VwGH 2008/18/0598

VwGH2008/18/059822.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des R T in W, geboren am 5. Mai 1975, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19/Landesgerichtsstr. 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. Juni 2008, Zl. E1/407.129/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Juni 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 iVm § 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

Der Beschwerdeführer habe sich vom 8. Oktober 2002 bis 29. Juli 2003 unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten. Am 1. Oktober 2002 habe er einen Asylantrag eingebracht; dieses Verfahren sei am 7. November 2002 eingestellt worden, weil der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthaltes gewesen sei.

Am 16. Juni 2003 habe der Beschwerdeführer in W die österreichische Staatsbürgerin D S. geheiratet, am 31. Juli 2003 - gestützt auf diese Ehe - einen Erstantrag als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" eingebracht und in der Folge einen Aufenthaltstitel erhalten. Zuletzt habe er über eine "Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger gültig von 9. August 2006 bis 9. November 2006" (richtig: über eine Bestätigung gemäß § 24 Abs. 1 NAG) verfügt; über einen Verlängerungsantrag sei noch nicht entschieden worden.

Auf Grund des Verdachtes des Vorliegens einer Scheinehe seien von der erstinstanzlichen Behörde Erhebungen eingeleitet worden. Im Zuge einer Hauserhebung am 6. Mai 2005 am behaupteten gemeinsamen Wohnsitz der Eheleute in Wien 17 sei S G. angetroffen worden. Nach Vorlage der sich im Akt befindenden Fotos habe diese angegeben, dass D S. (die Ehefrau des Beschwerdeführers) und deren Tochter M S. bereits im November des Vorjahres ausgezogen seien; D S. habe mit ihrer Tochter in der Wohnung allein gelebt.

Einem Bericht vom 9. Juni 2005 sei zu entnehmen, dass S G. der erstinstanzlichen Behörde telefonisch mitgeteilt habe, sie habe den Beschwerdeführer schon ein paarmal beobachtet, wie dieser allein die Post abgeholt habe und wieder verschwunden sei. Dieser Umstand - so die belangte Behörde - deute darauf hin, dass der behauptete Wohnsitz dem Beschwerdeführer ausschließlich für den Zweck der postalischen Zustellung diene. In weiterer Folge sei durch die erstinstanzliche Behörde die amtliche Abmeldung der Eheleute veranlasst worden.

Am 25. Jänner 2007 sei der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Dolmetschers für die albanische Sprache niederschriftlich vernommen worden. Zeitversetzt sei auch seine Ehefrau vernommen worden. Der Beschwerdeführer habe angegeben, seit der Eheschließung mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt zu leben. Das Bestreben, die Ehe zu schließen, sei von beiden ausgegangen; man habe auch gemeinsam das Aufgebot bestellt. Als Trauzeugen hätten I I. und dessen Ehefrau fungiert. Des weiteren sei noch ein Freund, X K., anwesend gewesen.

Die Ehefrau habe angegeben, "die späteren Eheleute" hätten sich in einem Kaffeehaus kennengelernt und dann beschlossen, die Ehe zu schließen. Man habe gemeinsam das Aufgebot bestellt. Die Eheschließung sei am 30. Juni 2003 erfolgt, aber das genaue Datum "merke sie sich nicht so". Die Trauzeugen seien der Cousin ihres Mannes und dessen Ehefrau gewesen, deren Familiennamen sie jedoch nicht kenne. Man sei insgesamt zu acht beim Standesamt gewesen und nach der Eheschließung zu fünft in ein Restaurant gegangen. Die Zeremonie der Eheschließung sei für sie unwichtig gewesen; auch ihre Tochter habe daran nicht teilgenommen.

Zum letzten Wochenende befragt habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe von sieben Uhr bis zwölf Uhr gearbeitet. Danach seien er und seine Ehefrau zuhause gewesen. Er habe eine Pizza mit Salami und eine mit Champignons geholt und man habe diese dann gegessen. Den Nachmittag habe man in der Wohnung verbracht, man sei nicht weggegangen, sondern habe zuhause ferngesehen. Der Fernseher befinde sich im Schlafzimmer, und man sei während des Fernsehens eingeschlafen.

Die Ehefrau habe angegeben, man sei das letzte Wochenende gemeinsam zuhause gewesen. Am Samstag sei sie zuerst so gegen acht Uhr aufgestanden und habe wie immer das Frühstück bestehend aus Kaffee, Tee, Wurst, Käse, Butter und Semmeln gemacht, und man habe zu dritt gefrühstückt. Was sie am Samstag gekocht habe, könne sie nicht mehr angeben. Auf Grund der Tatsache, dass man später gefrühstückt habe, koche sie erst immer später. Im Übrigen sei man am Samstagnachmittag und Abend zuhause gewesen und habe Filme angeschaut. Im Laufe des Samstags sei am Nachmittag ein jüngerer Mann namens T, welcher bei ihnen im Haus wohne, kurz vorbeigekommen, und man habe familiäre Belange besprochen. Auf die Frage, wo sich der Fernseher befinde, habe die Befragte angegeben, dass dieser in einem Wohnzimmerverbau integriert sei. Man schlafe im Wohnzimmer, wo sich auch der Fernseher befinde.

Aufgefordert, den Sonntag zu beschreiben, habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er sei gegen zehn Uhr, kurz nach seiner Ehefrau, aufgestanden und habe Kaffee mit Milch und Zucker getrunken; seine Gattin habe zuerst einen Kräutertee mit Zucker und anschließend einen Kaffee mit Milch und Zucker getrunken. Gegessen habe man dazu nichts. Seine Ehefrau habe dann Spaghetti mit Faschiertem und Käse gemacht, und man habe gegen 12.30 Uhr gemeinsam gegessen. Besuch habe man keinen bekommen.

Die Ehefrau habe hingegen angegeben, dass sie immer die erste sei, die aufstehe; am Sonntag sei sie so gegen zehn Uhr aufgestanden. Beim Frühstück habe sie zuerst Kaffee mit Milch und Zucker getrunken. Sie habe Putenschnitzel mit Püree gemacht; man habe so zwischen 15 und 16 Uhr gegessen. Zwischen 18 und 19 Uhr sei der Cousin ihres Mannes namens T vorbeigekommen, und man sei, ohne Tochter, in eine Pizzeria Kaffee trinken gegangen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe sich dahingehend korrigiert, dass man am Samstag in der Pizzeria gewesen sei und der junge Mann am Sonntag vorbeigekommen sei.

Auf die Frage, was der Beschwerdeführer zum Schlafen getragen habe, habe dieser ausgeführt, ein blaues T-Shirt und eine Unterhose getragen zu haben.

Seine Ehefrau habe hingegen angegeben, dass ihr Mann einen normalen blauen Schlafanzug getragen habe. Sie selbst habe in Unterwäsche geschlafen. Die Farbe sei weiß oder champagnerfärbig gewesen.

Laut Beschwerdeführer sei die Ehe nicht vermittelt worden; es habe dafür weder Geld noch Sachleistungen gegeben. Er bestreite entschieden, eine Scheinehe geschlossen zu haben. Diese Angaben seien von seiner Ehefrau insofern bestätigt worden, als auch sie angegeben habe, dass weder Geld noch Sachleistungen für die Eheschließung bezahlt worden seien.

Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, dass man sich zum Geburtstag immer etwas zum Anziehen geschenkt habe. Seine Ehefrau habe jedoch vorgebracht, sie habe von ihrem Mann zu den Geburtstagen einen Ring, Parfum und Blumen erhalten. Sie selbst habe ihrem Mann zu seinen Geburtstagen Champagner bzw. Sekt und Parfums gekauft und meistens sein Lieblingsessen gekocht. Zu Weihnachten habe der Beschwerdeführer von seiner Frau eine Flasche Sekt bekommen, er habe ihr eine Bluse gekauft. Die Ehefrau habe ihrem Mann zu Weihnachten eine teure Flasche Champagner geschenkt. Die Frage, ob es sich dabei um Sekt gehandelt habe, habe sie verneint, weil der Beschwerdeführer gerne Champagner trinke. Das Vorliegen einer Aufenthaltsehe sei von beiden stets bestritten worden.

Mit Schreiben vom 25. Jänner 2007 sei eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ergangen. In einer Stellungnahme vom 30. Jänner 2007 habe der Beschwerdeführer, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, unter anderem angeführt, dass keine Scheinehe vorliege. Die erstinstanzliche Behörde beziehe sich offensichtlich auf Ungereimtheiten bei den Angaben der Eheleute in der Niederschrift vom 25. Jänner 2007, wobei diese sich lediglich auf die Gestaltung des letzten Wochenendes bezogen hätten. Dessen ungeachtet sei jedoch der Großteil der Aussagen auch im Detail übereinstimmend.

Mit Bescheid vom 22. August 2007 sei von der erstinstanzlichen Behörde ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Fristgerecht sei Berufung erhoben worden. Als Berufungsgründe seien Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht worden.

Mit Schreiben vom 10. September 2007 habe der Beschwerdeführer eine "zweite Berufung" eingebracht. Darin bringe er unter anderem vor, dass vermeintliche Widersprüche und unterschiedliche Angaben der Eheleute dahingehend zu erklären seien, dass die Ehe "bereits am 7. November 2005 geschlossen" worden sei. Es sei also durchaus nachvollziehbar, dass sich die Ehegatten nicht mehr detailgenau an wechselseitig geschenkte Gegenstände erinnern hätten können. Darüber hinaus wäre es aber auch Aufgabe der erstinstanzlichen Behörde gewesen, sämtliche Übereinstimmungen mit den Angaben der Ehefrau zu berücksichtigen. Im Übrigen werde die Dauer des Aufenthaltsverbotes moniert. Der Beschwerdeführer verweise auch auf § 66 FPG und erachte die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dann als unzulässig, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen von der Abstandnahme der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 2003 im Bundesgebiet und sei aufrecht beschäftigt. Der mehrjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers, die familiären, privaten sowie sozialen Bindungen und seine geregelte berufliche Tätigkeit fänden im Bescheid keinerlei Berücksichtigung.

Am 20. November 2007 seien der Beschwerdeführer und seine Ehefrau ergänzend vernommen worden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe unter anderem angegeben, dass sie von ihrem Ehemann zwischen November 2005 und November 2006 getrennt gelebt habe. Seit November 2006 wohne sie aber wieder mit ihm zusammen. Ihr Ehemann gehe immer sehr früh arbeiten, sei viel unterwegs und arbeite meistens in einem anderen Bundesland, derzeit "habe er eine Baustelle" in K. Man sehe sich nur an den Wochenenden.

Der Beschwerdeführer dagegen habe angegeben, dass man immer zusammen gewohnt habe; man sei nie getrennt gewesen. Er arbeite seit neun oder zehn Monaten außerhalb von Wien in K.

Einem Bericht der erstinstanzlichen Behörde vom 28. November 2007 zufolge sei die Ehefrau von November 2005 bis November 2006 vom Beschwerdeführer getrennt gewesen und habe während dieser Zeit unangemeldet in Wien 20 gewohnt. Laut Akt seien mehrere Ladungen, die von der erstinstanzlichen Behörde an die Ehefrau des Beschwerdeführers geschickt worden seien, von der Post nach Wien 20 weitergeleitet worden. Aus einer Anzeige gegen die Ehefrau gehe außerdem hervor, dass diese im Jänner 2007 nach wie vor in Wien 20 wohnhaft gewesen sei. Die Behauptungen, seit der Eheschließung in einem gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben, seien durch die Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers am 20. November 2007 und die durchgeführten Erhebungen widerlegt. Zu ihrer derzeitigen Wohnanschrift befragt, habe die Ehefrau angegeben, sich beim Anruf am 9. November 2007 bei der Hausnummer geirrt zu haben, weil die Wohnung einer Freundin gehöre und sie mit ihrem Ehemann dort nur zur Untermiete wohne. Der Beschwerdeführer habe jedoch mitgeteilt, dass die Wohnung seiner Ehefrau selbst gehöre. Eine Wohnungserhebung am 22. November 2007 an der Adresse in Wien 17 habe jedoch ergeben, dass laut Mitteilung der Mieterin von Türnummer 9 seit Anfang des Jahres 2007 eine alleinstehende Frau mit blonden Haaren in der Wohnung Nr. 10 wohnhaft sei. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei von der Mieterin auf dem vorgezeigten Lichtbild eindeutig wiedererkannt worden. Der Beschwerdeführer sei dort nicht bekannt.

Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Überprüfung am 27. November 2007 habe die Ehefrau des Beschwerdeführers an der Wohnadresse in Wien 17 angetroffen werden können. Über entsprechende Aufforderung habe sie im Vorraum in einem Schrank eine Jacke, einen Pullover, ein Paar Straßenschuhe, ein Paar Hausschuhe sowie im Badezimmer eine Dose Rasierschaum und den Reisepass ihres Ehemannes vorweisen können.

Im Stiegenhaus sei der Mieter von Tür Nr. 4 angetroffen worden, welcher angegeben habe, dass er die Ehefrau des Beschwerdeführers und ihre Tochter kenne. Seines Wissens wohne diese mit keinem "fixen" Mann zusammen und bekomme von unterschiedlichen Männern Besuch.

Eine Wohnungserhebung am 27. November 2007 an einer näher genannten Adresse in Wien 6 habe ergeben, dass mehrere angetroffene Mieter nach Vorlage von Lichtbildern des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau angegeben hätten, dass diese in dem Haus nicht wohnhaft seien bzw. diese nicht zu kennen. Auf Grund der zahlreichen Erhebungen und Widersprüche könne laut erhebendem Organ davon ausgegangen werden, dass zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Wohnsitz bzw. eine "aufrechte Ehe" zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau bestanden habe.

In der Stellungnahme vom 20. Februar 2008 zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass sich die Aussagen seiner Ehefrau und seine eigenen weitgehend decken würden. Seine Ehefrau habe mehrfach mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer aus beruflichen Gründen während der Arbeitswoche oft auswärts aufhalte. Daher sei auch die Aussage des Mieters des Wohnhauses, Tür Nr. 4, welcher meine, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers mit keinem "fixen" Mann zusammenlebe, nicht weiter verwunderlich. Ferner sei darauf hinzuweisen, in der ehelichen Wohnung hätten sehr wohl Kleidungsstücke und Hygieneartikel, die einer männlichen Person zuzuordnen seien, aufgefunden werden können. Wesentlich sei zudem, dass die Eheleute im Zuge ihrer getrennten Befragung großteils vollkommen übereinstimmende Angaben zu ihren ehelichen und beruflichen Verhältnissen machen hätten können.

Einem Erhebungsbericht der Erstbehörde zufolge sei erwiesen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers - welche selbst behauptet habe, von November 2005 bis November 2006 von ihrem Ehemann getrennt gewesen zu sein - in dieser Zeit unangemeldet in Wien 20 gewohnt habe. Am behaupteten Wohnsitz in Wien 6 seien den befragten Mietern weder der Beschwerdeführer noch dessen Ehefrau bekannt gewesen. Eine Wohnungserhebung am 22. November 2007 an der Adresse in Wien 17 habe ergeben, dass D S. dort alleine lebe, was deren Nachmieterin bereits 2005 ausgesagt habe.

Es hätten sich auch bei der Vernehmung des Ehepaares wesentliche und nicht erklärbare Widersprüche ergeben. Die belangte Behörde übersehe nicht, dass die beiden teilweise auch übereinstimmende Aussagen getätigt hätten; es liege jedoch gerade im Wesen einer Aufenthaltsehe, durch (auch) gleichlautende Angaben der Behörde eine aufrechte Ehe vorzutäuschen. Nur bei Fragen, die nicht vorhersehbar und unerwartet gewesen seien, habe sich gezeigt, dass die Befragten gänzlich abweichende Aussagen gemacht hätten.

Im Zuge der ersten Vernehmung der Eheleute am 25. Jänner 2007 hätten sich - im angefochtenen Bescheid näher dargestellte - Widersprüche bei der Schilderung des letzten gemeinsamen Wochenendes sowie, was vermeintliche Besuche, die Position des Fernsehers in der Wohnung, das vermeintlich gemeinsame Frühstück am Samstag sowie das Essen am Sonntag betreffe, ergeben.

Bei der zweiten Vernehmung vom 20. November 2007 seien die Befragten offensichtlich schon mehr auf die Fragestellung durch die Erstbehörde eingestellt gewesen und hätten deshalb auch übereinstimmende Aussagen getätigt. Trotzdem bestünden Widersprüche betreffend die angebliche Trennung des Ehepaares. Auch bezüglich der Beschäftigung des Beschwerdeführers seien unrichtige Angaben gemacht worden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe etwa angegeben, dass dieser bei einem näher genannten Unternehmen als Arbeiter beschäftigt sei, meist in anderen Bundesländern arbeite und nur an den Wochenenden nachhause komme. Derzeit sei die Baustelle des Beschwerdeführers in K., wo dieser ein Quartier habe. Auch der Beschwerdeführer habe ausgesagt, dass er bei der näher genannten Firma beschäftigt sei, schon seit neun oder zehn Monaten außerhalb von Wien arbeite und nur an den Wochenenden nachhause komme. Diese Angaben des Ehepaares seien jedoch durch nachträgliche Erhebungen falsifiziert worden. Die Erhebungsergebnisse hätten nämlich ergeben, dass der Beschwerdeführer ab Mai 2007 bis Dezember 2007 ausschließlich auf Baustellen in Niederösterreich gearbeitet habe und im Zeitraum September, Oktober und November 2007 auf der U3-Baustelle in Wien eingesetzt gewesen sei. In K. habe der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum des Jahres 2007 zu keiner Zeit gearbeitet.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau hätten mehrfach die Unwahrheit gesagt; daher sei den Aussagen der beiden, dass keine Aufenthaltsehe vorliege, kein Glauben zu schenken gewesen.

Nach Wiedergabe des § 87 FPG führte die belangte Behörde in ihren rechtlichen Erwägungen aus, dass der Beschwerdeführer zwar Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG, aber kein "begünstigter Drittstaatsangehöriger" nach § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG sei, weil seine Ehefrau ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe. Der Katalog des § 60 Abs. 2 FPG könne als Orientierungsmaßstab für die Verhängung von Aufenthaltsverboten herangezogen werden.

Das Vorliegen einer Aufenthaltsehe sei auf Grund der Gesamtheit der Erhebungsergebnisse als bewiesen anzusehen.

Auf Grund der dargelegten Umstände, des Erhebungsergebnisses insgesamt und der zum Teil widersprüchlichen Aussagen der beiden Eheleute in den Niederschriften sei die belangte Behörde zur Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer eine Ehe geschlossen, ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK mit seiner Ehefrau jedoch nie geführt habe und unter Berufung auf diese "Scheinehe" einen Aufenthaltstitel erwirkt bzw. zu prolongieren versucht habe. Vor diesem Hintergrund stehe für die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin rechtsmissbräuchlich geschlossen habe. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, welche die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Auf Grund der dargestellten Umstände seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 iVm § 86 FPG gegeben.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG fielen der knapp sechsjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers und seine beruflichen Bindungen im Bundesgebiet ins Gewicht. Familiäre Bindungen - außer zur "Scheinehefrau" - bestünden hingegen nicht. Eine soziale und wirtschaftliche Integration in Österreich werde nicht behauptet.

Angesichts aller Umstände sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Aufenthaltsehe mit einem österreichischen Staatsbürger schließe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Somit bestehe auch ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Scheinehen. Gegen dieses Interesse habe der Beschwerdeführer jedoch gravierend verstoßen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.

Die aus der Erwerbstätigkeit allenfalls ableitbare Integration des Beschwerdeführers sei als geschmälert anzusehen, weil sie nur auf Grund der Aufenthaltsehe mit einer Österreicherin überhaupt möglich gewesen sei. Darüber hinaus sei von ergänzender Schul- oder Berufsausbildung in Österreich keine Rede. Die Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Heimat möge "lose oder emotional erschüttert" sein, dennoch habe der Beschwerdeführer den allergrößten Teil seines Lebens dort verbracht "oder zumindest nicht in Österreich". Worin im Übrigen die wirtschaftliche und soziale Integration im Detail bestehe, sei nicht vorgebracht worden.

Den vorhandenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich stehe vor allem aber gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und durch unrichtige Angaben maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung, geordnete Besorgung des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Das Aufenthaltsverbot sei daher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG), und die Auswirkungen dieser Maßnahme wögen nicht schwerer auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG).

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG dann gegeben sind, wenn der Fremde im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine Aufenthaltsehe geschlossen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. August 2010, Zl. 2010/21/0249, mwN).

Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2. Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe (Scheinehe) bringt die Beschwerde vor, der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten auch übereinstimmende Angaben gemacht, etwa wie sich die hinterfragten Tagesabläufe dargestellt hätten, ob sie Raucher bzw. Nichtraucher seien oder bezüglich der Art und Farbe der Unterwäsche. Die belangte Behörde habe diese Angaben jedoch nur insoweit berücksichtigt, als sie unterstelle, das Ehepaar sei im Zuge der wiederholten Befragung bemüht gewesen, "Übereinstimmungspunkte zu sammeln". Tatsächlich seien diese Angaben jedoch wesentlich. Außerdem hätten die beiden stets das Eingehen einer Scheinehe bestritten. Dennoch vermeine die belangte Behörde, wesentliche und nicht erklärbare Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers bzw. seiner Ehefrau zu erblicken, verabsäume es jedoch, die diesbezüglichen Aussagen zu konkretisieren.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. So bestreitet sie nicht die Feststellungen betreffend die durchgeführten Hauserhebungen am 6. Mai 2005 und am 27. November 2007 und auch nicht den festgestellten Inhalt der Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau bei den Vernehmungen am 25. Jänner 2007 und am 20. November 2007. Wenn die belangte Behörde angesichts dieser Ermittlungsergebnisse und insbesondere im Hinblick auf die - nicht bloß als geringfügig anzusehenden - Abweichungen zwischen diesen Aussagen - etwa in Bezug auf den Ablauf des vergangenen Wochenendes, die gegenseitig gemachten Geschenke und den gemeinsamen Wohnsitz sowie die Trennung des Ehepaares - zur Überzeugung gelangte, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen, und die Ehegatten kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt hätten, so begegnet diese Beweiswürdigung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Hierbei kann - entgegen der Beschwerdeansicht - auch keine Rede davon sein, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, "ihre Aussagen zu konkretisieren" bzw. den angefochtenen Bescheid ausreichend zu begründen. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist vielmehr deutlich erkennbar, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat und welche Erwägungen für ihre Beurteilung maßgeblich waren.

3. Auf dem Boden der unbedenklichen Feststellungen der belangten Behörde und in Anbetracht des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, Zl. 2007/18/0790), begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 FPG darstelle, keinen Bedenken.

4. Ebenso begegnet die Interessenabwägung der belangten Behörde im Grund des § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG keinem Einwand, und es genügt, auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen. Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe es verabsäumt, eine Abwägung der für und gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden Argumente vorzunehmen, ist angesichts der oben wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde nicht nachvollziehbar.

5. Ferner bestand für die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdeansicht - mangels Vorliegen besonderer Umstände auch keine Veranlassung, von ihrem Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. Februar 2011

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