VwGH 2008/08/0258

VwGH2008/08/025824.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H Z in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Stutterheimstraße 16-18, Stg. 2, OG 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 14. November 2008, Zl. 2008-0566-9-002392, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1961 geborene Beschwerdeführer bezog seit August 2002 - mit kurzen Unterbrechungen durch den Bezug von Krankengeld -

Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 3. Juli bis 27. August 2006 verloren hat. Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG wurde nicht gewährt.

In ihrer Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges (auszugsweise) Folgendes fest (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"... Am 07.06.2006 wurde eine Betreuungsvereinbarung

geschlossen, in der u.a. entsprechend Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten angeführt ist, dass Sie (gemeint: der Beschwerdeführer) das Arbeitsmarktservice bei der Suche nach einer Stelle als Verkaufsleiter bzw. Verkaufsberater unterstützt. Festgehalten wurde auch, dass Sie Berufserfahrung als Verkaufsleiter haben.

Ihnen wurde von Seiten des Arbeitsmarktservice am 07.06.2006 eine Beschäftigung als Verkaufsberater beim Dienstgeber (B.) mit einer Entlohnung von EUR 2.100,--, davon 70 % Fixum (= EUR 1.470,--) und 30 % (= EUR 680,--) variabel, plus Dienstauto, Notebook und Mobiltelefon zugewiesen. Möglicher Arbeitsantritt wäre der 03.07.2006 gewesen. Arbeitsort wäre Wien gewesen.

Anforderungsvoraussetzung an der zugewiesenen Stelle waren unter anderem: Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen, selbstbewusstes Auftreten und 1 bis 2 Jahre Vertriebserfahrung. Erwünscht war die Übermittlung einer Bewerbung inklusive Foto.

Die Entlohnung für diese Beschäftigung richtet sich nach dem Kollektivvertrag für den allgemeinen Groß- und Kleinhandel Österreichs. Die kollektivvertragliche Entlohnung für die angebotene Stelle beträgt bei einer Betriebszugehörigkeit bis 7 Jahre mindestens EUR 1.166,50 brutto monatlich für eine Vollzeitbeschäftigung. Bereits der angebotene fixe Bruttolohn von EUR 1.470,-- monatlich übersteigt somit den kollektivvertraglichen Mindestlohn. Weiters hätten Sie monatlich bis zu EUR 680,-- an Provisionen erhalten, und wäre ihnen auch ein Dienstauto, ein Notebook und ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt worden.

Ein Dienstverhältnis kam nicht zu Stande.

Am 12.06.2006 haben Sie bei der Firma angerufen, und am 14.06.2006 haben Sie dort vorgesprochen. Ihre Bewerbungsunterlagen sind bei der Firma nicht eingelangt.

Mit Schreiben vom 14.06.2006 teilte der Dienstgeber mit, sie hätten bei der Firma am 12.06.2006 angerufen, jedoch keine Bewerbungsunterlagen übermittelt. Weiters teilte der Dienstgeber mit, dass Ihnen die Bezahlung zu gering war und Sie nur wegen des Stempels vorgesprochen hätten. Sie hätten keine Unterlagen geschickt und mussten eindringlichst gebeten werden zu gehen. Das Vorbringen des potentiellen Dienstgebers über den Verlauf Ihrer Vorsprache ist als glaubwürdig anzusehen. Es entspricht der Interessenslage des Dienstgebers, dass dieser nur dann den zusätzlichen Aufwand einer Meldung an das Arbeitsmarktservice auf sich nimmt, wenn sich der Stellenbewerber ablehnend verhalten hat. Sie haben keine Bewerbungsunterlagen vorgelegt, brachten zum Ausdruck, dass Sie mit der Höhe bzw. Art der Entlohnung nicht einverstanden sind und verlangten eine Bestätigung Ihrer Vorsprache für das Arbeitsmarktservice. Dies wurde vom potentiellen Dienstgeber als mangelndes Interesse gedeutet.

Sie haben sich somit in mehreren Punkten in derartiger Art und Weise so verhalten, dass der potentielle Dienstgeber kein Interesse Ihrerseits an der angebotenen Stelle erkannt hat und kein Dienstverhältnis zustande gekommen ist.

..."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, dass die in Aussicht genommene Tätigkeit im Hinblick auf die verlangten Kenntnisse und Fähigkeiten den beim Beschwerdeführer vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprochen habe, zumindest kollektivvertraglich entlohnt worden sei, keine Gefährdung der Sittlichkeit dargestellt habe und daher zuweisungstauglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten kein Interesse an der Einstellung gezeigt und dadurch in Kauf genommen, dass das Dienstverhältnis letztlich nicht zu Stande gekommen sei. Sowohl die gegenüber dem Dienstgeber gemachte Aussage, dass dem Beschwerdeführer der Lohn zu wenig gewesen sei, als auch die Nachfrage nach einem "Stempel" für das Arbeitsmarktservice seien die Ursache für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses, weil ein derartiges Verhalten nach der allgemeinen Erfahrung geeignet sei, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen und das Nichtzustandekommen dieser Beschäftigungsaufnahme herbeizuführen, diese also zu vereiteln. Dies sei als eine Verletzung der dem Beschwerdeführer zumutbaren Sorgfaltspflichten durch ein fahrlässiges Verhalten oder Unterlassen einer Handlung im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht bei der Erlangung einer zumutbaren Beschäftigung zu werten. Die bloße Vorsprache bei einem potentiellen Dienstgeber ohne (ausreichendes) Interesse an der angebotenen, zumutbaren Beschäftigung zu zeigen, stelle bereits eine Vereitelung bzw. Verweigerung dar und führe zur Verhängung der Sanktionen des § 10 AlVG.

Die Einwände des Beschwerdeführers bezüglich der zu geringen Höhe der Entlohnung erachtete die belangte Behörde als nicht glaubwürdig, da bereits der fixe Teil der Entlohnung die ihm kollektivvertraglich gebührende Entlohnung überschritten hätte. Dasselbe gelte für den Einwand, er hätte in die Slowakei fahren müssen, da zwar die Stellenausschreibung im Auftrag eines slowakischen Unternehmens erfolgt, Arbeitsort jedoch ausschließlich Wien gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, worin sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder der die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, dass Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wege verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (auch nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, Zl. 2008/08/0017).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2004/08/0237, mwN).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellungen im angefochtenen Bescheid zum Vorstellungsgespräch am 14. Juni 2006 beim potentiellen Arbeitgeber sowie zum Zeitpunkt des (Nicht-)Vorliegens der Bewerbungsunterlagen bei diesem Unternehmen wendet und damit erkennbar die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nachvollziehbar dargelegt, warum sie den Angaben des potentiellen Arbeitgebers zum Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber denjenigen des Beschwerdeführers den Vorzug gegeben hat; ihre Argumentation hält den Prüfkriterien des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne der zuvor zitierten Judikatur stand. Dagegen vermag der Beschwerdeführer mit der bloßen Wiederholung seines Standpunktes nichts Stichhaltiges ins Treffen zu führen. Ebenso kann er mit dem unsubstantiierten Vorbringen, die belangte Behörde hätte auf Grund der Divergenz der Angaben zu jenem Gespräch "zumindest einen informierten Vertreter der Firma B. einvernehmen oder sonstige geeignete Nachforschungen anstrengen müssen", die Relevanz des dazu behaupteten Verfahrensfehlers nicht aufzeigen. Die bekämpfte Feststellung hinsichtlich der Bewerbungsunterlagen ist im Gesamtzusammenhang so zu verstehen, dass diese zum relevanten Zeitpunkt des gegenständlichen Gespräches am 14. Juni 2006 dem potentiellen Arbeitgeber nicht vorlagen. Dies wird aber auch vom Beschwerdeführer eingeräumt, wenn er in der Beschwerde dazu vorbringt, dass er diese erst am 14. Juni 2006 verfasst und am 16. Juni 2006 zur Post gegeben habe.

Ausgehend von den aus einem mängelfreien Beweisverfahren resultierenden Feststellungen geht auch die Rechtsrüge ins Leere, zumal die belangte Behörde im Verhalten des Beschwerdeführers beim gegenständlichen Gespräch zu Recht den Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG als erfüllt sehen konnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. November 2010

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