VwGH 2008/04/0121

VwGH2008/04/01213.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der M in H, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Freyung 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien von 13. Juni 2008, Zlen. M63/01033/2007 und M63/01142/2007, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §13 Abs1 Z1 litb;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
GewO 1994 §87;
GewO 1994 §91 Abs2;
KFG 1967 §57a;
StGB §164 Abs2;
StGB §223 Abs1;
StGB §224;
StGB §302 Abs1;
StGB §43 Abs1;
VwRallg;
GewO 1994 §13 Abs1 Z1 litb;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
GewO 1994 §87;
GewO 1994 §91 Abs2;
KFG 1967 §57a;
StGB §164 Abs2;
StGB §223 Abs1;
StGB §224;
StGB §302 Abs1;
StGB §43 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 13. Juni 2008 hat der Landeshauptmann von Wien der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigungen für das Kraftfahrzeugtechnikgewerbe und das Handelsgewerbe an einem bestimmt bezeichneten Standort entzogen.

Dazu führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin mit Verfahrensanordnung vom 6. Mai 2005 aufgefordert worden sei, ihren handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer Reinhold S. als Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte bis 1. Oktober 2005 zu entfernen. Reinhold S. sei entgegen dieser Aufforderung nicht aus seiner Position mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte (Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer) ausgeschieden.

Reinhold S. sei mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 23. Februar 2005 wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauches nach § 302 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass Reinhold S. in folgenden Fällen Begutachtungsplaketten und Prüfberichte für Überprüfungen gemäß § 57a KFG ausgestellt habe, ohne die Fahrzeuge einer Begutachtung zu unterziehen:

Am 3. September 2003 am Pkw BMW 525i des Milovan N, wobei für dieses Fahrzeug zuvor vom ÖAMTC die Ausstellung einer Überprüfungsplakette wegen technischer Mängel verweigert worden sei;

im Juni 2003 am Pkw VW Golf des Dragan M;

in der Zeit von November 2002 bis Juni 2004 an etwa 1.000 weiteren nicht mehr näher feststellbaren Fahrzeugen.

Konfrontiert mit diesem Ermittlungsergebnis habe die Beschwerdeführerin auf das fortgeschrittene Alter von Reinhold S., die bedingte Strafnachsicht, die bereits entzogene Berechtigung zur Ausstellung von Begutachtungsplaketten sowie auf wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens verwiesen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 10. Mai 2007, teilweise abgeändert durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 6. Februar 2008, sei Reinhold S. wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden und der Hehlerei gemäß §§ 223 Abs. 1, 224, 164 Abs. 2 StGB neuerlich zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass Reinhold S. 73 Stück ?lanko-Begutachtungsplaketten, die ein anderer durch Einbruchsdiebstahl in eine Zulassungsstelle erlangt habe, sowie weitere fünf Stück Blanko-Begutachtungsplaketten an sich gebracht habe und am 12. Februar 2007 sowie an fünf nicht mehr feststellbaren Tagen davor jeweils eine Begutachtungsplakette gemäß § 57a KFG gelocht und an Fahrzeugen angebracht habe, ohne die dafür erforderliche Bewilligung zu besitzen.

Über Vorhalt dieser Verurteilung habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass Reinhold S. durch einen über behördliche Initiative tätigen verdeckten Ermittler zu dieser Straftat veranlasst worden sei.

Die festgestellten, noch nicht getilgten Verurteilungen von Reinhold S. bildeten einen Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO). Die den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten richteten sich gegen die Amtspflichten, gegen fremdes Vermögen und gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen. Die Ausübung der nunmehr entzogenen Gewerbe biete zweifellos Gelegenheit, gleiche oder ähnliche Verstöße zu begehen. Aus dem langen Deliktszeitraum, der Vielzahl der Tathandlungen und dem Alter von Reinhold S. von etwa 60 Jahren, in dem in der Regel eine abgeschlossene Charakterbildung vorliege, sei ein Persönlichkeitsbild zu gewinnen, das die Begehung von Straftaten bei Ausübung des Gewerbes befürchten lasse. Diese Befürchtung habe sich durch die der zweiten Verurteilung zu Grunde liegenden weiteren Straftaten bestätigt. Von diesen weiteren Straftaten habe sich Reinhold S. weder durch die vorangegangene rechtskräftige Verurteilung noch durch das bereits anhängige gegenständliche Berufungsverfahren abhalten lassen. Der Behauptung, Reinhold S. sei zu den der zweiten Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten behördlicherseits provoziert worden, komme im Hinblick auf die Bindungswirkung rechtskräftiger Verurteilungen keine Relevanz zu. Auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Fall der Entfernung des geschäftsführenden Gesellschafters könne auf Grund der eindeutigen Gesetzeslage nicht Rücksicht genommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 GewO sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn (Z. 1) sie von einem Gericht (lit. b) wegen einer strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden sind und (Z. 2) die Verurteilung nicht getilgt ist.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbetreibenden die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlungen und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts und beziehen sich die in § 87 GewO angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde gemäß § 91 Abs. 2 GewO dem Gewerbetreibenden eine Frist bekannt zu geben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.

Unstrittig wurde Reinhold S., der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Beschwerdeführerin, am 23. Februar 2005 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und am 6. Februar 2008 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr rechtskräftig verurteilt. Damit steht bindend fest, dass Reinhold S. die diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden, in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgezählten Straftaten rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Ob - wie in der Beschwerde behauptet - die zweite Verurteilung auch unter Verwendung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels erfolgte, kann daran nichts ändern, steht es der Verwaltungsbehörde - ebenso wie dem Verwaltungsgerichtshof - doch nicht zu, das ordnungsgemäße Zustandekommen eines rechtskräftigen Strafurteils zu überprüfen.

Reinhold S. hat in der Zeit von November 2002 bis Juni 2004 in nicht weniger als etwa 1.000 Fällen seine Befugnis, Überprüfungsplaketten nach § 57a KFG auszustellen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er solche Plaketten für Fahrzeuge ausstellte, ohne diese Fahrzeuge vorher überprüft zu haben. Nicht einmal zwei Jahre nach der deshalb erfolgten rechtskräftigen Verurteilung hat Reinhold S. neuerlich gravierende einschlägige Straftaten begangen. Er hat mehr als 70 Blanko-Begutachtungsplaketten, die ein anderer durch Einbruchsdiebstahl erlangt hat, an sich gebracht und einige dieser Plaketten an Fahrzeugen von Kunden angebracht, obwohl er die Befugnis zur Anbringung derartiger Plaketten - auf Grund der der ersten Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten - nicht mehr besaß. Aus diesem strafbaren Verhalten ist eine große Bereitschaft von Reinhold S. abzuleiten, sich leichtfertig über die bei der Gewerbeausübung maßgeblichen Vorschriften hinwegzusetzen. Die lange Dauer, die überaus zahlreichen Tathandlungen und der rasche Rückfall lassen befürchten, dass Reinhold S. bei weiterbestehendem maßgebenden Einfluss auf den Betrieb eines Gewerbes gleichartige oder ähnliche Straftaten begehen werde. Entgegen der Beschwerdemeinung bietet auch das von der Beschwerdeführerin ausgeübte Handelsgewerbe zahlreiche Gelegenheiten zur Begehung ähnlicher Straftaten, insbesondere solcher gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden. Dass die Entziehung der Berechtigung zur Ausstellung von Begutachtungsplaketten Reinhold S. von der Begehung ähnlicher Straftaten nicht abhalten konnte, ergibt sich eindrucksvoll aus der zweiten Verurteilung.

Soweit die Beschwerdeführerin die bedingte Strafnachsicht ins Treffen führt, ist ihr zunächst zu entgegen, dass für das gewerbebehördliche Entziehungsverfahren gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht nicht von Relevanz sind. Vielmehr hat die Gewerbebehörde eigenständig die Voraussetzungen für die Entziehung zu beurteilen. Jedoch können die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht schematisch außer Betracht bleiben. Vielmehr bedarf es bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO erfüllt sind (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 7. November 2005, Zl. 2005/04/0080, mwN).

Im vorliegenden Fall kann die Beschwerde schon im Hinblick auf die begangenen Straftaten solche besonderen Umstände nicht dartun.

Die Ansicht der belangte Behörde, dass der Entziehungsgrund gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 iVm § 13 Abs. 1 Z. 1 lit. b GewO in der Person des Reinhold S. erfüllt sei, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Reinhold S. hat nicht nur auf Grund seiner Stellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer, sondern - entgegen der Beschwerdemeinung - auch als Mehrheitsgesellschafter der Beschwerdeführerin einen maßgebenden Einfluss auf den Betrieb deren Geschäfte (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung2, Rz 10 zu § 91 zitierte hg. Judikatur).

Die Beschwerdeführerin ist unstrittig dem gemäß § 91 Abs. 2 GewO erteilten behördlichen Auftrag, Reinhold S. aus der Position mit maßgeblichem Einfluss auf den Geschäftsbetrieb zu entfernen, nicht nachgekommen. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, es sei ihr aus - näher dargelegten - rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen gar nicht möglich gewesen, Reinhold S. von seiner Position als handelsrechtlicher Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter zu entfernen, ist ihr zu entgegnen, dass eine Aufforderung zur Entfernung einer Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte gemäß § 91 Abs. 2 GewO unabhängig davon zu ergehen hat, ob und auf welche Weise es dem Gewerbetreibenden möglich ist, der betroffenen Person die mit dem maßgeblichen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb verbundene Position zu entziehen. Gelingt die Entfernung von dieser Position - aus welchen Gründen immer - nicht fristgerecht, so ist die Gewerbeberechtigung zu entziehen (vgl. das ebenfalls die Gewerbeentziehung auf Grund einer nicht befolgten Aufforderung zur Entfernung des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters betreffende hg. Erkenntnis vom 6. April 2005, Zl. 2004/04/0008, mwN).

Da somit der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 3. September 2008

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