VwGH 2008/22/0666

VwGH2008/22/06663.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 19. Mai 2008, Zl. uvs-2007/11/1511-5, betreffend Behebung eines Bescheides in Angelegenheit eines Aufenthaltsverbotes (mitbeteiligte Partei: D, vertreten durch Havva Fahimian, Rechtsanwältin in D-24103 Kiel, Herzog-Friedrich-Straße 52), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §3;
FrPolG 2005 §10;
FrPolG 2005 §6 Abs1;
FrPolG 2005 §6 Abs2;
FrPolG 2005 §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §1;
AVG §3;
FrPolG 2005 §10;
FrPolG 2005 §6 Abs1;
FrPolG 2005 §6 Abs2;
FrPolG 2005 §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck verhängte mit Bescheid vom 30. Mai 2007 gegen den Mitbeteiligten, einen deutschen Staatsangehörigen, ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Der Mitbeteiligte sei mit seinem PKW am 10. Jänner 2006 über den Grenzübergang Kufstein in Österreich eingereist und habe zwei mazedonische Staatsangehörige mitgeführt. Am selben Tag seien alle Personen gegen 5:20 Uhr über den Brenner nach Italien ausgereist. Bei der Mautstelle in S habe die italienische Polizei nach Kontrolle den Mitbeteiligten und die beiden mazedonischen Staatsangehörigen festgenommen. Die beiden mazedonischen Staatsangehörigen hätten nicht über Einreise- bzw. Aufenthaltstitel für Österreich oder das (sonstige) Schengengebiet verfügt. Der Mitbeteiligte sei am 20. April 2007 vom Landesgericht Bozen - nicht rechtskräftig - wegen Beihilfe zur illegalen Einreise von Ausländern schuldig gesprochen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde das erstinstanzliche Aufenthaltsverbot mit der Begründung, dass der Mitbeteiligte zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung weder einen Wohnsitz noch einen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt habe. Zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG am 10. Jänner 2006 nach der Verständigung durch die italienische Polizei - und auch in der Folge - sei der Mitbeteiligte nicht mehr in Österreich aufhältig gewesen. Die erstinstanzliche Behörde sei daher zur Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes örtlich nicht zuständig gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Amtsbeschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

§ 6 FPG lautet (auszugsweise) mit Überschrift:

"Örtliche Zuständigkeit im Inland

§ 6. (1) Die örtliche Zuständigkeit im Inland richtet sich nach dem Hauptwohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetzes 1991 - MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet. Bei Vorliegen mehrerer sonstiger Wohnsitze ist jener maßgeblich, welcher zuletzt begründet wurde.

(2) Hat der Fremde keinen Wohnsitz im Bundesgebiet, richtet sich die Zuständigkeit nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz.

…"

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass der Mitbeteiligte nicht über einen Hauptwohnsitz oder Wohnsitz im Bundesgebiet verfügte und zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz auch nicht (mehr) in Österreich aufhältig war.

In der Amtsbeschwerde wird jedoch zutreffend auf § 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) verwiesen. Diese Bestimmung lautet: "§ 3. Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese

  1. 1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen:
  2. 2. nach der Lage des Gutes;
  3. 3. in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung oder sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;

    4. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlaß zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig."

    Bei § 3 AVG handelt es sich um eine materiell-rechtliche Regelung, weshalb dieser Bestimmung nur subsidiäre Wirkung zukommt. Der Verfahrensgesetzgeber von 1925 ging nämlich davon aus, dass auch die örtliche Zuständigkeit durch die in § 1 AVG bezogenen Vorschriften bereits weitgehend geregelt ist. (§ 1 AVG hält fest, dass sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften richtet). Die in § 3 AVG festgelegten Anknüpfungspunkte kommen jedoch insoweit in Betracht, als die Regelung der örtlichen Zuständigkeit in einem Materiengesetz unvollständig ist (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 3 Rz 1 mwN).

    Da die Zuständigkeitsvorschrift des § 6 FPG für Konstellationen wie die vorliegende keine Regelung enthält, im Gegensatz zum Fall des in der Gegenschrift zitierten hg. Erkenntnisses vom 14. April 1994, 94/18/0114 (Beantragung eines Sichtvermerks im Ausland), jedoch die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf eine subsidiäre Zuständigkeitsbestimmung (inländische Behörden betreffend) gegeben ist, war die erstinstanzliche Behörde im Blick auf den letzten Aufenthalt des Mitbeteiligten im Inland gemäß der subsidiären Regelung des § 3 AVG zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes zuständig.

    Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

    Wien, am 3. April 2009

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