VwGH 2008/22/0567

VwGH2008/22/056710.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des AG in H, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. März 2006, Zl. Fr 452/04, betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §61 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §61 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von "Serbien und Montenegro", gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Dieser Bescheid ist im zweiten Rechtsgang ergangen, nachdem der erste Berufungsbescheid mit hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 2005, 2005/21/0210, aufgehoben worden war.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer am 7. Oktober 1998 erstmals illegal eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe. In der Folge sei er nach "Jugoslawien" zurückgekehrt und am 30. April 2002 abermals in das Bundesgebiet eingereist. Einen weiteren Asylantrag habe er zurückgezogen. Er habe am 26. August 2002 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Diese Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Hollabrunn vom 29. April 2004 gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden, weil die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden sei, dem Beschwerdeführer eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu verschaffen. Weiters sei der Beschwerdeführer am 13. Jänner 2004 rechtskräftig nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Wochen verurteilt worden, weil er seine damalige Ehefrau durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Erstattung einer Selbstanzeige über die "Scheinehe" genötigt habe.

Auf Grund der Bindung an das rechtskräftige Nichtigkeitsurteil nehme die belangte Behörde als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsbürgerin die Ehe lediglich deswegen eingegangen sei, um in den Genuss einer längerfristigen Aufenthaltsberechtigung zu kommen, wobei von vornherein nicht geplant gewesen sei, ein gemeinsames Familienleben im Sinn von Art. 8 EMRK zu führen. Für die Eheschließung habe der Beschwerdeführer einen Vermögensvorteil geleistet.

Durch dieses Verhalten sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt und es sei auch die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer sei seit April 2002 in Österreich durchgehend aufhältig und gehe einer Berufstätigkeit nach. In Österreich lebe er mit seinem Bruder und seiner Schwägerin im gemeinsamen Haushalt. Die Integration des Beschwerdeführers in Österreich sei wegen der missbräuchlich geschlossenen Ehe deutlich geschmälert. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen daher nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Seine Interessen an einem Verbleib in Österreich hätten eindeutig hinter die genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zurückzutreten. Diese Überlegungen würden auch für die Beurteilung des Ermessensspielraumes nach § 60 Abs. 1 FPG gelten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Eingangs ist auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen zu antworten, dass dem Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Nichtigerklärung seiner Ehe keine aus dem Gemeinschaftsrecht abzuleitenden Berechtigungen als Ehemann einer Österreicherin zukommen. Selbst bei aufrechter Ehe wäre aber auch der Einwand einer Unzuständigkeit der belangten Behörde verfehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, 2006/21/0330).

Wegen der Bindungswirkung des Nichtigerklärungsurteils durfte die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG als erfüllt ansehen. Im Blick auf das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ist auch die weitere behördliche Ansicht, dass die Prognose nach § 60 Abs. 1 FPG zu Lasten des Beschwerdeführers zu treffen sei, nicht zu beanstanden (vgl. zu beiden Gesichtspunkten das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0727).

Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Nötigung verweist, macht die Beschwerde als Verfahrensmangel geltend, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer diesen Umstand nicht vorgehalten hat. Dieser Einwand versagt schon deswegen, weil das Aufenthaltsverbot auch allein auf die rechtsmissbräuchlich geschlossene Ehe hätte gestützt werden dürfen und der genannten Verurteilung somit keine Relevanz zukommt.

Die Beschwerde ist auch unberechtigt, soweit sie das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG anspricht. Auch unter der Annahme von persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers zu seinen Geschwistern sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich trotz seiner Berufstätigkeit bei weitem nicht so schwer zu gewichten wie die genannten öffentlichen Interessen an der Unterbindung eines derart rechtsmissbräuchlichen Vorgehens. Der seit dem rechtsmissbräuchlichen Eheschluss verstrichene Zeitraum von etwa vier Jahren ist für die Annahme eines Wegfalls des genannten öffentlichen Interesses noch zu kurz. Entgegen der Beschwerdeansicht kann dahingestellt bleiben, ob die Asylanträge "offenbar rechtsmissbräuchlich eingebracht" wurden.

Dennoch kommt der Beschwerde Berechtigung zu.

Gemäß § 61 Z 2 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre. § 54 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, dass Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, dann mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1) oder der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (Z 2).

Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass ihm im Februar 2004 durch die Erstbehörde in Kenntnis des Aufenthaltsverbotes eine weitere Niederlassungsbewilligung ausgestellt worden sei. Der im Verwaltungsakt erliegende Ausdruck aus der Fremdeninformationsdatei vom 27. April 2004 enthält den Eintrag, dass dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung für die Zeit vom 29. Oktober 2003 bis 28. Oktober 2005 verlängert worden sei; als Datum des Speicherersuchens ist der 3. Februar 2004 vermerkt.

Zu diesen im Verwaltungsakt aufscheinenden Vorgängen hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen. Dieser Verfahrensmangel ist relevant, darf doch ein Aufenthaltsverbot dann nicht erlassen werden, wenn in Kenntnis der Sachlage eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, 99/18/0140, dessen Grundsätze auf die Rechtslage nach dem FPG übertragbar sind; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen).

Demnach war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 10. Dezember 2008

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