VwGH 2008/21/0494

VwGH2008/21/04949.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. Norbert Stütler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 11. Juli 2008, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §11 Abs1;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z3;
FrPolG 2005 §21 Abs5 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §11 Abs1;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z3;
FrPolG 2005 §21 Abs5 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine äthiopische Staatsangehörige, stellte am 16. Mai 2008 bei der Österreichischen Botschaft in Addis Abeba den Antrag auf Erteilung eines für 60 Tage gültigen Reisevisums, um in Österreich ihre Schwester und den als einladende Person angegebenen Schwager - beide sind österreichische Staatsbürger - zu besuchen.

Mit Vorhalt der Botschaft vom 12. Juni 2008 wurde der Beschwerdeführerin durch Ankreuzen der entsprechenden Rubrik eines Formblatts zur Kenntnis gebracht, dass ihrem Antrag nicht stattgegeben werden könne, weil Grund zur Annahme bestehe, dass ihr Aufenthalt mangels Vorlage einer tragfähigen Verpflichtungserklärung zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Hierauf legte die Beschwerdeführerin am 26. Juni 2008 Urkunden zu ihren finanziellen Verhältnissen vor, doch wurde ihr gemäß einem in den Verwaltungsakten erliegenden Aktenvermerk vom selben Tag mitgeteilt, "dass das nichts an der Situation ändert".

In der Folge, am 27. Juni 2008, langte bei der Botschaft ein Mail des Beschwerdeführervertreters ein, mit dem er insbesondere bekannt gab, seitens der Beschwerdeführerin mit der Vertretung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt worden zu sein. Am 10. Juli 2008 erschien die Beschwerdeführerin persönlich bei der Botschaft und füllte dort einen Fragebogen zu ihren persönlichen Verhältnissen aus. Außerdem wurde mit ihr ein "Interview" durchgeführt, im Zuge dessen ihr gemäß dem darüber aufgenommen Aktenvermerk die - dort näher dargestellten - Bedenken bezüglich mangelnder Verwurzelung in Äthiopien mitgeteilt wurden und sie nochmals befragt wurde, "ob sie weitere Sachverhalte vorbringen könne, die ihre Bindung zu Äthiopien dartun könnten, da sonst nach ho. Ermessen die Wiederausreise als nicht gesichert erscheint".

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 11. Juli 2008 wies die Österreichische Botschaft Addis Abeba den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums wiederum unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Fettdruck der den Text des § 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG wiedergebenden Passage zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde nunmehr diese Erteilungsvoraussetzung für nicht erfüllt erachte, ihr somit die Wiederausreise der Beschwerdeführerin als nicht gesichert erscheine.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen hat:

Während die belangte Behörde mit ihrem Vorhalt vom 12. Juni 2008 zunächst zum Ausdruck brachte, es bestehe Grund zur Annahme, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, sodass öffentliche Interessen der Erteilung des beantragten Visums entgegenstünden (§ 21 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 5 Z 3 FPG), hat sie ihre Entscheidung letztlich wie dargestellt auf das Fehlen der Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 FPG gestützt. Dass Bedenken in diese Richtung bestünden, wurde der Beschwerdeführerin allerdings nach der Aktenlage erst im Zuge des "Interviews" vom 10. Juli 2008 zur Kenntnis gebracht, ohne dass ihr eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden wäre. Vor allem aber hat die belangte Behörde übersehen, dass der gemäß § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG gebotene Vorhalt in Bezug auf den letztlich zur Abweisung des Sichtvermerksantrages herangezogenen Grund dem ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführerin hätte zugestellt werden müssen. Indem sie das unterlassen hat, hat sie das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2008, Zl. 2008/21/0511, auf dessen Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Vor dem Hintergrund des zur Verankerung der Beschwerdeführerin in Äthiopien erstatteten Beschwerdevorbringens (Hinweis auf Ehe, Grundvermögen und Arbeit) kommt diesem Verfahrensfehler Relevanz zu, und zwar ungeachtet dessen, dass dem Aktenvermerk vom 10. Juli 2008 über das "Interview" mit der Beschwerdeführerin Überlegungen dahingehend zu entnehmen sind, dass die angesprochenen Gesichtspunkte keine Verwurzelung zu begründen vermögen. Die erwähnten Überlegungen wurden der Beschwerdeführerin nämlich bislang jedenfalls nicht in rechtlich erheblicher Weise zur Kenntnis gebracht.

Im Hinblick auf den aufgezeigten Verfahrensmangel war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 9. November 2010

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