VwGH 2008/01/0245

VwGH2008/01/024521.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des C Z (geboren 1966) in W, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 7/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Februar 2008, Zl. 316.725-1/2E-III/67/08, betreffend §§ 3, 8, 10 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs1 Z2;
EMRK Art8;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 27. September 2007 abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 17. Dezember 2007 gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen und ihm der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge Staatsangehöriger von Marokko und im Jahre 2003 aus Italien kommend illegal ins Bundesgebiet eingereist. Zu seinen Fluchtgründen habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen angegeben, er sei "damals" nach Israel ausgewandert und werde seither von den marokkanischen Behörden gesucht, da diese geglaubt hätten, der Beschwerdeführer sei zum jüdischen Glauben übergetreten. Dem Beschwerdeführer sei eine Glaubhaftmachung dieser Fluchtgründe nicht gelungen, wobei insbesondere auf die im hohen Maße unkonkreten und widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers verwiesen werde. Zur Ausweisung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer führe in Österreich ein Familienleben mit seiner Ehefrau, welche österreichische Staatsbürgerin sei. Im Hinblick auf das gegen den Beschwerdeführer seit Oktober 2007 rechtskräftig verhängte Aufenthaltsverbot und den seit der Asylantragstellung nur bloß vorläufigen Aufenthalt müssten die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers, auch wenn er seit 2004 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, zurücktreten. Eine mündliche Verhandlung habe unterbleiben können, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter anderem vorgebracht wird, der Beschwerdeführer sei 1995 nach Israel ausgewandert, wo er als Angehöriger des jüdischen Volkes automatisch die Staatsangehörigkeit erworben habe. In Marokko sei es strafbar, als Untertan des marokkanischen Königs die israelische Staatsangehörigkeit anzunehmen und der Beschwerdeführer sei nach seiner Rückkehr in Marokko festgenommen worden, weil die marokkanischen Behörden von seiner Doppelstaatsangehörigkeit Kenntnis erlangt hätten. Die belangte Behörde habe jedoch entscheidungsrelevante Feststellungen zum Umstand, dass der Beschwerdeführer die israelische Staatsangehörigkeit angenommen habe, unterlassen. Zudem habe der Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde ein nachträgliches Vorbringen unter Vorlage von Beweismitteln erstattet, mangels geklärten Sachverhalt habe die belangte Behörde daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Unrecht unterlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde nennt im Kopf des angefochtenen Bescheides als Staatsangehörigkeit ("StA") des Beschwerdeführers Marokko und führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge Staatsangehöriger von Marokko.

Dieser Begründungsteil steht im Widerspruch zu der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Aktenlage, wonach der Beschwerdeführer bereits bei der polizeilichen Erstbefragung am 27. September 2007 angab, 1995 nach Israel ausgewandert zu sein und dort die israelische Staatsbürgerschaft "bekommen" zu haben (AS 21). In der niederschriftlichen Einvernahme beim BAA am 7. November 2007 hat der Beschwerdeführer angegeben, er sei in Untersuchungshaft gewesen, weil die marokkanischen Behörden behauptet hätten, er hätte eine Doppelstaatsbürgerschaft (AS 55). Bei der zweiten Einvernahme vor dem BAA am 6. Dezember 2007 gab der Beschwerdeführer zwar als Staatsangehörigkeit Marokko an, brachte aber im Zuge der Einvernahme vor, er werde in Marokko gesucht, weil er in Israel gewesen sei und man in Marokko nicht zwei Staatsbürgerschaften haben dürfe (AS 317). Im erstinstanzlichen Bescheid des BAA vom 17. Dezember 2007 wird sodann als Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers "Marokko alias Israel" angeführt und festgestellt, der Beschwerdeführer habe sich bei in- und ausländischen Behörden mit verschiedenen Identitäten ausgegeben. In seiner Berufung gegen den genannten Bescheid des BAA führte der Beschwerdeführer selbst als Staatsangehörigkeit "Marokko alias Israel" an. Mit Schriftsatz vom 4. Februar 2008 ("Nachträgliches Vorbringen und Beweisantrag") führte der Beschwerdeführer als Staatsangehörigkeit "Marokko und Israel" an und legte als Beweis für seine "jüdische Herkunft" die Kopie eines (seinem Vorbringen zufolge) nur "jüdischen Bürgern" zugänglichen Personaldokumentes sowie eine Kopie seines israelischen Reisepasses vor.

Auf diese Sachverhaltselemente geht die belangte Behörde in ihrer Begründung des angefochtenen Bescheides in keiner Weise ein.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der individuellen Abwägung im Zuge der Ausweisungsentscheidung im Hinblick auf die Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsangehörigen auch die Frage der Fortsetzung dieses Familienlebens im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zu berücksichtigen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/01/0703, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Oktober 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte