VwGH 2008/13/0082

VwGH2008/13/008231.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des E H in W, vertreten durch Dr. Alexander Kragora, Rechtsanwalt in 1010 Wien, An der Hülben 4/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 25. Februar 2008, Zl. RV/1987-W/03, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1995 bis 1997, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §20 Abs1 Z2 litb;
EStG §7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 litb;
EStG §7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Berufsmusiker, machte in den Streitjahren im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit die Absetzung für Abnutzung einer 1989 um einen hohen Preis erworbenen Violine aus dem 18. Jahrhundert geltend, wobei er von einer Nutzungsdauer von 35 Jahren ausging.

In seiner Berufung gegen die den Streitzeitraum betreffenden Einkommensteuerbescheide vom 21. Mai 2002, in denen die Violine nicht als abnutzbares Wirtschaftsgut behandelt wurde, weil sie eine Antiquität sei, machte er - abgesehen von Ausführungen zur Notwendigkeit der Anschaffung für seine Berufsausübung - im Wesentlichen geltend, es handle sich nicht um "eine Anschaffung im Sinne eines 'musealen' Instrumentes". Er verwende das Instrument fast bei allen seinen Auftritten im In- und Ausland unter wechselnden klimatischen Verhältnissen "und ohne Berücksichtigung besonderer Transportmaßnahmen". Daraus folge, dass das Instrument im Verlauf der angesetzten 35 Jahre durch den ständigen Transport den klimatischen Veränderungen und durch das ständige Bespielen einer ständigen Abnutzung unterliege. Dies ergebe sich auch durch die zwangsläufig beim Spiel eintretenden "Einflüsse auf die Lasur und das Holz durch Transpiration und Bewegungsablauf". Nach 35 Jahren "ständiger Nutzung im Konzert- und Probebetrieb" werde das Instrument - der vorgelegten Rechnung zufolge ein Werk des "Joseph Guarnerius filius Andreae of Cremona, period 1705-10" - auf Grund seines Namens und des Herstellungsdatums zwar noch über einen Liebhaberwert verfügen, aber es sei zur Zeit nicht bekannt, ob ein Instrument dieses Alters in 20 oder 30 Jahren noch geeignet sein werde, im Konzertbetrieb genutzt zu werden, wenn es einer ständigen Beanspruchung im Sinne seiner nunmehrigen Verwendung durch den Beschwerdeführer unterliege. Darüber hinaus machte der Beschwerdeführer geltend, die Unmöglichkeit, die sehr hohen Anschaffungskosten abzusetzen, würde ihn u.a. gegenüber Unternehmern, die Gebäude und Fahrzeuge anschaffen, benachteiligen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie verwies den Beschwerdeführer darauf, dass Wartungsarbeiten an der Geige ohnehin als Betriebsausgaben berücksichtigt würden, vertrat zu den in der Berufung geltend gemachten Einflüssen des ständigen Gebrauchs auf Lasur und Holz die Meinung, diesen Einflüssen werde "mit dem Wert eines historischen Instrumentes angemessenen werterhaltenden Pflegemaßnahmen begegnet", und verwies auch darauf, dass "das Bespielen der Violine" ihrer Ansicht nach "eine notwendige Voraussetzung ihrer Werterhaltung darstellt. Ein Nichtbespielen würde zu Klangeinbußen führen und damit dem Erhalt des Wertes der Violine abträglich sein". Die Behauptung einer Abnutzung "wegen der Transporte und der klimatischen Verhältnisse" gehe "über die Behauptungsebene nicht hinaus", weil wertvolle Instrumente der Lebenserfahrung nach "zu ihrem Schutz während des Transportes in geeigneten Behältnissen befördert" würden. "Im Übrigen" gestehe der Beschwerdeführer "selbst zu", dass sich Wert und Zustand des Instruments nach 35 Jahren nicht voraussehen ließen.

Darüber hinaus verwies die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf Literaturmeinungen zum Begriff "Antiquitäten" im Zusammenhang mit dem Abzugsverbot in § 20 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988, auf das hg. Erkenntnis vom 24. September 1996, 94/13/0240, in dem eine Bücherwand aus der Biedermeierzeit nicht als abnutzbares Wirtschaftsgut gewertet wurde, und auf die eine alte Geige betreffende Entscheidung eines deutschen Finanzgerichts aus dem Jahr 1996.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

In dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 24. September 1996, 94/13/0240, Vw Slg 7122/F, auf das hinsichtlich der für die Abnutzbarkeit von Wirtschaftsgütern maßgeblichen Kriterien gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, zwar unterlägen "auch Antiquitäten grundsätzlich einer technischen (physikalischen) Abnutzung", diese vollziehe sich aber "in der Regel, zumal bei Nutzung einer Antiquität als Bücherwand," unter Bedachtnahme auf ihren historischen Wert und auf Grund der damit verbundenen praktisch unbegrenzten Bereitschaft zur werterhaltenden Pflege in so großen Zeiträumen und sei dementsprechend im jeweiligen Veranlagungszeitraum so geringfügig, dass sie steuerlich vernachlässigt werden könne.

Diese auf Antiquitäten im Allgemeinen und im konkreten Fall auf die "Nutzung einer Antiquität als Bücherwand" bezogenen Ausführungen hat die belangte Behörde auf die Violine des Beschwerdeführers angewendet, ohne der geltend gemachten Intensität ihrer Nutzung und den damit verbundenen Behauptungen über die zeitliche Begrenztheit der Möglichkeit einer solchen Nutzung Bedeutung beizumessen. Dass die "Einflüsse auf die Lasur und das Holz durch Transpiration und Bewegungsablauf" bei der behaupteten intensiven Nutzung durch - nicht näher umschriebene - "Pflegemaßnahmen" ausgleichbar seien, ist eine bloße Behauptung, der die Beschwerde ebenso entgegentritt wie sie mit Recht aufzeigt, dass der Hinweis auf geeignete Transportbehältnisse nichts über die Einflüsse wechselnder Klimabedingungen aussage und es sich auch beim Argument, die Art der Verwendung des Instruments durch den Beschwerdeführer gehe nicht über ein konservatorisch gebotenes Bespielen des Instruments hinaus, um eine nicht auf Ermittlungsergebnissen beruhende Annahme handle. Dem Standpunkt des Beschwerdeführers, das schon sehr alte Instrument sei in seinem nunmehrigen Gebrauch einem Verschleiß ausgesetzt, der seine dauerhafte Nutzbarkeit im Konzertbetrieb in Frage stelle, ist die belangte Behörde auf der Sachverhaltsebene jedenfalls nicht nachvollziehbar entgegen getreten.

Damit entfällt, wie die Beschwerde mit Recht geltend macht, aber auch die Grundlage für die Übertragung der Rechtsausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis auf den vorliegenden Fall. Was die von der belangten Behörde noch zitierte Entscheidung eines deutschen Finanzgerichts aus dem Jahr 1996 anlangt, so ist darauf zu verweisen, dass der Bundesfinanzhof in nun schon ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, Geigen dieser Art, die im Konzertalltag im Gebrauch sind, seien - im Regelfall auf eine Restnutzungsdauer von 100 Jahren abschreibbare - abnutzbare Wirtschaftsgüter (vgl. im Anschluss an die in der Beschwerde zitierte Entscheidung des BFH vom 26. Jänner 2001, VI R 26/98, BStBl. II 2001, 194, auch die Entscheidung vom selben Tag, VI R 165/98, und die Entscheidung vom 1. März 2002, VI R 141/00).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 31. Juli 2012

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