VwGH 2008/13/0172

VwGH2008/13/017228.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Ö in W, vertreten durch die ALTA Wirtschaftstreuhandgesellschaft, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1020 Wien, Praterstraße 62-64, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 2. Juli 2008, Zl. RV/0155- W/05, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2002 sowie Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis März 2003, zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilA Abs1 litf;
62007CJ0407 Stichting Centraal Begeleidingsorgaan VORAB;
UStG 1994 §6 Abs1 Z28;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilA Abs1 litf;
62007CJ0407 Stichting Centraal Begeleidingsorgaan VORAB;
UStG 1994 §6 Abs1 Z28;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen Verein, der nach seinen Statuten den Namen "Ö" trägt.

Mit Schriftsatz vom 12. September 2002 stellte der Beschwerdeführer an das Finanzamt eine "Anfrage betreffend des Vorliegens abgabenrechtlicher Begünstigungen". Im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung über die Jahre 1996 bis 1998 sei vom Prüfer festgestellt worden, dass mangels Gemeinnützigkeit die Umsatzsteuerpflicht der Seminarerlöse gegeben sei. Statutenfehler, wie der Gewinnausschluss (betreffend eine begünstigungsschädliche Vermietungstätigkeit), seien mittlerweile saniert worden. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers bestehe zum weitaus überwiegenden Teil in der Berufsausbildung und -fortbildung der Mitglieder und der interessierten Öffentlichkeit. Neben den Mitgliedsbeiträgen stellten die Seminarerlöse den größten Teil der Einnahmen dar. Das Finanzamt werde um Stellungnahme ersucht, ob "das Vorliegen der Begünstigung der abgabenrechtlichen Gemeinnützigkeit gegeben ist".

In einem Bericht vom 30. Juli 2003 über das Ergebnis einer "UVA-Prüfung" für den Zeitraum "2/02 - 3/03" vertrat der Prüfer den Standpunkt, dass beim Beschwerdeführer "die in § 34 BAO geforderte ausschließliche Förderung der in den Vereinsstatuten angeführten Zwecke nicht gegeben" sei. Außerdem sei schon der in § 2 Abs. 5 der Statuten genannte Zweck, sich mit Berufs- und Standesfragen zu befassen, begünstigungsschädlich. Wegen fehlender Gemeinnützigkeit komme somit die Liebhabereivermutung nicht zum Tragen, weshalb die auf die unternehmerische Tätigkeit entfallenden Erlöse (u.a. aus Seminartätigkeit) den steuerpflichtigen Umsätzen zuzurechnen gewesen seien (die Vorsteuerbeträge seien entsprechend der "Mischmethode" nach § 12 Abs. 4 und 5 UStG 1994 aufzuteilen gewesen).

Das Finanzamt schloss sich der Beurteilung des Prüfers an. Gegen die auf dieser Grundlage ergangenen streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide wandte sich der Beschwerdeführer in der Berufung mit der - für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch wesentlichen - Begründung, dass die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 28 UStG 1994 bzw. gemäß Art. 13 A Abs. 1 lit. f der 6. EG-Richtlinie (77/388/EWG) auf die Umsätze aus der Seminartätigkeit anwendbar sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2002 und die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis März 2003 erhobenen Berufungen nach Durchführung einer Berufungsverhandlung keine Folge. In der Berufungsverhandlung wurde laut der Verhandlungsniederschrift seitens des Beschwerdeführers u. a. vorgebracht, dass bei den von ihm veranstalteten Seminaren grundsätzlich zwei Seminarreihen zu unterscheiden seien. Zum einen würden Grundschulungen für Mitarbeiter "durch alle Sparten des Versicherungsbereiches" veranstaltet, wobei am Jahresende eine Abschlussprüfung stattfinde und die Teilnehmer ein Zeugnis erhielten. Zum anderen würden Seminare für Mitarbeiter und Vorgesetzte veranstaltet, bei denen ein vertieftes Fachwissen dargeboten werde (diese Seminare fänden häufig statt).

Im angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder. Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach einer (auszugsweisen) Wiedergabe der Statuten des Beschwerdeführers aus, in der Berufung sei unter Hinweis auf Art. 13 A Abs. 1 lit. f der

6. EG-RL im Wesentlichen vorgebracht worden, dass in dieser Bestimmung keine Einschränkung der Steuerbefreiung auf Zusammenschlüsse von Banken, Versicherungen und Pensionskassen vorgesehen sei. Auch sei bei Leistungen von Zusammenschlüssen von Versicherungsmaklern keine wettbewerbsverzerrende Wirkung zu erblicken, weil derartige Seminare, wie sie der Beschwerdeführer anbiete, kaum oder gar nicht von anderen Seminarveranstaltern angeboten würden.

Beim Beschwerdeführer handle es sich - so die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung - um einen Zusammenschluss von Unternehmern, die das Gewerbe des Versicherungsmaklers sowie jenes der Vermögensberatung ausübten. Wenn auch nach der Judikatur des EuGH davon ausgegangen werden könne, dass Versicherungsmakler (überwiegend) Versicherungsumsätze tätigten, sei jedenfalls die Tätigkeit eines Vermögensberaters nicht von der Begriffsumschreibung der "Versicherungsumsätze" erfasst. Damit sei schon auf Grund der Mitgliederstruktur die Anwendung der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 28 UStG 1994 nicht möglich.

Außerdem komme die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 28 UStG 1994 nur dann zur Anwendung, wenn die Leistungen der dort genannten Zusammenschlüsse an deren Mitglieder erbracht würden. Auch diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil die vom Beschwerdeführer angebotenen Seminare allgemein zugänglich seien und dieser zudem bemüht sei, die "Aus- und Weiterbildung der interessierten Öffentlichkeit zu forcieren". Der Personenkreis, der Adressat der Leistungen sei, beschränke sich somit nicht auf einen solchen, der ausschließlich die gegenständlichen steuerfreien Leistungen erbringe.

In der Berufungsverhandlung habe die Generalsekretärin des Beschwerdeführers vorgebracht, dass die Hälfte der veranstalteten Seminare nicht kostendeckend sei und ein allfälliger Gewinn aus einer Seminarveranstaltung, "an der mehr als die kalkulierten Personen teilnehmen, für die Abhaltung anderer Seminare, an denen weniger Mitglieder als veranschlagt, teilnehmen, verwendet werden". Damit sei jedoch die für die Erlangung der Steuerbefreiung in § 6 Abs. 1 Z 28 UStG 1994 weiters normierte Voraussetzung der genauen Erstattung des jeweiligen Anteiles an den gemeinsamen Kosten nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer sei geradezu gezwungen, die aus etwa der Hälfte der von ihm durchgeführten Seminarveranstaltungen resultierenden Fehlbeträge mit den übrigen Seminaren auszugleichen. Somit würden einem Teil der Seminarteilnehmer zu geringe und dem anderen Teil zu hohe, keinesfalls jedoch die dem Beschwerdeführer dafür exakt entstandenen, Kosten verrechnet. Durch die vom Beschwerdeführer selbst geschilderte Vorgangsweise werde nicht gewährleistet, dass den Seminarteilnehmern insgesamt die genaue Summe der dem Beschwerdeführer diesbezüglich erwachsenden Kosten weiterverrechnet wird. Dazu komme, dass in den Statuten des Beschwerdeführers festgeschrieben sei, dass die erforderlichen Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes u.a. auch durch Beiträge für Seminare und Kurse aufgebracht würden. Somit sei nicht nur nicht sichergestellt, sondern nahezu ausgeschlossen, dass eine genaue Verrechnung der Seminarkosten durch den Beschwerdeführer an deren Teilnehmer erfolge.

Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer an seine Mitglieder eine Reihe von Leistungen erbringe, die keinesfalls unmittelbar zur Ausführung von deren steuerfreien Umsätzen verwendet würden. So sei der Beschwerdeführer beispielsweise auch mit Berufs- und Standesfragen befasst und führe weiters Reisen durch, die u.a. dem Zweck der Vereinsförderung dienten.

In Anbetracht dieser Ausführungen - Leistungserbringung auch an Nichtmitglieder, keine genaue Kostenerstattung - könne eine Steuerbefreiung auch nicht auf Grund einer Berufung des Beschwerdeführers auf die Bestimmung des Art. 13 A Abs. 1 lit. f der 6. EG-RL abgeleitet werden (auch wenn der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen im Recht sei, wonach die Bestimmung des Art. 13 A Abs. 1 lit. f der 6. EG-RL keine Einschränkung der Steuerbefreiung auf Zusammenschlüsse von Banken, Versicherungen und Pensionskassen enthalte). Dabei könne weiters die in der Berufung aufgeworfene Frage der Wettbewerbsverzerrung dahingestellt bleiben.

In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf die richtige Ermittlung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage und der Umsatzsteuer für den Zeitraum 2002 und 1-3/2003 verletzt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers seien nämlich die Befreiungsbestimmungen des § 6 Abs. 1 Z 28 UStG 1994 bzw. Art. 132 Abs. 1 lit. f der RL 2006/112/EG (vormals Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. f der 6. EG-RL) auf die vom Beschwerdeführer an seine Mitglieder erbrachten Umsätze aus der Verrechnung von Seminar- und Schulungsleistungen anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 6 Abs. 1 Z 28 erster Satz UStG 1994 in der Stammfassung sind die sonstigen Leistungen von Zusammenschlüssen von Unternehmern, die überwiegend Bank-, Versicherungs- oder Pensionskassenumsätze tätigen, an ihre Mitglieder, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der genannten steuerfreien Umsätze verwendet werden und soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, steuerfrei.

§ 6 Abs. 1 Z 28 erster Satz UStG 1994 ist Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. f der im Beschwerdefall noch anzuwendenden 6. EG-RL, 77/388/EWG, nachgebildet (vgl. RV 1715 BlgNR 18.GP 55). Nach dieser Bestimmung (der nunmehr Art. 132 Abs. 1 lit. f der MwStSystRL, 2006/112/EG, entspricht) befreien die Mitgliedstaaten die Dienstleistungen von der Steuer, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist, oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt.

Hintergrund der Befreiung ist, dass Kosten für steuerfreie Leistungen nicht mit Mehrwertsteuer belastet werden sollen, wenn sich insbesondere kleine Unternehmen zu einer Struktur zur gemeinsamen Erbringung einiger für die steuerfreie Tätigkeit erforderlichen Leistungen zusammenschließen (vgl. Rattinger, in Mehlhardt/Tumpel, UStG § 6 Rz 692). Damit soll die "steuerliche Behandlung mit einem internen Umsatz gleichgestellt werden" (vgl. Dahm/Hamacher, UR 24/2009, 869 ff (871), mit Hinweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts in der mit Urteil des EuGH vom 20. November 2003 entschiedenen Rs C-81, Taksatorringen). In diesem Sinne ist Voraussetzung, dass die Zusammenschlüsse lediglich Kostenersatz (nach dem Richtlinienwortlaut "lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten", vgl. das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2008, Rs C-407/07 , Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, Randnr. 32) fordern und dass die Befreiung (nach der Richtlinienbestimmung) nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt (vgl. Achatz/Ruppe, UStG4, § 6 Tz 485). Erforderlich ist nicht nur, dass der Zusammenschluss hinsichtlich der Leistungen an seine Mitglieder insgesamt keinen Gewinn erzielt, sondern auch eine verursachungsgerechte Aufteilung auf die einzelnen Mitglieder. Ist es aus praktischer Sicht nicht möglich, die Höhe der Kosten bereits bei der Fakturierung der Leistung festzustellen, wird es zweckmäßig sein, zunächst eine vorläufige und bei Feststehen der tatsächlichen Kosten eine endgültige Verrechnung vorzunehmen (vgl. Rattinger, aaO, Rz 705).

In der Beschwerde wird zu den in Rede stehenden Seminaren und Schulungen vorgebracht, die Kalkulation der Seminar- und Schulungspreise gehe so vor sich, dass die (großteils im Vorfeld bekannten bzw. abschätzbaren) Kosten durch die erwartete Teilnehmerzahl dividiert würden. "Kommen mehr Teilnehmer, führt dies zu einem 'Gewinn' (bezogen auf dieses Seminar), kommen weniger Teilnehmer als erwartet, führt das zu einem 'Verlust' (wieder bezogen auf genau dieses Seminar)." Grundsatz sei der, dass, über einen gewissen Zeitraum betrachtet, die Einnahmen aus dem Schulungs-/ Seminarbereich die damit zusammenhängenden Kosten decken und kein Überschuss erzielt wird. Das bedeute, dass die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten dadurch erfüllt werde, dass im Zeitablauf allfällige Überschüsse eines Seminars dazu verwendet würden, Unterdeckungen bei anderen (späteren) Veranstaltungen auszugleichen.

Dass den Mitgliedern damit aber jeweils - wie dies sowohl § 6 Abs. 1 Z 28 UStG 1994 als auch Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. f der 6. EG-RL erfordern - die "genaue" Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten der von ihnen tatsächlich beanspruchten Schulungs- oder Seminarleistungen (allenfalls auch in Form einer Nachverrechnung) auferlegt worden wäre, geht aus diesem Vorbringen nicht hervor. Damit kann es aber nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die begehrte Steuerbefreiung schon unter dem Gesichtspunkt der fehlenden genauen Kostenüberwälzung versagt hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 28. März 2012

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