Normen
AsylG 1997 §7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, nämlich betreffend die Abweisung der Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, beantragte am 23. Juli 2004 Asyl. Seine Flucht begründete er im Wesentlichen damit, von russischen Soldaten in Tschetschenien mehrfach festgenommen, massiv gefoltert (Verbrennungen mit Zigaretten, Elektroschocks, Schläge auf den Kopf, Schüsse in den Fuß) und nach Widerstandskämpfern befragt worden zu sein. Gegen Zahlung von Lösegeld sei er zwar freigelassen worden, er habe jedoch aus Angst vor neuerlicher Festnahme die Flucht aus dem Herkunftsstaat ergriffen.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 ab. Gleichzeitig gewährte sie dem Beschwerdeführer subsidiären Schutz und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
Zur Begründung ihrer negativen Asylentscheidung führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe könnten nicht festgestellt werden. Ein chirurgisches Gutachten habe die vom Beschwerdeführer zentral ins Treffen geführte Behauptung, von russischen Soldaten durch Schüsse in den Fuß verletzt worden zu sein, widerlegt. Auch eine weitere vom Beschwerdeführer aufgezeigte Misshandlungsmethode (Stromstöße) sei als eindeutig unmöglich in Abrede gestellt und es seien auch Misshandlungen im Kopfbereich nicht positiv konstatiert worden. Demnach sei der Beschwerdeführer nicht auf die von ihm ins Treffen geführte Art und Weise schwer misshandelt oder gefoltert worden. Da sein Vorbringen im zentralsten Punkt seiner Fluchtgeschichte sohin entkräftet worden sei, sei dem Fluchtvorbringen jegliche Glaubhaftigkeit entzogen. Hinzu trete, dass der Beschwerdeführer unfähig gewesen sei, ein detailliertes Lagebild (über den Hergang seiner Festnahmen und die Modalitäten seiner Haft) zu zeichnen. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, individuell-konkrete Gefährdungsmomente glaubhaft zu machen. Allein aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit drohe ihm bei Rückkehr nach Tschetschenien keine Verfolgung mit maßgeblicher
Wahrscheinlichkeit; hinzutretende Risikofaktoren - wie allenfalls
bereits ins Blickfeld der russischen Militärbehörden geraten zu sein - habe er nicht aufzuzeigen vermocht.
Gegen den Asyl ablehnenden Spruchteil des Bescheides der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde abzulehnen bzw. kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die behördliche Beweiswürdigung ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zwar nur dahin unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, was dann der Fall ist, wenn sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen, ohne dass es dem Gerichtshof zukäme, die vorgenommene Beweiswürdigung der belangten Behörde darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Eine Beweiswürdigung ist aber nur dann schlüssig, wenn (unter anderem) alle zum Beweis strittiger Tatsachen nach der Aktenlage objektiv geeigneten Umstände berücksichtigt wurden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2009, Zlen. 2007/19/0827 bis 0829, mwN).
Diesem letztgenannten Erfordernis entspricht die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid nicht.
Nach Auffassung der belangten Behörde sei durch das chirurgische Gutachten dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers jegliche Glaubwürdigkeit entzogen. Zu Recht weist die Beschwerde aber darauf hin, dass der Gutachter Teile der vom Beschwerdeführer angegebenen Misshandlungen bestätigt hat. Die Narben an seiner linken Hand - so der Gutachter - seien "durch Verbrennungen durch runde Gegenstände entstanden, die Größe der Narben korreliert mit einer brennenden Zigarette, die Struktur der Narben könnte dem angegebenen Zeitraum entsprechen". Entgegen der Auffassung der belangten Behörde bezeichnete der Gutachter die vom Beschwerdeführer angegebene Folter durch Stromstöße nicht als unmöglich, sondern führte aus, der vom Beschwerdeführer geschilderte Ablauf der Folter erscheine ihm als in solchen Dingen erfahrenen Sachverständigen ohne Weiteres nachvollziehbar.
Die belangte Behörde hat sich über diese für die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sprechenden Umstände ohne bzw. mit einer unrichtigen Begründung hinweggesetzt. Schon deshalb vermag ihre Beweiswürdigung auch nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bestand zu haben.
Ausgehend davon lässt sich aber noch nicht abschließend beurteilen, ob der Beschwerdeführer in der Vergangenheit nicht bereits in solcher Weise in das Blickfeld der Sicherheitsbehörden seines Herkunftsstaates geraten ist, dass ihm auch im Falle der Rückkehr noch Gefahr drohen könnte.
Der Bescheid der belangten Behörde war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 2. September 2010
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