VwGH 2008/10/0131

VwGH2008/10/013129.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des A M in M, vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 1/IV, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. Mai 2008, Zl. Va-459-32964/1/11, betreffend Kostenübernahme für Rehabilitationsmaßnahmen nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

RehabilitationsG Tir 1983 §2;
RehabilitationsG Tir 1983 §25;
RehabilitationsG Tir 1983 §3 Abs5;
RehabilitationsG Tir 1983 §4;
RehabilitationsG Tir 1983 §5;
RehabilitationsG Tir 1983 §2;
RehabilitationsG Tir 1983 §25;
RehabilitationsG Tir 1983 §3 Abs5;
RehabilitationsG Tir 1983 §4;
RehabilitationsG Tir 1983 §5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Formularmäßig wurde mit Antrag des Beschwerdeführers vom 17. September 2007 eine Rehabilitationsmaßnahme nach dem TRG, und zwar "allgemeine Wahrnehmungstherapie und Logopädie", im Ausmaß von zwei Stunden pro Woche beantragt.

In dem von der Tiroler Landesregierung eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 23. April 2008 wird ausgeführt, beim Beschwerdeführer liege ein Leiden bzw. Gebrechen vor, das ihn in seiner Fähigkeit, eine angemessene Erziehung und Schulausbildung zu erhalten oder eine seiner Schul- und Berufsausbildung entsprechende Beschäftigung zu erhalten, dauernd wesentlich beeinträchtige. Die beantragte Rehabilitationsmaßnahme sei geeignet, die vorliegenden Defizite zu verringern, und könne aus medizinischer Sicht für zweckmäßig erachtet und im Ausmaß von zwei Wochenstunden befürwortet werden. Aus ärztlicher Sicht werde eine Nachuntersuchung in einem Jahr vorgeschlagen.

Mit Bescheid vom 28. Mai 2008 sprach die Tiroler Landesregierung über den Antrag wie folgt ab:

"I.

Gemäß § 5 TRG werden für den Zeitraum vom 01.03.2008 bis 31.05.2009 die Kosten des Integrationstrainings im Ausmaß von zwei Stunden pro Woche 'Die Eule', Therapie- und Förderzentrum GmbH, Obermarktstr. 43 in 6410 Telfs - insgesamt für maximal 80 Stunden -

übernommen. Die Kosten werden mit der Therapie- und Förderzentrum GmbH Die Eule abgerechnet.

II.

Über den Kostenbeitrag wird gesondert entschieden."

In der Begründung zu Spruchpunkt I. wurde ausgeführt, dem Antrag sei vollinhaltlich stattgegeben worden: Eine weitere Begründung habe gemäß § 58 Abs. 2 AVG entfallen können.

Gegen diesen Bescheid - offensichtlich nur gegen dessen Spruchpunkt I. - richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Seitens der belangten Behörde bestünden im Hinblick auf weitere beim Verwaltungsgerichtshof anhängige gleichgelagerte Beschwerdefälle "konkrete Bedenken" gegen das Vorliegen der Vollmacht des Beschwerdevertreters im vorliegenden Beschwerdefall. Beantragt werde, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des Tiroler Rehabilitationsgesetzes, LGBl. Nr. 58/1983 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 22/2006, lauten (auszugsweise):

"1. Teil

Rehabilitation

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§ 2

Personenkreis

Behinderte im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die wegen eines physischen oder psychischen Leidens oder Gebrechens in ihrer Fähigkeit dauernd wesentlich beeinträchtigt sind, ein selbständiges Leben in der Gesellschaft zu führen, insbesondere eine angemessene Erziehung, Schulbildung oder Berufsausbildung zu erhalten oder eine ihnen aufgrund ihrer Schul- und Berufsausbildung zumutbare Beschäftigung zu erlangen oder zu behalten.

§ 3

Anspruch

(1) Voraussetzung für die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen ist, dass der Behinderte

  1. a) die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt,
  2. b) in Tirol seinen Hauptwohnsitz hat,
  3. c) rehabilitationsfähig ist,
  4. d) rehabilitationswillig ist,
  5. e) keine Möglichkeit hat, nach anderen Rechtsvorschriften gleichartige oder ähnliche Leistungen zu erhalten.

    ...

(5) Auf Leistungen nach diesem Gesetz, mit Ausnahme von Leistungen nach § 14 und § 15 Abs. 1 und 2, besteht ein Anspruch. Ein Anspruch auf Gewährung einer bestimmten Rehabilitationsmaßnahme besteht nicht.

§ 4

Rehabilitationsmaßnahmen

Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind:

a) medizinische Rehabilitationsmaßnahmen:

  1. 1.

    Heilbehandlung

  2. 2. Körperersatzstücke, orthopädische Behelfs- oder andere Hilfsmittel,

    3. Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie);

    ...

    Zweiter Abschnitt

    Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen

    § 5

    Heilbehandlung

(1) Die Heilbehandlung umfasst ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe sowie Pflege und Behandlung in Krankenanstalten, Kuranstalten oder sonstigen geeigneten Anstalten oder Einrichtungen, soweit dies im Zusammenhang mit der Rehabilitation des Behinderten erforderlich ist.

(2) Zur Heilbehandlung gehören auch die notwendigen Untersuchungen, Befunde und Gutachten.

...

3. Teil

Gemeinsame Bestimmungen

§ 25

Behörden und Verfahren

(1) Der Landesregierung obliegt die Entscheidung und Verfügung in allen Angelegenheiten dieses Gesetzes.

(2) Rehabilitationsmaßnahmen dürfen nur auf Antrag gewährt werden. Anträge auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen sind schriftlich beim Amt der Landesregierung oder bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in der der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat, einzubringen.

(3) Vor der Entscheidung über einen Antrag nach Abs. 2 sind der Amtsarzt und bei Bedarf weitere Sachverständige zu hören. Die Sachverständigen können ein gemeinsames Gutachten (Gesamtplan) erstellen.

..."

1.2. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage eines Tiroler Rehabilitationsgesetzes wird zu § 3 Abs. 5 TRG (auszugsweise) Folgendes ausgeführt:

"Abs. 5 stellt klar, dass auf die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen und auf die Gewährung einer Pflegebeihilfe ein Anspruch besteht. Ausgenommen sind Maßnahmen nach den §§ 14 und 15 des vorliegenden Entwurfes. ... . Der zweite Satz des Abs. 5 bringt eine Klarstellung dahin gehend, dass sich der Behinderte die Rehabilitationsmaßnahme nicht aussuchen kann. Welche Rehabilitationsmaßnahme für den Behinderten die geeignete ist, kann nur durch ein Ermittlungsverfahren der Behörde geklärt werden, in dem Sachverständige zu hören sind (siehe § 25 Abs. 3)"

2.1. Die Beschwerde ist zulässig.

Der Beschwerdevertreter bringt im Beschwerdeschriftsatz vor, der minderjährige Beschwerdeführer habe ihn durch dessen Mutter mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung betraut und Vollmacht erteilt. Der einschreitende Beschwerdevertreter berufe sich auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 30 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 23 Abs. 5 VwGG.

Die belangte Behörde spricht zwar von "konkreten" Bedenken gegen das Bestehen einer Vollmacht im Beschwerdefall, nennt aber kein einziges Indiz für ihre Auffassung. Aus diesem Vorbringen ergeben sich mithin keine Zweifel im Sinne des § 10 Abs. 2 AVG (im Zusammenhang mit § 62 Abs. 1 VwGG) am Bestehen einer Vertretungsbefugnis des einschreitenden Beschwerdevertreters.

2.2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

2.2.1. Gemäß § 3 Abs. 5 zweiter Satz TRG hat der Behinderte - ungeachtet eines Anspruchs auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen - keinen Anspruch auf Gewährung einer bestimmten Rehabilitationsmaßnahme. Wie sich aus den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien ergibt, hat die Behörde in einem Ermittlungsverfahren, in dem gemäß § 25 Abs. 3 TRG der Amtsarzt zu hören ist, zu beurteilen, welche Rehabilitationsmaßnahme für den Behinderten die geeignete ist.

Daraus ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die klare Absicht des Gesetzgebers zu erkennen, dass die Bestimmung, welche Rehabilitationsmaßnahme konkret, d.h. im einzelnen Fall nach Art und Ausmaß zu gewähren ist, der Behörde überlassen bleiben soll. Hat die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme bejaht, so kann der Behinderte mangels eines Rechtsanspruches die konkrete Festlegung der Rehabilitationsmaßnahme sowie deren gewährtes Ausmaß, jedenfalls sofern darin nicht der Sache nach eine Abweisung des Rehabilitationsantrages zu erblicken ist, nicht wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erfolgreich bekämpfen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2007, Zl. 2006/10/0183, zu einem Fall nach dem NÖ Sozialhilfegesetz 2000).

2.2.1. Der angefochtene Bescheid spricht über einen Zeitraum von 15 Monaten - insgesamt ca. 65 Wochen - ab. Die beantragte Rehabilitationsmaßnahme wird, nach Einbindung des Amtsarztes im Ermittlungsverfahren, im Ausmaß von zwei Wochenstunden gewährt, und zwar - anscheinend wegen des Ausfalles von Wochenstunden infolge Schulferien oder Urlaubsabwesenheiten - bis zu einer Höchstzahl von 80 Stunden. Ein Fall, in dem - im Sinne des oben Gesagten - der Rehabilitationsanspruch abgewiesen worden wäre, liegt hier somit nicht vor; dies deutet die Beschwerde auch nicht einmal an.

Dadurch, dass der angefochtene Bescheid eine nach Auffassung des Beschwerdeführers insgesamt zu geringe Zahl von Stunden für den Gewährungszeitraum vorsieht, wurde der Beschwerdeführer nach den bisherigen Ausführungen im Hinblick auf § 3 Abs. 5 zweiter Satz TRG nicht in Rechten verletzt.

2.2.2. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. Jänner 2009

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