Normen
BAO §147;
BAO §184;
EStG §95 Abs1;
FinStrG §99 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BAO §147;
BAO §184;
EStG §95 Abs1;
FinStrG §99 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 643,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Erstbeschwerdeführerin, eine Kommanditgesellschaft, ist die (Gesamt-)Rechtsnachfolgerin der X GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführer war. Im Streitzeitraum übte die X GmbH das Gastgewerbe aus und war Kundin der B-AG, eines Brauereiunternehmens, bei welchem die Prüfungsabteilung Strafsachen im Jahr 1998 eine Hausdurchsuchung durchführte. Nach dieser Hausdurchsuchung fand bei der Erstbeschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der X GmbH eine auf § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG gestützte Buch- und Betriebsprüfung betreffend u. a. die Jahre 1993 bis 1998 statt. Anlässlich dieser Prüfung stellte der Prüfer laut Betriebsprüfungsbericht Folgendes fest:
"Tz 16a: Auswertung des Kontrollmaterials der Prüfungsabteilung für Strafsachen
Dem h.o. Finanzamt liegen Feststellungen der Prüfungsabteilung für Strafsachen zufolge Unterlagen vor, welche auf nicht verbuchte Getränkeeinkäufe bei der B-AG schliessen lassen.
Es wurde daraufhin der Einwand vorgebracht, dass diese in der Buchhaltung der (X GmbH) nicht erfassten Wareneinkäufe anderen Lokalen, die an der gleichen Adresse (…) ihr Geschäft betreiben bzw. betrieben haben, zuzurechnen sind.
Daraufhin wurde eine Erhebung der Betriebsprüfung bei der (B-AG) vorgenommen, (…).
Diese Erhebung ergab, dass im Prüfungszeitraum an der gleichen Adresse eine weitere Firma beliefert wurde, die jedoch ein anderes Produktsortiment geliefert bekam (andere Biersorte).
Somit erscheint es aus der Sicht der Betriebsprüfung als erwiesen, dass diese Unterlagen nicht verbuchte Einkäufe der (X GmbH) betreffen."
Unter Bezugnahme darauf, dass die X GmbH nicht sämtliche Lieferungen der B-AG (Bier und alkoholfreie Getränke) als Wareneinkäufe sowie in den Erlösen erfasst habe, rechnete der Prüfer die fehlenden Mengen mit den jeweiligen Verkaufspreisen hoch, schlug die so ermittelten Beträge den erklärten Umsätzen hinzu und erhöhte den erklärten Wareneinsatz entsprechend. Weiters erhöhte er die Umsätze mit den sonstigen Erlösgruppen (Wein, Spirituosen, Aufgussgetränke, Küche und Zigaretten) um einen 5%igen Sicherheitszuschlag und vertrat die Auffassung, dass die mit den Schwarzumsätzen erzielten Gewinne verdeckte Ausschüttungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer der X GmbH darstellten.
Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren entsprechende Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1993 bis 1998. Weiters erließ es für den Zeitraum 1993 bis 1998 Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer.
Die Erstbeschwerdeführerin berief gegen die angeführten Bescheide und führte in der Berufung u.a. aus, dass die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nicht zulässig sei, weil keine Nachweise dafür vorlägen, dass die X GmbH die ihr zugeordneten Getränkelieferungen tatsächlich erhalten habe. Die Datenbestände der B-AG könnten unrichtig, die Lieferadresse für andere Zwecke verwendet worden sein. Auch die "Unregelmäßigkeiten und Unverhältnismäßigkeit" der Lieferungen sei unerklärlich. "Weiters ist augenscheinlich, dass die Beschreibung des 'Letztverbraucher' -
Umsatzes (Beilage zu Schreiben vom 28.5.2001) den Schluss zuläßt, dass die Lieferscheine des Steuerpflichtigen Spuren von 'angehefteten' LV-Lieferscheinen haben müssten, was nicht der Fall ist. Ferner ist der Nachweis lückenhaft, da selbst von den Original-Ausdrucken der Ladelisten, deren Aussagekraft lt. obigen Ausführungen ohnedies zweifelhaft ist, nur in 4 Jahren jeweils 4 Monaten einsehbar waren."
Der Prüfer habe eine Nachkalkulation durchgeführt und Betrachtungen über die "Vermögens und Lebenskostensituation des Geschäftsführers" (Anm: gemeint wohl des Zweitbeschwerdeführers und früheren Geschäftsführers der X GmbH) angestellt, weil die Daten des Kontrollmaterials nur ein Indiz darstellten. Die sich daraus ergebenden entlastenden Umstände hätten aber keinen Eingang in die Feststellungen des Prüfers gefunden. Einwendungen gegen die erhobenen Vorwürfe habe der Prüfer als bloße Schutzbehauptungen abgetan. Die Erhebung bezüglich anderer, ebenfalls an der Adresse der X GmbH situierter Lokale sei unvollständig, weil dort im Streitzeitraum mehrere Lokale betrieben worden seien. Zudem werde das Ergebnis der Erhebung im Betriebsprüfungsbericht "so undeutlich wiedergegeben, dass der Eindruck entsteht, es handle sich um einen Nachweis".
Das Finanzamt führte nach Einbringung der Berufung eine Einvernahme mit dem Zweitbeschwerdeführer (früheren Geschäftsführer der X GmbH) durch. Dabei gab dieser zu Protokoll, dass er Bestellungen bei der B-AG telefonisch getätigt und nicht "vom Auto herunter" gekauft habe sowie, dass sich neben dem Lokal der X GmbH ein weiterer gastgewerblicher Betrieb befunden habe, der ebenfalls Getränke von der B-AG bezogen habe. Im Übrigen verwies er auf die Ausführungen in der Berufung.
Von der belangten Behörde wurden im August 2006 Erhebungen bei der B-AG betreffend die Kundennummern der X GmbH und des an der Adresse der X GmbH etablierten weiteren gastgewerblichen Betriebes sowie zur Bedeutung der Abkürzung "LKZ" und "ADRKZ" auf den Ladelisten durchgeführt. Die Erstbeschwerdeführerin nahm zu diesen Erhebungen in einem Schriftsatz vom April 2007 dahingehend Stellung, dass die Zuordnung der Lieferungen "an bestimmte Abnehmer durch Ladekennzeichen zweifelsfrei nicht möglich" sei. Im besagten Schriftsatz brachte sie weiters vor, "dem Umfang der von der BP angenommenen Lieferungen ist schon allein wegen der Größe des Lokales zu widersprechen, dessen Besichtigung von den amtshandelnden Personen ausdrücklich verweigert wurde".
Mit Fragenvorhalt vom Oktober 2007 hielt die belangte Behörde der Erstbeschwerdeführerin vor, dass bei der B-AG ein "österreichweites Schwarzliefersystem" aufgedeckt worden sei. Den der Erstbeschwerdeführerin übermittelten "Lieferlisten" sei zu entnehmen, dass die X GmbH Kunde der B-AG gewesen sei und Lieferungen an Bier und alkoholfreien Getränken erhalten habe, die nicht offiziell verrechnet worden seien. Ein Konnex zwischen den offiziellen und den inoffiziellen Lieferungen habe sich anhand der Ladekennzeichen und Kundennummern herstellen lassen. "Da die (X GmbH) aufgrund ihrer Kundennummer (nicht bloß aufgrund von Ladekennzeichen, (…)) zweifelsfrei als einer der vielen Empfänger auf den Listen aufscheint (…), waren die betreffenden Lieferungen zu Recht bei der (X GmbH) zu erfassen."
Dazu führte der Zweitbeschwerdeführer (frühere Geschäftsführer der X GmbH) in einer Stellungnahme vom November 2007 u.a. aus, dass die X KG den Betrieb mit 31. Dezember 2005 eingestellt und (gemeint: die X GmbH) die hier in Rede stehenden Lieferungen nicht erhalten habe. Er habe den Prüfer mehrmals eingeladen, das Lokal zu besichtigen und festzustellen, dass derartige Mengen von Waren nicht hätten gelagert und verkauft werden können.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
Im Zuge weitreichender Ermittlungen der Finanzbehörden seien bei der B-AG umfangreiche "Schwarzverkäufe" festgestellt worden, die alle nach dem gleichen System abgelaufen seien. Aufgrund des beschlagnahmten Datenmaterials sei bewiesen, dass auch die X GmbH von der B-AG offizielle und inoffizielle Lieferungen erhalten habe. Die Rechnungen über die inoffiziellen Lieferungen seien an fiktive Letztverbraucher adressiert. "Bei der (B-AG) sind diese fiktiven 'Letztverbraucherrechnungen' unmittelbar nach der über die Kundennummer erfolgten offiziellen Bestellung erfasst worden. Im Rechenwerk der (B-AG) waren die offiziellen und die fiktiven Rechnungen als zusammenhängend zu erkennen." Der X GmbH sei ein Ausdruck der Daten zur Einsicht- und Stellungnahme übermittelt worden, der aus dem Originaldatenbestand der B-AG stamme. Dass die X GmbH die dort angeführten Lieferungen nicht erhalten habe, "konnte nicht nachgewiesen werden". Aus den vorgelegten Ladelisten, den vermerkten Ladekennzeichen und Kundennummern sowie aus dem Produktsortiment ergebe sich eine eindeutige Zuordnung an die X GmbH. "Ohne diesen Zusammenhang wäre das von der (B-AG) betriebene System von umfangreichen 'Schwarzlieferungen' nicht möglich gewesen. Die Annahme, dass auch bei der (X GmbH) dieses System angewandt wurde, hat auf Grund der dargelegten Tatsachen und der allgemeinen Lebenserfahrung die weitaus größere Wahrscheinlichkeit für sich, als dass gerade bei der (X GmbH) anders als bei zahlreichen anderen Gastronomen vorgegangen worden wäre."
Da die X GmbH einen Teil der von der B-AG bezogenen Waren (Bier und alkoholfreie Getränke) und die mit diesen Waren erzielten Umsätze nicht in der Buchhaltung erfasst habe, weise die Buchhaltung in allen Jahren schwerwiegende materielle und formelle Mängel auf, die zur Schätzung berechtigten. "Die Schätzung der Höhe nach ist durch die nachgewiesenen Schwarzeinkäufe und den ermittelten Rohaufschlag sachlich gerechtfertigt und nachvollziehbar." Auch der bei den übrigen Umsätzen (Küche, Aufgussgetränke, Wein, Spirituosen und Zigaretten) verhängte Sicherheitszuschlag sei gerechtfertigt, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nur in einigen Bereichen verkürzt werde. Es sei davon auszugehen, dass der mit den Schwarzumsätzen erzielte Gewinn vom "machthabenden Gesellschafter-GF" vereinnahmt worden sei. Daher hafte die X GmbH für die Einbehaltung und Abfuhr der darauf entfallenden Kapitalertragsteuer.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:
Zur Beschwerdeführung an den Verwaltungsgerichtshof ist nur derjenige legitimiert, an den der letztinstanzliche Bescheid ergangen ist und demgegenüber er auch wirkt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, 2006/16/0199, mwN).
Da der angefochtene Bescheid nicht an den Zweitbeschwerdeführer ergangen ist und diesem gegenüber auch nicht unmittelbar wirkt, mangelt es diesem an der Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers war daher mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die X GmbH einen Teil der im Streitzeitraum bezogenen Waren und die mit diesen Waren erzielten Umsätze nicht in der Buchhaltung erfasst habe und begründet dies im Wesentlichen damit, dass bei der B-AG ein System umfangreicher "Schwarzverkäufe" festgestellt worden sei, an dem auch die X GmbH teilgenommen habe. Hinsichtlich des bei der B-AG festgestellten Systems wurde der Erstbeschwerdeführerin am 28. Mai 2001 eine "Abschrift der Vorgangsweise der Steuerfahndung zur Erstellung der Bierkontrollmitteilung" übermittelt, der laut Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde folgendes zu entnehmen war:
"Kundenbestellungen wurden von Verkaufsdamen telefonisch entgegengenommen, wobei diese Bestellungen entweder sofort oder nach Anfertigung handschriftlicher Aufzeichnungen in die EDV eingegeben wurden. Diese Bestellungen wurden jedoch in der Weise gesplittet, dass ein vom Kunden angegebener Teil auf seine offizielle Kundennummer eingegeben wurde und die inoffiziellen Lieferungen auf Letztverbraucher-Sammelkonten erfasst wurden. Die Konten auf denen solche inoffiziellen Lieferungen erfasst wurden, wurden zumeist wie folgt bezeichnet: Div. Letztverbraucher Ortsname, Gemeinde Ortsname, Fahrverkauf Ortsname. Die Eingabe der LV-Lieferungen erfolgte entweder unmittelbar vor oder gleich nach der offiziellen Bestellung. Im Anschluss wurden Ausdrucke (sog. Ladevorschlagslisten bzw. Auftragsscheine für die KUBU) angefertigt, auf denen sämtliche Lieferungen (Rechnungen) eines Tages, und zwar nach dem jeweiligen Wagen sortiert, aufgelistet wurden. Auf diesen Listen war eine Zuordnung der LV-Lieferung zum Gastwirt anhand einer Kennzahl (LKZ = Lieferkennzeichen bzw. ADRKZ = Adresskennzeichen) ersichtlich. Diese Kennzahl wurde von den Telefondamen vergeben, wobei eine Vergabe der gleichen Nummer täglich nur einmal vorkam. Dieses LKZ wurde so gesteuert, dass für einen Auftragsschein zwei Fakturen erstellt wurden, diese aber unmittelbar hintereinander auf dem Buchungsprotokoll aufscheinen und die Rechnungen auch hintereinander ausgedruckt wurden. Ebenso wurden auf den Auftragsscheinen, die auch im Telefonverkehr angefertigt worden sind, LV-Bestellungen besonders angeführt (z.B. andere Farbe, mit der Bezeichnung +, etc.) Zusätzlich wurde auf diesen Scheinen das Lieferkennzeichen (LKZ) vermerkt. Für den Bierführer wurde der LV-Lieferschein an den offiziellen Lieferschein geheftet, damit er erkennen konnte, welche LV-Lieferung zum Kunden gehört. Diese Vorgangsweise wurde im Zuge von Vernehmungen von (B-AG)-Mitarbeitern, speziell Telefonverkaufsdamen und LKW-Chauffeuren, niederschriftlich bestätigt."
Die Erstbeschwerdeführerin brachte unter Bezugnahme auf das dargestellte System in der Berufung vor, "dass die Beschreibung des 'Letztverbraucher' - Umsatzes (Beilage zu Schreiben vom 28.5.2001) den Schluss zuläßt, dass die Lieferscheine des Steuerpflichtigen Spuren von 'angehefteten' LV-Lieferscheinen haben müssten, was nicht der Fall ist". Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde - wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird - nicht auseinandergesetzt. Sie hat weder festgestellt, dass die in der Belegsammlung der X GmbH aufbewahrten Lieferscheine sehr wohl Löcher und Risse aufgewiesen hätten, noch Feststellungen dahingehend getroffen, dass die Letztverbraucherlieferscheine nicht mit Heftklammern an die offiziellen Lieferscheine "geheftet" worden seien (weshalb dem Umstand, dass letztere keine Löcher und Risse aufweisen, keine Bedeutung zukäme). Damit ist aber eine abschließende Beurteilung der Frage, ob und inwieweit die X GmbH am bei der B-AG festgestellten System umfangreicher "Schwarzverkäufe" teilgenommen hat, nicht möglich.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 25. Jänner 2012
Begründung
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.
Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 305,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. zu Recht erkannt:
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