VwGH 2008/18/0409

VwGH2008/18/040921.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der JR, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. März 2008, Zl. E1/290.331/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 87 in Verbindung mit § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe am 20. Februar 2004 in ihrer Heimat einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Über ihren Antrag sei ihr erstmals eine vom 17. Juni 2004 bis 17. Juni 2005 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden, der Aufenthaltstitel sei bis 17. Mai 2006 verlängert worden.

Bei der im Zuge polizeilicher Ermittlungen sowohl gegen die Beschwerdeführerin als auch ihren früheren Ehegatten wegen des Verdachts der Scheinehe am 2. März 2006 erfolgten Vernehmung des nunmehrigen Ehegatten habe dieser angegeben, vermutlich im Jänner 2004 von einem Freund, den er nicht nennen wolle, angesprochen worden zu sein, ob er entgeltlich eine jugoslawische Staatsangehörige heiraten wolle. Für die Scheinehe sei ein Entgelt von EUR 4.000,-- vereinbart worden, das "nach Erhalt des Visums" hätte geleistet werden sollen. Am 10. Februar 2004 sei er mit diesem Freund nach B gefahren und habe dort die Beschwerdeführerin zehn Tage später geheiratet. Sie habe in Österreich zunächst drei Monate bei ihm gewohnt und den vereinbarten Geldbetrag in Raten zu je EUR 1.000,-- übergeben. Danach habe sie seine Wohnung wieder verlassen, ihre drei Kinder nach Österreich geholt und sei mit ihnen in eine eigene Wohnung gezogen.

Die Beschwerdeführerin hingegen habe ausgesagt, ihren jetzigen Ehegatten in ihrer Heimat kennen gelernt zu haben, als dieser bei einem Freund öfter zu Besuch gewesen sei. Sie hätten damals ihre Telefonnummern ausgetauscht und eine Beziehung begonnen. Anfang 2004 hätten sie beschlossen zu heiraten, damit sie in Österreich ein neues Leben mit ihren drei Kindern beginnen könne. Nach "Erhalt des Visums" habe sie über ein Jahr bei ihrem Ehegatten gewohnt. Die Beziehung habe zu scheitern begonnen, als sie beschlossen habe, ihre drei Kinder nach Österreich zu holen, weil ihr Ehegatte nicht gewollt habe, dass sie sich um die Kinder kümmere. Da er darüber hinaus eine ungarische Freundin gehabt habe, habe sie beschlossen, ihn zu verlassen, und sei in eine eigene Wohnung gezogen. Sie hätten dennoch weiter Kontakt und sähen einander ca. alle drei Tage. Die Beschwerdeführerin habe das Vorliegen einer Scheinehe bestritten, sie habe aus Liebe geheiratet.

In ihrer Stellungnahme vom 5. Oktober 2006 habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, die Angaben ihres Ehegatten entsprächen nicht der Wahrheit. Er sei besachwaltert und nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Sie lebe nach wie vor mit ihm zusammen.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, der Ehegatte der Beschwerdeführerin habe nachvollziehbar, schlüssig und konkret dargelegt, wie es zur Scheinehe gekommen sei. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb er die Beschwerdeführerin wahrheitswidrig belasten sollte. Die Bestellung eines Sachwalters vermöge für sich allein eine Unglaubwürdigkeit seiner Aussage nicht zu begründen.

Der von der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 5. Oktober 2006 geltend gemachte Umstand, nach wie vor mit ihrem Ehegatten zusammenzuleben, werde durch die aktenkundigen Einträge im Zentralen Melderegister widerlegt, wonach sie seit 14. Juli 2005 an einer anderen Anschrift gemeldet und wohl auch wohnhaft sei. Das stimme mit den Angaben ihres Ehegatten ebenso überein wie mit der ursprünglichen Aussage der Beschwerdeführerin vom 27. März 2006.

Bemerkenswert sei, dass auch der frühere Ehegatte der Beschwerdeführerin, von dem sie sich am 30. Juni 2003 habe scheiden lassen, ebenfalls im Februar 2004 eine Scheinehe eingegangen sei. Auffallend groß sei auch der Altersunterschied zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem nunmehrigen Ehegatten von immerhin mehr als 16 Jahren.

Widersprüchlich sei die Darstellung der Beschwerdeführerin, habe sie doch zunächst das gemeinsame Leben mit den Kindern in Österreich als Ehemotiv angegeben, später jedoch ihren Entschluss, die Kinder nach Österreich zu holen, als Grund für das Scheitern der Beziehung genannt.

Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Zeugen seien nicht zu vernehmen gewesen, weil nicht erkennbar gewesen sei, zu welchem Beweisthema diese hätten gehört werden sollen. Die rechtliche Wertung, ob eine Ehe eine Scheinehe darstelle, stehe einem Zeugen nicht zu. Die belangte Behörde sei daher zur Überzeugung gelangt, dass die Beschwerdeführerin eine Scheinehe geschlossen habe, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken.

Sohin sei nicht nur der im § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Sachverhalt verwirklicht, vielmehr beeinträchtige das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung tatsächlich, gegenwärtig und erheblich und gefährde ein Grundinteresse der Gesellschaft, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 FPG gegeben seien.

Die Beschwerdeführerin sei verheiratet und für drei Kinder sorgepflichtig. Darüber hinaus bestünden offenbar familiäre Bindungen zu ihrer Mutter, die über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfüge und ebenfalls im Haushalt der Beschwerdeführerin wohne. Es sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen, doch sei dieser Eingriff zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße gravierend, wer eine Scheinehe eingehe, um einen Aufenthaltstitel und einen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erwirken. Die von der Beschwerdeführerin ausgehende Gefahr sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG erweise.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung wiege die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration keinesfalls schwer, sei doch der Aufenthalt wie jegliche Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin erst durch das genannte Fehlverhalten ermöglicht worden. Die Kinder der Beschwerdeführerin seien auf Grund ihres verhältnismäßig kurzen Aufenthaltes keinesfalls als integriert anzusehen. Die familiären Bindungen zur Mutter seien insofern zu relativieren, als die Beschwerdeführerin selbst längst volljährig sei und die Mutter bereits lange vor der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet gelebt habe. Die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet erwiesen sich als keinesfalls ausgeprägt. Dem stehe jedoch das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Scheinehen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen keinesfalls schwerer als das in ihrem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse "an ihrem Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes". Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen die Beschwerdeführerin als Familienangehörige eines Österreichers im Sinn des § 87 FPG, der sein Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0935, mwN).

2.1. Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) bringt die Beschwerdeführerin vor, ausdrücklich die Vernehmung mehrerer Zeugen zum Beweis dafür beantragt zu haben, dass keine Scheinehe gegeben sei. Das impliziere jedenfalls, dass diese Zeugen über das gemeinsame Eheleben etwas auszusagen hätten, sodass das Unterlassen der Zeugenvernehmungen das Verfahren jedenfalls mangelhaft mache. Es sei zwar richtig, dass die Frage des Vorliegens einer Scheinehe eine Rechtsfrage darstelle, die rechtliche Wertung könne aber erst dann erfolgen, wenn die entsprechenden Beweise erhoben worden seien.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist. Ein Zeuge muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht vernommen werden, wenn er nach der Aktenlage zu den entscheidungswesentlichen Fragen keine Aussage machen kann oder wenn bereits auf Grund des Beweisthemas ersichtlich ist, dass die Aussage entbehrlich erscheint. In diesen Fällen kann die Behörde von der Vernehmung des beantragten Zeugen absehen, ohne sich dadurch dem Vorwurf der vorgreifenden Beweiswürdigung auszusetzen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 2010, Zl. 2009/18/0475, mit weiteren Nachweisen).

Die Beschwerdeführerin hatte sowohl in ihrer Eingabe vom 30. Jänner 2007 als auch in ihrer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung vom 19. Juni 2007 die Vernehmung von namentlich genannten Zeugen zum Beweis dafür beantragt, dass keine Scheinehe gegeben sei. Darüber hinaus hatte sie in der Berufung das Unterbleiben der Befragung der bereits erstinstanzlich beantragten Zeugin als Verfahrensfehler gerügt.

Dem Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, dass die Beschwerdeführerin weder im durchgeführten Verwaltungsverfahren noch in ihrer Beschwerde aufzeigte, welche konkreten Angaben die beantragten Zeugen zur Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Familienlebens zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten hätten machen können. Sie macht kein - gegebenenfalls durch die Aussage der beantragten Zeugen belegbares - konkretes Verhalten, keine konkrete familiäre Begebenheit und keinen auf ein gelebtes Familienleben hindeutenden konkreten Umstand geltend, wodurch die Annahme des Vorliegens einer Scheinehe in Frage gestellt hätte werden können (vgl. das denselben Verfahrensmangel und den früheren Ehegatten der Beschwerdeführerin betreffende Erkenntnis vom 8. Juni 2010, Zl. 2008/18/0396).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Ergebnisse des behördlichen Ermittlungsverfahrens steht daher die Vorgehensweise der belangten Behörde mit der zitierten hg. Judikatur im Einklang. Darüber hinaus wurde in der Beschwerde die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

2.3. Die Beschwerde behauptet nicht, dass die im angefochtenen Bescheid dargestellte Aussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin über das Eingehen einer Scheinehe unrichtig wiedergegeben worden wäre. In diesem Zusammenhang tritt sie auch den unter I. 1. dargestellten, nachvollziehbaren Schlussfolgerungen der belangten Behörde über die Unglaubwürdigkeit der Aussage der Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegen.

In Anbetracht der dargestellten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie trotz der gegenteiligen Aussagen der Beschwerdeführerin vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe ausging. Vor diesem Hintergrund begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Weiters erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, als unbedenklich.

3. Schließlich bestehen auch gegen das - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung keine Bedenken.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Juli 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte