VwGH 2008/22/0536

VwGH2008/22/053628.8.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. Juli 2005, Zl. Fr 1440/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein bis zum 5. Juni 2009 befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass gegen den Beschwerdeführer für den "Schengenraum" gültige Aufenthaltsverbote verhängt worden seien, und zwar in Deutschland ein bis zum 1. November 2005 und in Italien ein bis zum 13. Februar 2007 befristetes. Einem Bericht der Polizeiinspektion St. Veit an der Gölsen vom 5. Juni 2004 sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines Diebstahlsverdachts angehalten worden sei. Die Staatsanwaltschaft St. Pölten habe die Anzeige auf freiem Fuß verfügt. Nach Erlassung des nunmehr mit Berufung bekämpften Aufenthaltsverbotes sei der Beschwerdeführer am 7. Juni 2004 freiwillig ausgereist. Dem Akteninhalt nach habe er sich im Februar 2005 wieder im Bundesgebiet aufgehalten, "da" mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau am 21. Februar 2005 ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, gegen welches er Berufung erhoben habe.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass ein Aufenthaltsverbot auch dann erlassen werden dürfe, wenn zwar keiner der in § 36 Abs. 2 FrG demonstrativ aufgezählten Tatbestände verwirklicht sei, aber auf Grund von anderen Umständen eine "positive Gefährdungsprognose" gemäß § 36 Abs. 1 FrG vorgenommen werden könne. Die mehrmalige Einreise des Beschwerdeführers in den "Schengenraum" trotz der bestehenden Aufenthaltsverbote von Italien und Deutschland sowie die "oftmaligen Einreiseversuche", bei denen der Beschwerdeführer zurückgewiesen worden sei, reichten aus, ein Aufenthaltsverbot auf die Generalklausel des § 36 Abs. 1 FrG zu stützen.

In der Folge beurteilte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers als dringend geboten und als zulässig im Sinn des § 37 FrG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Die belangte Behörde ist grundsätzlich im Recht, dass ein Aufenthaltsverbot auch direkt auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden kann, wenn zwar keiner der Tatbestände des § 36 Abs. 2 FrG erfüllt ist, wohl aber triftige Gründe vorliegen, die in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2005, Zl. 2005/21/0011).

Im Hinblick auf ein fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten hat der Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass ein illegaler Grenzübertritt, die Nichtbeachtung einer Ausweisung und ein fortgesetzter unrechtmäßiger Aufenthalt kein Aufenthaltsverbot nach § 36 Abs. 1 FrG rechtfertigen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 15. März 2005 mwN). Somit kann auch die Einreise eines Fremden unter allfälliger Nichtbeachtung eines im gesamten "Schengenraum" wirksamen Aufenthaltsverbotes bei Fehlen einer Aufenthaltsberechtigung für Österreich eine Ausweisung rechtfertigen, nicht jedoch ein Aufenthaltsverbot. Die von der belangten Behörde herangezogenen "oftmaligen Einreiseversuche" können das Aufenthaltsverbot schon deswegen nicht tragen, weil diesbezüglich jegliche Konkretisierung unterblieben ist. Dies gilt auch für den von der belangten Behörde zitierten "Diebstahlsverdacht".

Da die belangte Behörde somit bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht - im Umfang des Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Der weiters begehrte Verhandlungsaufwand ist nicht angefallen.

Wien, am 28. August 2008

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