VwGH 2008/13/0248

VwGH2008/13/024820.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1150 Wien, Ullmannstraße 54, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 18. November 2008, Zl. RV/2756-W/08, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 (mitbeteiligte Partei: Dr. Ö in W), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §15;
EStG §25 Abs1 Z3 litd;
EStG §3 Abs1 Z11;
EStG §15;
EStG §25 Abs1 Z3 litd;
EStG §3 Abs1 Z11;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Bei der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2006 bezog das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid vom 4. Juni 2007 u.a. von der Pensionsversicherungsanstalt rückbezahlte Pflichtbeiträge in Höhe von rund 19.700 EUR als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in die Einkommensermittlung ein. In der dagegen eingebrachten Berufung machte der Mitbeteiligte geltend, dass die refundierten Pensionsbeiträge mit seiner gemäß § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 steuerbefreiten Auslandstätigkeit als Entwicklungshelfer im Zusammenhang stünden. Während seiner wegen der Tätigkeit als Entwicklungshelfer erfolgten Karenzierung in seinem öffentlichrechtlichen Bundesdienstverhältnis habe er seine Pensionsbeiträge doppelt zu entrichten gehabt. Die vom Finanzamt erfolgte "Betrachtung der Refundierung als steuerpflichtige Bezüge" stelle eine nachträgliche Besteuerung von steuerfreien Einkünften dar.

Mit der Begründung, es bestehe nach dem Einkommensteuergesetz keine Möglichkeit, die Refundierung der Pensionsbeiträge von der Besteuerung auszunehmen, auch wenn die Beiträge für eine nach § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 steuerbefreite Auslandstätigkeit entrichtet worden seien, wies das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab.

In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte der Mitbeteiligte, die Refundierung der Pensionsbeiträge durch die Pensionsversicherungsanstalt den Jahren zuzuordnen, für die er "für sein ruhendes öffentlich-rechtliches Bundesdienstverhältnis Pensionsbeiträge doppelt entrichten musste". Weiters sei der Bescheid auf der Rechtsgrundlage des § 295a BAO abzuändern, weil ein Ereignis eingetreten sei, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit bezüglich des Umfanges des Abgabenanspruches habe. Bei der Rückzahlung von Werbungskosten habe es sich um nachträgliche Einnahmen gehandelt, die im "ursprünglichen Jahr der Entstehung steuerbefreit gewesen wären". Auf Grund der sozialversicherungsrechtlichen Gesetzeslage sei der Arbeitgeber des Mitbeteiligten verpflichtet gewesen, die Pensionsbeiträge abzuführen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Strittig sei, ob die dem Mitbeteiligten im Jahr 2006 von der Pensionsversicherung rückerstatteten Beträge der Einkommensteuer unterlägen oder nicht. Der Mitbeteiligte habe in den Jahren 2002 bis "2005" (Anm.: Nach der Aktenlage - vgl. etwa ein in den Verwaltungsakten einliegendes Schreiben der steuerlichen Vertretung vom 1. August 2007 sowie den Lohnzettel vom 4. Juni 2007 - allerdings offenbar bis 31. Juli 2006) steuerbefreite Einkünfte für Auslandstätigkeit bezogen. Für diese Einkünfte seien dem Mitbeteiligten Sozialversicherungsbeiträge abgezogen und diese im Jahr 2006 zur Hälfte rückerstattet worden. Nach Ansicht des Finanzamtes stellten die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar, die im "Zuflussjahr 2006" zur Gänze zu versteuern seien.

Unbestritten sei - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides -, dass der Mitbeteiligte steuerbefreite Einkünfte für Auslandstätigkeit bezogen und für diese Einkünfte Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe. Auch die Höhe der Einkünfte und der rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge sei unstrittig. Gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 stellten Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften einbehalten oder zurückgezahlt würden, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. Mit dieser Bestimmung solle der steuerliche Vorteil rückgängig gemacht werden, der in den Vorjahren durch Abzug der Pensionsversicherungsbeiträge als Werbungskosten erzielt worden sei. Im Beschwerdefall sei durch den Abzug der Pensionsversicherungsbeiträge kein steuerlicher Vorteil erlangt worden, weil diese mit nicht steuerpflichtigen Einkünften im Zusammenhang gestanden und somit gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 nicht als Werbungskosten abziehbar gewesen seien. Somit könne man "nur zu dem Ergebnis gelangen", dass die in den Vorjahren einbehaltenen und im Jahr 2006 rückerstatteten Pensionsversicherungsbeiträge keine steuerpflichtigen Einkünfte darstellten. Auf die Frage, ob ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO vorliege, müsse damit nicht mehr eingegangen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Finanzamtes. Nach der "Anfechtungserklärung" wird der Bescheid angefochten, weil der Mitbeteiligte durch die Refundierung der Beiträge für die Jahre 2002 bis 2006 seitens der Pensionsversicherungsanstalt von dieser im Jahr 2006 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 bezogen habe und diese Einkünfte bei der Ermittlung der Einkommensteuer für das Veranlagungsjahr 2006 in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen seien. Angefochten werde die Qualifizierung von rückerstatteten Pensionsversicherungsbeiträgen als nicht steuerpflichtige Einkünfte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift (nur) durch die belangte Behörde erwogen:

Einnahmen liegen gemäß § 15 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen u. a. der Einkunftsart des § 2 Abs. 3 Z 4 (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) zufließen. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ergeben sich nach § 2 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 15 und 16 leg. cit.).

Nach der Anordnung des § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 sind Einkünfte, die Fachkräfte der Entwicklungshilfe (Entwicklungshelfer oder Experten) als Arbeitnehmer von Entwicklungshilfeorganisationen (unter näher angeführten Voraussetzungen) beziehen, von der Einkommensteuer befreit. Nach § 3 Abs. 3 EStG 1988 sind u.a. Einkünfte im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 bei der Festsetzung der Steuer für das übrigen Einkommen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen ("Progressionsvorbehalt").

Zu den Einnahmen gehört auch die Rückerstattung von Werbungskosten (vgl. z.B. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 15 Tz 12, Doralt, EStG14, § 15 Tz 28, sowie Jakom/Lenneis EStG, 2012, § 15 Rz 10, jeweils mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, 89/14/0178, betreffend die Qualifizierung der Rückerstattung von Pflichtbeiträgen zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer als "Arbeitslohn", wobei es auch unerheblich war, dass zwischen der den Rückerstattungsbetrag auszahlenden Ärztekammer und dem Arzt kein Dienstverhältnis bestand). Durch die Rückerstattung werden die ursprünglich in zu geringer Höhe ausbezahlten Entgelte "ergänzt" (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, 89/14/0178). Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 einbehalten oder zurückgezahlt wurden, werden nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 (idF AbgÄG 1998, BGBl. I Nr. 28/1999) grundsätzlich den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ("Arbeitslohn") zugeordnet (zum vorläufigen Unterbleiben des Lohnsteuerabzuges und zur Ausstellung und Übermittlung eines Lohnzettels an das Finanzamt vgl. weiters die Bestimmung des § 69 Abs. 5 EStG 1988). Nach den parlamentarischen Materialien zum AbgÄG 1998 sollten mit Einfügung des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 iVm dem besonderen Lohnsteuerabzug nach § 69 Abs. 5 leg. cit. und dem zusätzlichen Pflichtveranlagungstatbestand in § 41 Abs. 1 Z 3 leg. cit. "bei der steuerlichen Erfassung der Rückzahlung von SV-Pflichtbeiträgen" administrative Erleichterungen geschaffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2010, 2007/15/0206).

Im Beschwerdefall ist nach den auch in der Amtsbeschwerde unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde wesentlich, dass der Mitbeteiligte die (zur Hälfte) rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge für seine nach § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 begünstigte Auslandstätigkeit im Bereich der Entwicklungshilfe entrichtet hat. Damit waren aber auch die rückbezahlten Sozialversicherungsbeiträge als rückerstattete Werbungskosten (nachträgliche) Einnahmen im Rahmen dieser begünstigten Auslandstätigkeit und demnach gemäß § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 von der Einkommensteuer zu befreien.

Wenn daher die belangte Behörde die strittigen rückerstatteten Pflichtbeiträge nicht in die "Besteuerungsgrundlage" einbezogen hat, ist dies im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen. Im Rahmen der Erklärung des Anfechtungsumfanges des angefochtenen Bescheides (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) ist dieser daher auch nicht mit Rechtswidrigkeit belastet.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. November 2012

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