VwGH 2008/22/0449

VwGH2008/22/04496.8.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des J, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 2007, Zl. 310.612/3-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §10 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §25 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
NAG 2005 §10 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §25 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 28. August 2007 wurde der Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2006 auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 iVm § 10 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen (Spruchpunkt I). Weiters wies sie die Berufung gegen den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides ab (Spruchpunkt II).

Begründend führte die belangte Behörde - soweit es das Beschwerdevorbringen betrifft - aus, der Beschwerdeführer sei im Besitz einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" mit einer Gültigkeitsdauer vom 12. Juli 2004 bis 12. Juli 2006 gewesen. Auf Grund einer rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien sei gegen ihn mit Bescheid vom 2. November 2004 ein für die Dauer von zehn Jahren gültiges Aufenthaltsverbot verhängt worden, das von der Berufungsbehörde bestätigt worden sei. Das Aufenthaltsverbot sei daher seit 11. November 2005 rechtskräftig aufrecht. Der vom Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Unter Hinweis auf die §§ 10 Abs. 1 und 82 Abs. 1 NAG führte die belangte Behörde aus, ein Aufenthaltstitel werde ungültig, wenn gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig werde. Die Ersichtlichmachung der Ungültigkeit oder Gegenstandslosigkeit habe lediglich deklaratorischen Charakter, die Wirkung der Ungültigkeit oder Gegenstandslosigkeit trete ex lege ein.

Die Rechtskraft des angefochtenen Bescheides sei mit dessen Zustellung eingetreten, woran weder die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof noch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung etwas ändere.

Das Aufenthaltsverbot des Beschwerdeführers sei mit 11. November 2005 rechtskräftig geworden. Sein letzter Aufenthaltstitel sei somit ex lege ungültig geworden. Eine Verlängerung dieses Aufenthaltstitels sei daher nicht möglich und sein Antrag vom 10. Juli 2006 als Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zu werten. Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 iVm § 72 NAG dürfe einem Fremden, gegen den ein aufrechtes Aufenthaltsverbot bestehe, auch nicht bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Fälle aus humanitären Gründen ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 28. September 2006 humanitäre Gründe geltend gemacht, da seine Ehefrau nicht nur unter massivem Bluthochdruck leide, sondern u. a. auch unter rezidivierenden Harnwegsinfekten und Niereninsuffizienz. Aus diesem Grunde sei von Amts wegen eine Überprüfung im Sinne des § 72 NAG durchgeführt worden. Auch die vorgebrachte Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Ehefrau führe nicht zur Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels, zumal es sich dabei nicht um Lebensumstände handle, die für den Betroffenen mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen für ihn selbst verbunden wären. Außerdem sei das gegen den Beschwerdeführer bestehende aufrechte Aufenthaltsverbot ein absoluter Versagungsgrund und schließe die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen von vornherein aus.

Die belangte Behörde wies in ihrer Gegenschrift vom 2. Jänner 2008 darauf hin, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. März 2007 (zugestellt am 30. April 2007) die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen das Aufenthaltsverbot als unbegründet abgewiesen habe.

Der mit hg. Verfügung vom 6. April 2009 i.S.d. § 41 Abs. 1 VwGG zur Stellungnahme aufgeforderte Beschwerdeführer teilte mit Schriftsatz vom 14. Mai 2009 mit, es sei richtig, dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, er beabsichtige jedoch, einen Antrag auf Aufhebung zu stellen. Er halte sich seit 2001 in Österreich auf, seine Ehefrau und die vier minderjährigen Kinder lebten ebenfalls in Österreich. Der Beschwerdeführer sei zuckerkrank und müsse seine ebenfalls zuckerkranke Ehefrau bei der Erziehung der Kinder unterstützen. Die Beschwerdeanträge blieben daher vollinhaltlich aufrecht.

Gegen den obigen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen den Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides, womit die Berufung gegen den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides abgewiesen wurde.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 2007, 2005/18/0701 (zugestellt am 30. April 2007), wurde die Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Damit ist die der Beschwerde zuerkannte aufschiebende Wirkung, die der Heranziehung des Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG entgegengestanden ist, weggefallen. Das Aufenthaltsverbot war somit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aufrecht und durchsetzbar.

§ 10 Abs. 1 NAG lautet:

"§ 10. (1) Aufenthaltstitel und Dokumentationen des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts werden ungültig, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig wird. Solche Fremde verlieren ihr Recht auf Aufenthalt. Ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts lebt von Gesetzes wegen wieder auf, sofern innerhalb ihrer ursprünglichen Geltungsdauer das Aufenthaltsverbot anders als nach § 65 FPG oder die Ausweisung behoben wird."

Die belangte Behörde geht somit im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die dem Beschwerdeführer erteilte Niederlassungsbewilligung mit einer ursprünglichen Geltungsdauer bis 12. Juni 2006 durch das mit 11. November 2005 rechtskräftig erlassene Aufenthaltsverbot ex lege ungültig geworden und eine Verlängerung dieses Aufenthaltstitels daher nicht möglich ist, da innerhalb der ursprünglichen Geltungsdauer der Niederlassungsbewilligung das Aufenthaltsverbot nicht aufgehoben wurde. Entgegen ihrer Ansicht war der gegenständliche Antrag jedoch nicht als Erstantrag zu werten, sondern die belangte Behörde hatte über den gestellten Verlängerungsantrag zu entscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2009, 2009/22/0149).

§ 25 Abs. 1 und 2 NAG lauten:

"§ 25. (1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts Erteilungsvoraussetzungen (§ 11 Abs. 1 und 2), so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 66 FPG) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde die zur Aufenthaltsbeendigung zuständige Fremdenpolizeibehörde - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 AVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Der Veranlassung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung gemäß § 25 Abs. 1 NAG ist ein sinngemäß entsprechender Akt - etwa ein Aktenvermerk in Verbindung mit einer entsprechenden Mitteilung an den Antragsteller oder an die Fremdenpolizeibehörde - gleichzuhalten (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2009, 2009/22/0149).

Dem Verwaltungsakt ist ein Aktenvermerk vom 19. Juli 2006 zu entnehmen, in dem die belangte Behörde unter Hinweis auf § 10 Abs. 1 NAG ausführt, (das Aufenthaltsverbot) sei im gegenständlichen Fall nicht innerhalb der ursprünglichen Dauer des Aufenthaltstitels behoben worden, der letzte Aufenthaltstitel bleibe ungültig und der gegenständliche Antrag sei als Erstantrag zu behandeln. Mit Schreiben vom 2. August 2006 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführervertreter auf dessen Anfrage Folgendes mit:

"Gemäß § 10 Abs. 1 NAG werden Aufenthaltstitel ungültig, wenn ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar oder rechtskräftig wird.

Da im ggstdl. Fall das Aufenthaltsverbot rechtskräftig war, wurde der Aufenthaltstitel ungültig gestempelt.

Ein Aufenthaltstitel kann nur dann wieder aufleben, wenn das Aufenthaltsverbot innerhalb der ursprünglichen Dauer des Aufenthaltstitels behoben wird.

Da im ggstdl. Fall das nicht passiert ist und derzeit das Aufenthaltsverbot noch immer nicht behoben ist (lediglich aufschiebende Wirkung durch den VwGH zuerkannt) bleibt der letzte Titel ungültig und dieser Antrag ist als Erstantrag zu behandeln."

Damit ist dem Erfordernis eines sinngemäß entsprechenden Aktes iSd vorzitierten Erkenntnisses Genüge getan. Die belangte Behörde hätte nach Abweisung der mit aufschiebender Wirkung versehen gewesenen Beschwerde gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid den gegenständlichen Verlängerungsantrag gemäß § 25 Abs. 2 NAG formlos einzustellen gehabt.

Indem die belangte Behörde den gegenständlichen Verlängerungsantrag abgewiesen und nicht das Verfahren bloß formlos eingestellt hat, hat sie die Rechtslage verkannt. Es ist somit entbehrlich, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der Notwendigkeit einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG oder der Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen näher einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war nach dem Gesagten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 6. August 2009

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