochen. Nach § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2009, 2008/22/0865), dass § 19 Abs. 1 erster Satz NAG ein Formalerfordernis begründet, dessen Missachtung nicht zur sofortigen Zurückweisung führen darf, sondern einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglich ist. Die - fristwahrende - Verbesserung kann in einer persönlichen Bestätigung der Antragstellung bei der erstinstanzlichen Behörde bestehen.

Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, dass eine Heilung des Verfahrensmangels der persönlichen Antragstellung nicht möglich sei, maß die belangte Behörde der zitierten Aussage des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2007 keine relevante Bedeutung zu.

Aus dieser Niederschrift ist nicht abzuleiten, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht aufrecht halten möchte. Im Gegenteil ist dieser Antrag als "Gegenstand der Amtshandlung" bezeichnet worden und es geht aus der Aussage des Beschwerdeführers unzweifelhaft hervor, dass er (legal) in Österreich bleiben möchte. Damit verbesserte er im Sinn des oben Gesagten seinen fehlerhaften Antrag vom 21. Februar 2007, weshalb die erstinstanzliche Behörde diesen Antrag nicht hätte zurückweisen dürfen. Durch die Bestätigung der Zurückweisung des Antrages im Berufungsweg hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Abgesehen davon, dass die belangte Behörde ihren Bescheid ausdrücklich im Spruch nur auf § 19 Abs. 1 NAG gestützt hat, wäre der Bescheid auch dann mit Rechtswidrigkeit behaftet, wenn für die Abweisung der Berufung das Erfordernis der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG herangezogen worden wäre. Bei diesem Erfordernis handelt es sich nämlich nicht um ein bloßes Formalerfordernis, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, 2008/21/0145). Somit hätte der Antrag nicht zurückgewiesen werden dürfen, sondern wäre allenfalls abzuweisen gewesen. Infolge der Zurückweisungsentscheidung der ersten Instanz war jedoch die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde insofern eingeschränkt, als ihr ein meritorischer Abspruch über den Antrag verwehrt war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2004, 2004/21/0014). Auch dies hätte somit zu einer Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides geführt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 10. November 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte