Normen
EStG 1988 §24 Abs2;
EStG 1988 §32 Z2;
EStG 1988 §4 Abs4;
EStG 1988 §24 Abs2;
EStG 1988 §32 Z2;
EStG 1988 §4 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer gab im Jahr 1992 seinen Gewerbebetrieb auf. Im Streitjahr 2004 erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und solche aus Vermietung und Verpachtung.
In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 machte der Beschwerdeführer Zinsaufwendungen von 18.427,67 EUR als nachträgliche Betriebsausgaben (aus der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit) geltend. Er verwies darauf, dass in den Einkommensteuerverfahren der vorangegangenen Jahre vergleichbare Zinsen nicht anerkannt worden seien. Die Abgabenbehörde habe dies damit begründet, dass genügend Privatvermögen vorhanden gewesen sei, um die aus der gewerblichen Tätigkeit stammenden Schulden in den Jahren nach der Betriebsaufgabe zu tilgen. Hinsichtlich der (von der Abgabenbehörde angesprochenen) Realisierung von Privatvermögen verweise der Beschwerdeführer darauf, dass seines Erachtens Voraussetzung für die Absetzbarkeit von nachträglichen Betriebsausgaben nicht die Verwertung des Privatvermögens sei, wenn keine flüssigen Mittel vorhanden seien. In diesem Zusammenhang verweise er darauf, dass das Liegenschaftsvermögen mit Pfandrechten belastet gewesen sei und eine Verwertung schon dadurch ausscheide. Das übrige Privatvermögen sei im Wesentlichen eine Uhrensammlung, die keinen objektiv feststellbaren Marktwert habe und nur auf Grund von entsprechenden Nachfragen veräußert werden könnte. Die vorzeitige Veräußerung, um Schuldzinsen abzudecken, scheide aus, weil dies eine Verschleuderung des Privatvermögens wäre.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mehrfach aufgefordert worden, die Konten, hinsichtlich derer er Schuldzinsen als Betriebsausgaben anerkannt wissen wolle, in entsprechender Weise darzustellen. Er habe sodann als Beilage zu seiner Eingabe vom 21. Juli 2008 eine Saldenaufstellung von Kreditkonten vorgelegt.
In einer Besprechung vom 19. August 2008 sei der Beschwerdeführer um Aufklärung ersucht worden, warum mit Ausnahme des Kontos VB xxx-4470-2200 die Konten immer wieder Haben-Salden aufwiesen. Die Entwicklung des genannten VB Kontos (Saldo zum 31. Dezember 1992: - 461.595,10 EUR; zum 31. Dezember 2003: - 399.124,90 EUR) lasse darauf schließen, dass der Beschwerdeführer im Wesentlichen nur die Schuldzinsen bedient, aber keine Tilgung größeren Ausmaßes geleistet habe. Dem sei vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers nicht widersprochen worden.
In der Niederschrift über eine Besprechung mit dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers vom 19. August 2008 sei u.a. festgehalten worden:
"Einigkeit besteht darüber, dass ohne dem krankheitsbedingten Hauskauf und den Investitionen in Spanien ca. S 4,000.000 zur Abdeckung des Kredites zur Verfügung gestanden wären. Darüber hinaus stellt der Referent fest, dass selbst bei großzügig bemessenen Lebenshaltungskosten noch genügend Mittel zur Abdeckung des Kredites vorhanden waren. Ein Überhang von 5,460.014 S für die Jahre 1996 - 2001 wird durch den steuerlichen Vertreter nicht bestritten. Auf Grund einer Nachfrage gibt der steuerliche Vertreter bekannt, dass Belege oder Nachweise über die privaten Aufwendungen nicht mehr vorhanden sind bzw. nicht vorgelegt werden können."
Mit Eingabe vom 24. September 2008 habe der Beschwerdeführer die Berufung dahingehend eingeschränkt, dass nur mehr das VB Konto xxx-4470-2200 (und das Folgekonto bei der SPK nach einer im Jahr 2004 erfolgten Umschuldung) Verbindlichkeiten aus der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit ausweise. Durch den Wegfall der übrigen Konten reduzierten sich die Schuldzinsen auf 11.694,39 EUR.
Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:
- Beim Kreditkonto VB xxx-4470-2200 handle es sich um Verbindlichkeiten aus der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit. Dieses Konto weise zum 31. Dezember 1992 einen negativen Saldo von 461.595,10 EUR auf, der sich bis zum 31. Dezember 2003 auf 399.124,90 EUR reduziert habe. Im Jahr 2004 sei eine Umschuldung von der VB zur SPK erfolgt.
- Die Schuldzinsen betrügen für das berufungsgegenständliche Jahr 11.694,39 EUR.
- Zur Bestreitung des Lebensunterhaltes sei in den Jahren 1996 bis 2001 ein "Barmittelüberschuss" von ca. 5,460.000 S (396.794 EUR) zur Verfügung gestanden.
Bei der Berechnung der Lebenshaltungskosten greife die belangte Behörde auf die Konsumerhebung der Statistik Austria zurück. Demnach betrügen die monatlichen Verbrauchsausgaben der privaten Haushalte (1999/2000) 2.440 EUR.
Strittig sei, ob die Kreditzinsen von 11.694,39 EUR als nachträgliche Betriebsausgaben (nachträgliche negative Einkünfte im Sinne des § 32 Z 2 EStG) zu berücksichtigen seien.
Grundsätzlich sei festzustellen, dass nach der Betriebsaufgabe anfallende Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten insoweit als nachträgliche Betriebsausgaben abzugsfähig seien, als die Verbindlichkeiten betrieblich veranlasst blieben. Die betriebliche Veranlassung der Verbindlichkeiten gehe aber verloren, soweit die Verbindlichkeiten der Finanzierung von Wirtschaftsgütern gedient hätten, die der Steuerpflichtige bei der Betriebsaufgabe in sein Privatvermögen überführt habe, bzw. soweit dem Steuerpflichtigen nach der Betriebsveräußerung oder -aufgabe eine Tilgung der Verbindlichkeiten zumutbar gewesen sei (Hinweis auf Doralt, EStG, Tz 74 zu § 32). Für jedes Veranlagungsjahr nach der Betriebsveräußerung oder -aufgabe seien die Einnahmen und die notwendigen Ausgaben des Steuerpflichtigen gegenüberzustellen. Auf diese Weise sei ein rechnerischer Einnahmenüberschuss zu ermitteln. Dabei sei auch auf das Vermögen des Steuerpflichtigen Bedacht zu nehmen. Werde der Betrag des rechnerischen Einnahmenüberschusses nicht zur Kredittilgung verwendet, wandle sich die vormalige Betriebsschuld mit diesem Betrag (dem rechnerischen Einnahmenüberschuss) in eine Privatschuld. Nur jener Teil der Schuld, dessen Tilgung dem ehemaligen Betriebsinhaber bis zum Streitjahr (noch) nicht zumutbar gewesen sei, führe zu nachträglichen Betriebsausgaben.
Während in der Berufungsschrift noch behauptet worden sei, dass keine frei verfügbaren Mittel zur Tilgung der ehemaligen Betriebsschulden vorhanden gewesen seien, habe sich gezeigt, dass jährlich frei verfügbare Mittel in nicht unbeträchtlicher Höhe zur Verfügung gestanden seien. So sei in der in der Niederschrift vom 19. August 2008 festgehaltenen Besprechung ein "Barmittelüberschuss" für die Jahre 1996 bis 2001 von insgesamt ca. 396.794 EUR durch den steuerlichen Vertreter nicht in Abrede gestellt worden. Berücksichtige man monatliche Haushaltsausgaben in Höhe von 2.440 EUR sowie (nicht belegte) krankheitsbedingte Mehraufwendungen von pauschal monatlich 500 EUR, verbleibe in Summe ein Betrag von 220.393 EUR, der selbst bei großzügig bemessenen Lebenshaltungskosten zum Abbau der ehemaligen betrieblichen Schulden zur Verfügung gestanden wäre. Da dieser Einnahmenüberschuss nicht zur Verbindlichkeitstilgung verwendet worden sei, werde die vormalige Betriebsschuld in Höhe dieses rechnerischen Ausmaßes zu einer solchen des Privatvermögens.
Weiters müsse im gegenständlichen Fall überprüft werden, ob in den Jahren 1996 bis 2000 die Aufwendungen für den Immobilienerwerb in Spanien in Höhe von ca. 4,000.000 S (290.691,34 EUR) notwendige Ausgaben dargestellt hätten, sodass diese Mittel nicht für eine Tilgung der ehemaligen Betriebsschuld hätten herangezogen werden können. Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe die Bestreitung von Krankheitskosten Vorrang vor der Abdeckung von betrieblichen Schulden. Einem ärztlichen Attest zufolge leide der Beschwerdeführer an einer Wirbelsäulenerkrankung. Ein Aufenthalt in einem warmen und trockenen Klima sei nach ärztlicher Empfehlung für den Patienten von großem Vorteil.
Die belangte Behörde bezweifle nicht, dass der Aufenthalt in Gran Canaria die Leiden des Beschwerdeführers zu lindern vermöge. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens spreche jedoch ein Aufenthalt in südlichen Gefilden kein spezielles Krankheitsbild an, sondern komme der allgemeinen Steigerung des Wohlbefindens zu Gute. Aufenthalte in Ländern mit warmem und trockenem Klima würden von gesunden Personen gleichermaßen geschätzt. Außer der ärztlichen Empfehlung seien keine weiteren Unterlagen vorgelegt worden, die den Aufenthalt in derartigen Gegenden für erforderlich erscheinen ließen. Die Ausführungen des steuerlichen Vertreters in der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 2001, wonach ein fehlender Zweitwohnsitz auf Gran Canaria mit schweren gesundheitlichen Risiken verbunden wäre, könnten von der belangten Behörde nicht nachvollzogen werden. Im Übrigen seien im laufenden Verfahren keine Nachweise darüber vorgelegt worden, dass eine die Leiden lindernde behindertengerechte Einrichtung erworben worden sei.
Nach Ansicht der belangten Behörde liege sohin im Immobilienerwerb eine Einkommensverwendung. Die Verausgabung der Anschaffungskosten stelle eine Vermögensumschichtung dar. Somit habe der Beschwerdeführer nicht alle zumutbaren Schritte zur Tilgung der ehemaligen betrieblichen Verbindlichkeiten gesetzt. Die vormalige Betriebsschuld werde daher (auch) in Höhe der Anschaffungskosten des Zweitwohnsitzes (290.691,34 EUR) zu einer solchen des Privatvermögens.
Zusammenfassend nehme es die belangte Behörde als erwiesen an, dass eine vollständige Tilgung der betrieblichen Schulden schon vor dem Streitjahr zumutbar gewesen wäre. Die in Rede stehenden Zinsen könnten daher insgesamt nicht als nachträgliche Betriebsausgaben anerkannt werden.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Zinsen, die nach Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe für (vormalige) Betriebsschulden anfallen, führen insbesondere insoweit nicht zu nachträglichen Betriebsausgaben, als der Steuerpflichtige nicht alle ihm zumutbaren Schritte zur Tilgung der Verbindlichkeiten gesetzt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2001, 98/15/0126, und vom 22. Oktober 1996, 95/14/0018). In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. September 2001 ausgesprochen, Kreditzinsen dürfen zur Gänze nicht als Betriebsausgaben angesetzt werden, wenn die gänzliche Tilgung des Kredites zumutbar gewesen ist. Ist hingegen von der Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe bis zum Streitjahr lediglich die teilweise Tilgung zumutbar gewesen, führt ein Teil der auf diesen Kredit entfallenden Zinsen zu nachträglichen Betriebsausgaben.
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die Feststellung getroffen, dass das Kreditkonto VB xxx-4470-2200 zum 31. Dezember 2003 einen Schuldenstand von ca. 399.000 EUR ausgewiesen und es sich dabei um Verbindlichkeiten aus der ehemaligen betrieblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers gehandelt habe. Auf diesem Konto (bzw. einem im Laufe des Jahres 2004 zum Zwecke der Umschuldung eröffneten Konto) sind im Jahr 2004 die streitgegenständlichen Zinsen von 11.694,39 EUR angefallen.
Die belangte Behörde hat weiters die Feststellung getroffen, dem Beschwerdeführer sei in den Jahren 1996 bis 2001 ein "Barmittelüberschuss" von 5,460.000 S (396.794 EUR) zur Verfügung gestanden. Sie hat diesen "Barmittelüberschuss" um die Haushaltsausgaben des Beschwerdeführers sowie um krankheitsbedingte Mehraufwendungen gekürzt und auf diese Weise den verbleibenden Betrag von 220.393 EUR errechnet, der "zum Abbau der ehemaligen betrieblichen Schulden zur Verfügung gestanden wäre". Weiters hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1996 bis 2000 für einen privaten Immobilienerwerb in Spanien 4,000.000 S (290.691,34 EUR) aufgewendet habe. Auch diese Ausgaben hätten zur Tilgung der betrieblichen Verbindlichkeiten verwendet werden können. Aus einer Zusammenschau der beiden Umstände ("Barmittelüberschuss" und privater Hauskauf) ergebe sich, dass die vollständige Tilgung der betrieblichen Verbindlichkeiten (399.000 EUR) schon vor dem Streitjahr 2004 zumutbar gewesen wäre.
Die Beschwerde vermag aufzuzeigen, dass die Feststellung über die Höhe des "Barmittelübschusses" nicht frei von Verfahrensfehlern getroffen worden ist und sohin eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt:
Zur Darstellung der Überlegungen ihrer Beweiswürdigung zum "Barmittelüberschuss" führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, es "wurde in der Niederschrift vom 19. August 2008 ein für die Jahre 1996 - 2001 aufsummierter Barmittelüberschuss in Höhe von ca. 396.794 EUR durch den steuerlichen Vertreter nicht in Abrede gestellt."
Aus der Aktenlage ist ersichtlich, dass der Besprechung vom 19. August 2008 zwischen dem Vertreter des Beschwerdeführers und dem Referenten der belangten Behörde eine auf einem DIN A4 Blatt dargestellte Berechnung zugrunde gelegt worden ist, die als Ergebnis den "Barmittelüberschuss" von 5,460.014,52 S (396.794 EUR) ausweist. Von wem die Berechnung erstellt worden ist, kann dem Verwaltungsakt nicht entnommen werden. Diese Berechnung setzt die vom Beschwerdeführer erzielten Einkünfte an und bringt diverse Mittelabflüsse, wie beispielsweise die Ausgaben für das Wohnhaus in Spanien (4,000.000 S) in Abzug. Die Berechnung weist mit dem Betrag von 1,960.827 S auch die Summe der Einkommensteuerzahlungen für die Jahre 1996 bis 2001 aus, und zwar als Mittelzufluss des Beschwerdeführers. Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, können Einkommensteuerzahlungen den "Barmittelüberschuss" des Beschwerdeführers nicht erhöht, sondern nur vermindert haben.
Im Hinblick auf die Offenkundigkeit dieses (in der Gegenschrift nicht bestrittenen) Fehlers in der der Besprechung vom 19. August 2008 zu Grunde gelegten Berechnung hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der Schlüssigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichtshofes nicht stand, auch wenn der Vertreter des Beschwerdeführers im Rahmen der genannten Besprechung den Fehler übersehen hat und dieser Berechnung nicht entgegen getreten ist.
Dem angefochtenen Bescheid fehlen sohin unbedenkliche Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass eine gänzliche Tilgung der Verbindlichkeiten, von denen die belangte Behörde angenommen hat, dass sie durch den ehemaligen Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers veranlasst sind, zumutbar gewesen wäre.
Der angefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 28. April 2011
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