Normen
AVG §68 Abs1;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc;
PaßG 1992 §15 Abs1;
SDÜ 1990;
Übk Verbot doppelte Strafverfolgung;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ZPO §411;
AVG §68 Abs1;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc;
PaßG 1992 §15 Abs1;
SDÜ 1990;
Übk Verbot doppelte Strafverfolgung;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ZPO §411;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 24. Juni 2008 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) den dem Beschwerdeführer ausgestellten Reisepass mit der Nr. L 0206378 (gültig vom 29. Juli 2004 bis zum 28. Juni 2014) gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, idF BGBl. I Nr. 44/2006 (PassG) entzogen.
Gemäß dem Urteil des Stadtgerichtes Mosonmagyarovar vom 19. Mai 2005 stehe in Bezug auf den Beschwerdeführer Folgendes fest:
"Sie waren vom 5. bis 8. März 2005 in Gewahrsame und dann bis zum 19.04.2005 in Untersuchungshaft.
Sie sind schuldig die Straftat des Menschenschmuggels in Form der Hilfeleistung zum unerlaubten Übertritt über die Staatsgrenze gegenüber mehreren Personen, die Straftat des Menschenschmuggels in Form der Hilfeleistung zum unerlaubten Übertritt über die Staatsgrenze zum Zwecke der Erzielung eines Vermögensvorteils und 3-fach die Straftat der Urkundenfälschung begangen zu haben.
Sie wurden dafür zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und vier Monate Gefängnis und Nebenstrafe zu einer Geldstrafe in der Höhe von 200.000 Forint verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde für eine Probezeit von 2 Jahren ausgesetzt.
Sie haben sich am 26.02.2005 zwischen 18.00 Uhr und 18.10 Uhr am Straßenverkehrsgrenzübergang H zur Ausreise nach Österreich angemeldet, wobei sie mit dem PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen BL unterwegs waren. In dem von Ihnen gelenkten PKW haben sich die Fahrgäste H B, P H und L M aufgehalten, wobei die Fahrgäste serbisch-montenegrinische Staatsbürger waren, welche sich mit auf ihre Daten und Fotos enthaltenden Reisepässen H B mit dem Pass mit der Nr. NLD 108914444, P H mit dem Pass mit der Nr. NLD 88012399 und L M mit dem Pass mit der Nr. NLD 88891476 ausgewiesen haben.
Diese niederländischen Reisepässe wurden von einem Sachverständigen als Fälschungen qualifiziert.
Sie haben sich am 05. März 2005, um 17.10 Uhr mit dem Kraftfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen BL beim Straßenverkehrsgrenzübergang H zur Ausreise gemeldet, dabei haben Sie versucht, den im Kofferraum des Fahrzeuges versteckten und über keine gültigen Reisedokumente verfügenden deutschen Staatsbürger M M illegal nach Österreich zu schaffen. Sie haben sich am Abend des 04. März 2005 in der Stadt L in einer Bar mit M M getroffen, dabei haben sie besprochen, dass Sie ihn im Kofferraum Ihres Fahrzeuges nach Österreich schaffen. Am Morgen des nächsten Tages haben sie sich dann erneut getroffen und sind nach G gefahren, um Geld abzuheben, dann sind sie in Richtung des Grenzüberganges bei H weiter gefahren.
M M hätte Ihnen für den Fall, dass es Ihnen gelungen wäre, ihn nach Österreich zu schmuggeln, EUR 500,-- bezahlt.
Sie haben dann mit Genehmigung des Gerichtes nochmals 400.000,-- Forint als Sicherheit hinterlegt."
Das genannte Urteil sei gemäß § 73 StGB einer inländischen Verurteilung gleichzusetzen, weil die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar seien und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sei. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Vertretung vor dem ungarischen Gericht einen Rechtsanwalt betraut. Er sei von seinem Anwalt informiert worden, dass es ein Gerichtsverfahren in Ungarn gebe, zu dem der Beschwerdeführer aber nicht kommen müsse, weil der Rechtsanwalt die Sache alleine regeln würde. Der Beschwerdeführer habe auf die Aussage des Anwaltes vertraut und sei nicht zur Verhandlung in Ungarn erschienen. Somit stehe fest, dass der Beschwerdeführer in der fraglichen Gerichtsverhandlung durch einen Anwalt seiner Wahl vertreten gewesen sei. Es habe eindeutig ein Verfahren iSd Art. 6 EMRK stattgefunden. Das bedeute, dass § 73 StGB zur Anwendung gelange und die Verurteilung durch das Stadtgericht Mosonmagyarovar einer inländischen Verurteilung gleichzuhalten sei. Weiters stehe fest, dass dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen sei. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass in Ungarn ohne ihn verhandelt worden sei, sei widerlegt. Somit komme dem Umstand, dass er die ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen bestreite, keine Bedeutung zu. Seine Angaben, dass er "drei autostoppende Albaner", die ihm holländische Pässe gezeigt hätten, "einfach so" mitgenommen hätte, sei nicht glaubwürdig. Es entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ohne das Wissen des Beschwerdeführers jemand in den Kofferraum seines Autos verfrachtet worden und dieser dann plötzlich aus dem Kofferraum gesprungen sei. Vielmehr sei hier den vom Stadtgericht Mosonmagyarovar festgestellten Sachverhalten zu folgen, wonach sich der Beschwerdeführer mit den zu Schmuggelnden verabredet und diese in seinem Kofferraum versteckt habe. Auf Grund der Rechtskraft des genannten Urteils stehe in bindender Weise die Tatbestandsmäßigkeit seines strafbaren Verhaltens iSd § 114 Abs. 1 und 2 FPG und §§ 223, 224, 12 StGB bzw. der korrespondierenden Bestimmungen des ungarischen Strafrechtes fest. Angesichts dieser Straftaten könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG verwirklicht habe, zumal das von ihm gesetzte Fehlverhalten noch nicht so lange zurückliege, dass ein Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr angenommen werden könne. Somit sei auch der Tatbestand des § 15 Abs. 1 PassG betreffend die Entziehung des Reisepasses verwirklicht. Da der Beschwerdeführer erst am 19. Mai 2005 rechtskräftig wegen Menschenschmuggels und Beitrags zur Urkundenfälschung verurteilt worden sei, sei der seither verstrichene Zeitraum zu kurz, um bei ihm eine positive Zukunftsprognose erstellen zu können, zumal rechtskräftig feststehe, dass ihn die erste Betretung beim Menschenschmuggel nicht habe davon abhalten können, innerhalb von nur einer Woche eine gleich gelagerte gerichtlich strafbare Handlung zu begehen. Beim Beschwerdeführer sei nicht ausgeschlossen, dass er seinen Reisepass zur Begehung weiterer, gleich gelagerter Straftaten verwenden würde.
Seit dem 21. Dezember 2007 seien die östlichen Nachbarstaaten dem Schengener Vertragswerk beigetreten. Gemäß Art. 20 des Schengener Grenzkodex dürften die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an jeder Stelle ohne Personenkontrolle überschritten werden. Dies bedeute, dass jeder Mitgliedstaat gemäß Artikel 21 des Schengener Grenzkodex berechtigt sei, im Binnenland polizeiliche Befugnisse auszuüben. Dazu gehöre, dass der Betroffene jederzeit nachweisen können müsse, dass er Bürger eines Mitgliedstaates des Schengener Vertragswerks ist. Dieser Nachweis gelinge nur mit einem Reisepass oder einem Passersatzdokument. Trotz Vollmitgliedschaft der Nachbarstaaten zum Schengener Vertragswerk sei die Entziehung des Reisepasses im Fall des Beschwerdeführers geboten, zumal seine Verwandten im Kosovo lebten, der Kosovo kein Mitgliedstaat sei und beim Beschwerdeführer die Gefahr bestehe, dass er Personen aus dem Kosovo in den EU-Raum schmuggeln würde. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er wolle den Reisepass nutzen, um seine Eltern und seine Geschwister im Kosovo zu besuchen, sei zu erwidern, dass bei der Versagung eines Reisepasses auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen keine Rücksicht zu nehmen sei. Dies gelte in gleicher Weise für die Passentziehung.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet, die ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen begangen zu haben. Er verweist einerseits darauf, dass das genannte ungarische Urteil nicht gemäß § 73 StGB einer inländischen Verurteilung gleichgesetzt werden könne, weil ein dem Art. 6 EMRK entsprechendes Verfahren nicht durchgeführt worden sei, und dass er andererseits die Feststellungen in dem zitierten Urteil nicht akzeptieren könne, weil ihm nicht die Gelegenheit gegeben worden sei, zum Inhalt des ungarischen Strafaktes Stellung zu nehmen.
2.1. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf die Auffassung, es stehe auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers in Ungarn bindend fest, dass er gegenüber mehreren Personen die Straftat des Menschenschmuggels in Form der Hilfeleistung zum unerlaubten Übertritt über die Staatsgrenze zum Zwecke der Erzielung eines Vermögensvorteils und dreifach die Tat der Urkundenfälschung rechtswidrig und schuldhaft begangen habe.
2.2. Eine - inländischen Verurteilungen zukommende (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133) - Bindungswirkung besteht bei ausländischen Urteilen jedoch nur, wenn sie kraft staatsvertraglicher Regelung im Inland entweder anerkannt oder vollstreckt werden können und wenn ihnen auch nach dem Recht des Staates, in dem die Verurteilung erfolgte, die Wirkung zukommt, dass sich ein rechtskräftig Verurteilter in einem nachfolgenden Verfahren nicht darauf berufen kann, die Tat nicht begangen zu haben. Eine österreichische Verwaltungsbehörde kann nicht in größerem Umfang an die materielle Rechtskraft eines ungarischen Strafurteils gebunden sein als eine ungarische Verwaltungsbehörde.
Das Europäische Übereinkommen über die internationale Geltung von Strafurteilen, BGBl. Nr. 249/1980, das gemäß Art. 3 die Vollstreckung von Sanktionen, die in einem anderen Vertragsstaat verhängt worden und dort vollstreckbar sind, ermöglicht, ist im Verhältnis zu Ungarn nicht anwendbar, weil Ungarn diesem Übereinkommen nicht beigetreten ist. Weiters stellt weder das Schengener Durchführungsübereinkommen, BGBl. III Nr. 90/1997, noch das Übereinkommen über das Verbot der doppelten Strafverfolgung, BGBl. III Nr. 1/2000, einen Anerkennungs- oder Vollstreckungsvertrag dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0301). Da somit kein entsprechender Anerkennungs- oder Vollstreckungsvertrag besteht, war die belangte Behörde nicht an die Feststellungen des ungarischen Strafurteiles gebunden. In Verkennung dieses Umstandes hat sie es unterlassen, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe die Straftat nicht (rechtswidrig und schuldhaft) begangen, einzugehen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen und ihre Feststellungen auf eine schlüssige Beweiswürdigung zu stützen.
3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 20. Jänner 2009
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