VwGH 2008/22/0668

VwGH2008/22/066811.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Z und des A, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 7. Mai 2008, Zlen. 307.449/14- III/4/08 und 307.449/15-III/4/08, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
SDÜ 1990 Art21;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
SDÜ 1990 Art21;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je EUR 28,70 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer, Geschwister serbischer Staatsangehörigkeit, auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen "Schüler" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte sie in diesen Bescheiden annähernd gleichlautend aus, dass die beiden 1997 und 2000 geborenen Beschwerdeführer im August 2006 nach Österreich gereist seien, um bei ihrer Großmutter zu leben. Diese sei im Besitz eines unbefristeten Niederlassungsnachweises für Österreich und sei die Obsorgeberechtigte für ihre Enkelkinder. Beide Beschwerdeführer verfügten über eine unbefristete "Bewilligung" für Italien und seien daher gemäß Art. 21 SDÜ zu einem dreimonatigen sichtvermerksfreien Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen. Die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung seien jedoch erst am 26. November 2007 und somit nicht innerhalb des dreimonatigen sichtvermerksfreien Aufenthaltes gestellt worden.

Die Anträge seien zweifelsfrei als Erstanträge zu werten, bei denen § 21 Abs. 1 NAG (Gebot der Auslandsantragstellung) zu beachten sei. In der Berufung sei der illegale Aufenthalt der Beschwerdeführer bestätigt worden. Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige in jedem Fall die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung.

Gemäß § 74 NAG könne die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt würden. Gemäß dieser Bestimmung könne in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Zu dem allgemein gehaltenen Berufungsvorbringen bezüglich humanitärer Gründe sei zu bemerken, dass damit - ohne konkrete Beweisangebote vorzubringen - der Mitwirkungspflicht gemäß § 29 Abs. 1 NAG nicht nachgekommen worden sei. Es werde daher festgestellt, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass sie ihre Anträge durch ihre gesetzliche Vertreterin während ihres inländischen Aufenthalts eingebracht haben und weiter im Inland geblieben sind.

Mit dem Hinweis auf italienische Aufenthaltstitel wird kein Tatbestand des § 21 Abs. 2 NAG dargetan.

Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0265 bis 0267).

Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer und ihrer Großmutter wurde die Großmutter am 18. Dezember 2007 von der erstinstanzlichen Behörde vernommen. Sie gab an, dass sie seit 1991 in Österreich sei und über eine unbefristete Bewilligung verfüge. Sie sei die väterliche Großmutter der Beschwerdeführer und habe insgesamt vier Kinder und 14 Enkelkinder. Der Vater der Beschwerdeführer sei ein Jahr in Österreich niedergelassen gewesen, weshalb die Erstbeschwerdeführerin auch in Österreich geboren worden sei. Der Vater lebe seit etwa zehn Jahren mit seiner Familie in Italien. Im August 2006 seien die Kinder gemeinsam mit den Eltern in das Bundesgebiet eingereist. Nach ungefähr drei Monaten seien die Eltern wieder nach Italien zurückgekehrt. "Als Grund, warum die Kinder, die zuvor in Italien die Schule besucht haben, in Österreich geblieben sind, gebe ich an, dass (die Erstbeschwerdeführerin) bei mir bleiben und in Wien die Schule besuchen wollte." In Wien lebe noch die 1986 geborene ältere Schwester der Beschwerdeführer. Die Großmutter habe nicht gewusst, dass die Enkelkinder Bewilligungen für Österreich benötigen würden.

Die Beschwerde enthält lediglich folgende Begründung:

"Wie bereits in unseren Berufungen vorgebracht, verfügen wir über unbefristete Aufenthaltsbewilligungen in Italien. Wir haben dort aber keine entsprechende Existenzmöglichkeit und leben bei der väterlichen Großmutter die für uns auch obsorgeberechtigt ist. Unsere Eltern sind nicht willens und nicht in der Lage uns zu erhalten und für uns zu sorgen, weshalb wir auch bei der väterlichen Großmutter leben, so dass humanitäre Gründe zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gegeben sind. Aufgrund des Aufenthaltstitels in Italien waren wir berechtigt die Anträge in Österreich abzugeben."

Der belangten Behörde ist darin Recht zu geben, dass mit diesen allgemein gehaltenen Behauptungen ein humanitärer Grund im Sinn des § 72 NAG nicht dargetan wird. Da im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht aufgezeigt wurde, aus welchen Gründen die Beschwerdeführer nicht weiter mit ihren Eltern in Italien hätten leben können, ist mit der Verweigerung der begehrten Aufenthaltsbewilligungen kein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privat- und Familienleben verbunden. Allein der Wunsch, in Österreich zu bleiben und hier die Schule besuchen zu wollen, bildet keinen Umstand, der die Ablehnung der Anträge als unzulässigen Eingriff nach Art. 8 EMRK werten ließe.

Demnach erweist sich die Abweisung der Anträge unter Heranziehung des § 21 Abs. 1 NAG nicht als rechtswidrig.

Da den angefochtenen Bescheiden somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. Mai 2010

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