VwGH 2008/22/0375

VwGH2008/22/037517.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Benno J. Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. August 2005, 314.566/2-III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 31. August 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines mazedonischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 iVm § 19 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 28. April 2001 illegal in Österreich eingereist, der am 9. Mai 2001 gestellte Asylantrag sei rechtskräftig negativ entschieden worden. Am 17. Juli 2003 habe der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag gestellt, der am 3. Juni 2004 wiederum rechtskräftig negativ beschieden worden sei. Da der Beschwerdeführer noch nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung verfügt habe, sei der Antrag vom 22. Juni 2004 als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu werten. Erstanträge seien gemäß § 14 Abs. 2 FrG vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Lägen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG vor, könne der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden. Gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG unterliege die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige keiner Quotenpflicht, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 erfüllt seien und die Antragsteller entweder Familienangehörige eines rechtmäßig auf Dauer niedergelassenen Fremden seien oder die Voraussetzungen gemäß Abs. 3 erfüllten.

Für die belangte Behörde stehe fest, dass der Antrag entgegen der Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG im Inland gestellt worden sei. Eine Überprüfung im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG habe ergeben, dass im vorliegenden Fall von wirtschaftlichen Gründen auszugehen sei. Bei einer Heimkehr wäre der Beschwerdeführer der absoluten Armut preisgegeben und hätte keinerlei Hilfe zu erwarten. Es seien jedoch keine ausreichenden besonders berücksichtigungswürdige humanitären Aspekte gegeben. In Mazedonien gebe es keine Kriegshandlungen und die wirtschaftliche Lage sei bekannt. Aus diesem Grund lägen die materiellen Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG nicht vor und eine Inlandsantragstellung werde gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG von Amts wegen nicht zugelassen.

Der Beschwerdeführer hätte somit seinen Antrag vor der Einreise vom Ausland aus stellen müssen, der Antrag sei daher abzuweisen. Da die Antragstellung vor der Einreise von wesentlicher Bedeutung sei und der Gesetzgeber bereits bei Erlassung des § 14 Abs. 2 FrG auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt hätte, sei davon auszugehen, dass ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, entbehrlich sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 2 FrG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht hätte erteilt werden können (§ 13 Abs. 3 FrG). Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG vor, kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden.

§ 14 Abs. 2 letzter Satz FrG eröffnet der Niederlassungsbehörde die Möglichkeit, von Amts wegen in ganz bestimmten Ausnahmefällen (nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 FrG) von einer Abweisung eines im Inland gestellten Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung Abstand zu nehmen. § 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2008/22/0268).

Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid verfügte der Beschwerdeführer bisher weder über einen Sichtvermerk noch über eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung und hielt sich zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages sowie danach im Inland auf. Es kann somit nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn der in Rede stehende Antrag als Erstantrag qualifiziert wurde, der entgegen der Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG im Inland gestellt wurde.

Ferner ist unstrittig, dass die Asylanträge des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen wurden und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG festgestellt wurde. Im Hinblick darauf steht fest, dass der Beschwerdeführer keiner Gefährdung oder Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG ausgesetzt ist, sofern nicht in den als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz für die Entscheidung über das Vorliegen eines humanitären Grundes in Form einer Gefährdung oder Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG zukommt. Die vom EGMR mehrfach betonte Exzeptionalität der Umstände, die vorliegen müssten, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat in Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen, erfordern eine ganz besonders detaillierte Darstellung der Verhältnisse der betroffenen Person, und zwar sowohl im Zielstaat der Abschiebung als auch in Österreich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, 2006/18/0020).

Der Beschwerdeführer bringt vor, das elterliche Haus sei durch kriegerische Handlungen zerstört und nur notdürftig saniert, seine Ehefrau sei während ihrer Flucht aus dem Kriegsgebiet traumatisiert worden und bei einer Rückkehr in den Heimatort käme es höchstwahrscheinlich zu einer Retraumatisierung. Was die Kriegshandlungen betreffe, werde auf eine strenge Trennung der albanischen und mazedonischen Volksgruppe verwiesen und auf das nach wie vor vorhandene Konfliktpotenzial. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer wirtschaftliche Motive unterstellt, auf die psychische Situation der Familie sei nicht eingegangen und es seien dazu keine Feststellungen getroffen worden. Die belangte Behörde hätte eine neuerliche Entscheidung in der Sache treffen und unter Wahrung des Parteiengehörs den im Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt feststellen müssen. Das hätte die belangte Behörde unterlassen. Lediglich der Beschwerdeführer könne nach § 19 Abs. 2 Z 6 FrG einen Erstantrag im Inland einbringen, er erfülle die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 FrG, da er über eine Arbeitserlaubnis verfüge. Dennoch seien auch die Anträge der Gattin und der beiden Kinder abgewiesen worden. Bei Familien lägen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG erst dann vor, wenn dem Beschwerdeführer selbst eine Niederlassungsbewilligung auf Dauer erteilt worden sei. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG ließen sich aber nur gesamt für die ganze Familie beurteilen. Für ihn allein als Familienvater lägen die humanitären Gründe nicht vor, er könne sich auf Grund seines Alters und seiner Fähigkeiten allein in Mazedonien durchbringen und würde auch von der Familie aufgefangen werden. Im Zusammenhang mit zwei Kleinkindern und einer Gattin sei allerdings die Situation aus einem anderen Blickwinkel heraus zu betrachten. In einem ordentlichen Ermittlungsverfahren hätte sich daher die belangte Behörde auch mit der familiären Situation auseinander setzen müssen, anstatt streng getrennt jeden einzelnen Antrag mit gleich lautender Begründung abzuweisen. Der Asylgesetzgeber hätte die besondere Situation von Familienangehörigen verfahrensrechtlich berücksichtigt und im Asylrecht ein Familienverfahren eingeführt.

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen nicht aufgezeigt, inwieweit sich seit der Entscheidung über den Asylantrag am 3. Juni 2004 für ihn die Lebenssituation in Mazedonien und damit die rechtliche Beurteilung des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG maßgeblichen Sachverhaltes wesentlich geändert hätten. Vor diesem Hintergrund geht auch die Verfahrensrüge fehl, die belangte Behörde hätte die Situation des Beschwerdeführers umfassend ermitteln müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 2007, 2004/18/0368; auch diesem Verfahren lag das Vorbringen zu Grunde, die Situation in Mazedonien sei aus humanitärer Sicht für "eine Familie mit zwei Kleinkindern" nicht zumutbar).

Ein - ausnahmsweise - aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch liegt gegenständlich ebenfalls nicht vor. Wie aus dem im Verwaltungsakt aufliegenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. Februar 2004, mit dem der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wird, hervorgeht, verstößt die Ausweisung nicht gegen das nach Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Bei gleich gebliebenen Umständen ist diese Beurteilung auch im Niederlassungsverfahren relevant (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2008/22/0264).

Soweit auf die Traumatisierung der Ehefrau des Beschwerdeführers hingewiesen wird, wurden dafür im Verwaltungsverfahren keinerlei Nachweise vorgelegt. Dass die Ehefrau diesbezüglich in medizinischer Behandlung sei, wird nicht behauptet. Mit diesem Vorbringen kann daher eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt werden.

Da sich somit die vorliegende Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über die Aufwandsentschädigung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. September 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte