VwGH 2008/22/0548

VwGH2008/22/054814.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der AZ (geboren 1983) in G, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 16. Juni 2005, Zl. Fr 345/2004, betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1;
StGB §127;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1;
StGB §127;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z 1 und § 39 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführerin zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten und schloss sich überdies ausdrücklich den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid an. Die Behörde erster Instanz hatte das Aufenthaltsverbot auf die rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführerin vom 28. Jänner 2004 nach § 28 Abs. 2 und 3 Suchtmittelgesetz (SMG), § 27 Abs. 1 SMG und § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten gestützt.

Diesem im Verwaltungsakt erliegenden Urteil zufolge hat die Beschwerdeführerin im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter gewerbsmäßig Suchtmittel in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, nämlich im Zeitraum Anfang 2001 bis Anfang Mai 2003 150 Gramm Heroin, 3 Gramm Kokain und 5 Gramm Marihuana, im Zeitraum von Anfang 2003 bis zum 15. Mai 2003 5 bis 7 Gramm Heroin, im Zeitraum von Dezember 2002 bis Februar 2003 4 Gramm Heroin, im Zeitraum von September 2002 bis Anfang Dezember 2002 20 Gramm Heroin und 4 bis 5 Gramm Kokain, im Zeitraum von Ende 2002 bis Anfang 2003 2 Gramm Heroin, im Jahr 2002 2 Gramm Heroin und zu nicht näher bekannten Zeitpunkten 2 Gramm Heroin an jeweils namentlich genannte Personen gewinnbringend weiter verkauft. Weiters hat sie von 2001 bis 28. Juni 2003 eine unbekannte Menge Heroin und Kokain konsumiert sowie eine namentlich genannte Person durch die Vorgabe, Suchtgift für ihn erwerben zu wollen, zur Herausgabe von EUR 320,-- verleitet.

Dadurch - so die belangte Behörde weiter - sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt und es sei im Hinblick auf die außerordentliche Gefährlichkeit der im großen Maß angelegten Suchtgiftkriminalität die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Zur Beurteilung nach § 37 FrG verwies die belangte Behörde darauf, dass sich die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben seit 1996 durchgehend in Österreich aufhalte und derzeit bei ihren legal aufhältigen Eltern in Österreich lebe. Auf Grund der überaus großen Sozialschädlichkeit der von ihr begangenen Suchtgiftdelikte hinsichtlich einer großen Menge an Heroin und Kokain sei jedoch das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Rechte anderer) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und es wögen die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.). Diese Beurteilung sei selbst dann gerechtfertigt, wenn die berufliche Integration der Beschwerdeführerin nicht als durch das schwere Suchtgiftdelikt relativiert angesehen werde.

Letztlich sah sich die belangte Behörde außer Stande, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin auszuüben.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 2. November 2005, B 840/05-13, die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen hat:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Die Beschwerdeführerin bekämpft nicht die behördlichen Feststellungen über ihre gerichtliche Verurteilung. Demnach durfte die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG als erfüllt ansehen und es begegnet im Blick auf die hohe Sozialschädlichkeit von Suchtmitteldelikten auch keinen Bedenken, dass sie die Gefährdungsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG bejaht hat.

Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist, würde u.a. durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 37 Abs. 2 FrG ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.

Zur Beurteilung nach § 37 FrG führt die Beschwerde aus, dass sich die Beschwerdeführerin - wie schon in der Berufung behauptet -

nicht erst seit 1996, sondern seit dem Jahr 1991 in Österreich aufhalte. Auch wenn der belangten Behörde daraus ein Verfahrensmangel vorzuwerfen ist, fehlt es der Verfahrensrüge doch an der erforderlichen Relevanz. Auch unter Zugrundelegung eines inländischen Aufenthaltes seit 1991 ist nämlich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und zulässig nach § 37 FrG zu beurteilen. Die erstinstanzliche Behörde verwies nämlich - vom Beschwerdevorbringen bestätigt - auf die Verurteilungen der Beschwerdeführerin vom 29. August 2001 und 5. September 2002 jeweils nach § 127 StGB zu einem Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe bzw. zu einer Geldstrafe. Weiters wurde die Beschwerdeführerin am 5. März 2003 nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung vom 28. Jänner 2004 lagen schwer wiegende Suchtmitteldelikte aus dem Zeitraum Anfang 2001 bis Juni 2003 zu Grunde. Die 1983 geborene Beschwerdeführerin verübte diese Delikte zum Großteil daher zu einem Zeitpunkt, als sie bereits großjährig war. Aus der gewerbsmäßigen Weitergabe von Heroin über einen längeren Zeitraum ergibt sich ein massives öffentliches Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Das gegenläufige private Interesse der Beschwerdeführerin, das aus einem längeren Aufenthalt in Österreich gemeinsam mit ihren Eltern und aus einer - in der Berufung angesprochenen und durch eine vorgelegte Arbeitsbestätigung nachgewiesenen - Berufstätigkeit im Inland resultiert, erreicht nicht jenes Gewicht, das erforderlich wäre, um das genannte öffentliche Interesse in den Hintergrund zu stellen. Somit durfte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot als dringend geboten und zulässig werten. Soweit die Beschwerdeführerin meint, dass sie im Ausland keine Wurzeln mehr habe, ist der Hinweis angebracht, dass ihr Heimatland nunmehr Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und der Aufbau einer Existenz keine unzumutbaren Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Ergänzend sei bemerkt, dass auch unter der Annahme eines inländischen ununterbrochenen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 1991 ein Tatbestand nach § 38 FrG nicht verwirklicht wurde, hat doch die Beschwerdeführerin in der im Akt erliegenden Niederschrift vom 29. Oktober 2002 ausdrücklich angegeben, bereits seit September 2000 Heroin gekauft zu haben. Somit sind seit der Einreise bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der Deliktsverwirklichung noch nicht zehn Jahre vergangen, was eine Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 im Sinn des § 38 Abs. 1 Z 3 FrG gewesen wäre. Konsequenterweise wurde ein Versagungsgrund für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der Beschwerde nicht releviert.

Letztlich trifft der Vorwurf in der Beschwerde nicht zu, dass die belangte Behörde keine Begründung für ihre Interessenabwägung und für ihre Ermessensentscheidung gegeben hätte. Die belangte Behörde verwies nämlich zu beiden Fragen einerseits auf das öffentliche Interesse an der Unterbindung von Suchtmittelkriminalität, andererseits aber auch auf das konkrete Fehlverhalten der Beschwerdeführerin und auch auf deren persönliche Verhältnisse.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Ausmaß - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 14. Oktober 2008

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